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I. Die Waldenser 190

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Um 1175 gab der reiche Kaufmann Petrus Waldes (+ vor 1218) seinen Reichtum und seine gesellschaftliche Stellung auf, um in apostolischer Armut nach den Weisungen des Evangeliums zu leben. Waldes schloss sich jedoch nicht den sog. Ketzerpredigern an, sondern er suchte Rat bei Priestern und Theologen der Kirche. Er ließ sich von ihnen die heilige Schrift ins Provenzalische übersetzen, um sich aus eigener Kenntnis heraus von ihr leiten und führen zu lassen. Mit gleichgesinnten Frauen und Männern begann er in apostolischer Armut als Wanderprediger gegen die Sünden in der Welt zu predigen. Allerdings lebten sie nun genauso wie viele verurteilte Ketzer. Als ihnen schließlich der Erzbischof von Lyon das Predigen verbieten wollte, gehorchten sie nicht, da dies der Weisung des Evangeliums nicht entspräche, allen Geschöpfen die frohe Botschaft zu verkünden (vgl. Mk 16,15). Sie argumentierten: Man müsse Gott mehr gehorchen als den Menschen (gemäß Apg 5,29). Doch keinesfalls wollten sie sich von der Kirche trennen. Deshalb gingen sie nach Rom, wo gerade das 3. Laterankonzil stattfand, um von Papst Alexander III. (1159-1181) die Anerkennung ihrer Lebensweise und die Erlaubnis zur apostolischen Wanderpredigt zu erhalten. Zudem reichte Waldes auch seine Bibelübersetzung zur Prüfung ein. Durch Waldes wurde die Kirche offiziell zu einer Stellungnahme zu freiwilliger apostolischer Armut und Wanderpredigt gezwungen, da man Waldes und seinen Gefährten keinesfalls zur Last legen konnte, wie die Ketzer gegen die Lehren und Sakramente der Kirche zu sein. Im Gegenteil: Waldes wollte sich in die Ordnung der Kirche einfügen. Doch der Papst und das Konzil versagten völlig. In einer theologischen Prüfung wurde das Anliegen der Waldenser in keiner Weise ernst genommen. Der Leiter dieser Kommission, Walter Map, ein Gesandter des englischen Königs, machte sich über Waldes und seine Gefährten lustig und hielt die ganze Prüfung für lächerlich. Am Ende lobte der Papst zwar die freiwillige Armut des Petrus Waldes, doch die Predigt wurde ihnen verboten; nur wenn sie von ihren Bischöfen oder Priestern dazu aufgefordert würden, sei dies möglich. Da die Waldenser jedoch gerade von ihren Bischöfen und Priestern beargwöhnt wurden, bestand faktisch ein generelles Verbot. Aber nicht nur das Versagen Einzelner führte zur Abweisung der Waldenser, sondern auch die Vorstellung vom hierarchischen Ordo gemäß der gregorianischen Reform, nämlich dass ausschließlich den von Gott dazu berufenen Bischöfen und Priestern das Recht zu Predigt und Seelsorge vorbehalten sei: „Von Gott dazu berufen sind aber nur die 12 Apostel und ihre Nachfolger, die Bischöfe, und die 72 Schüler des Herrn und ihre Nachfolger, die Priester, dazu noch deren Stellvertreter, die Archidiakone und Vikare, sonst aber niemand, weder Mönche noch Laien; und niemand, selbst der Papst nicht, kann irgend jemanden zur Predigt und zur Seelsorge berechtigen außer diejenigen, die nach dieser unveränderlichen Ordnung von Gott dazu berufen sind, - es sei denn, diese von Gott Berufenen selbst forderten jemanden zur Predigt in ihrem Amtsbezirk auf. Aber gerade davor hatte man andererseits die Bischöfe und Priester immer wieder gewarnt, fremde Prediger zuzulassen.“191 Die Waldenser hielten sich indes nicht an die Anordnungen des Konzils. Sie predigten weiter und entfernten sich immer mehr von der Kirche. Sie begannen auch gegen die Sünden des Klerus zu predigen. 1184 wurden sie auf der Synode von Verona mit dem Kirchenbann belegt und gemeinsam mit den Katharern als Ketzer bezeichnet. Begründet wurde dies – an erster Stelle – mit der unbefugten Predigt. Die unbefugte Predigt, selbst wenn sie den Lehren der Kirche entsprach, galt somit als ein wesentliches Merkmal für Ketzerei. Nach ihrer Verurteilung 1184 gerieten die Waldenser immer mehr unter den Einfluss der Katharer und deren manichäischen Gedankenguts. Anfangs hatten die Waldenser diese Sekte noch heftig bekämpft. Jetzt erst, unter dem Einfluss der Katharer, wurden sie zu einer teilweise gefährlichen Sekten. Sie lehnten jegliche kirchliche Autorität und Lehre ab. Katholische Traditionen wie die Sakramente, die Heiligen-, Bilder- und Reliquienverehrung verwarfen sie. Sie waren gegen den Ablass, den Eid, den Zehnt, den Kriegsdienst und die Todesstrafe. Je nachdem, wie intensiv sie dem Katharismus verfallen waren, leugneten sie die Sünde und die Hölle. Durch ein Consolamentum (Handauflegung) auf dem Sterbebett versprachen sie den einfachen Gläubigen eine leichte Erlösung. Doch ihr strenges Leben nach dem Evangelium führte ihnen viele Anhänger zu. Die Waldenser gliederten sich – wie die Katharer – in zwei Klassen: die Vollkommenen (Prediger, Vorsteher, Seelsorger) und die einfachen Gläubigen (Freunde, Förderer, Sympathisanten, gewöhnliche Anhänger). Waldes weihte auch eigenmächtig Bischöfe und Priester. Noch im 12. Jahrhundert verbanden sich die Waldenser in Oberitalien mit den „Armen der Lombarden“. Dort wurden sie in ihrer antikirchlichen Haltung noch radikaler als anderswo. In Metz und in Straßburg tauchten sie ebenfalls auf. Im 13. Jahrhundert breiteten sie sich in Flandern, im Rheintal, entlang der Donau, in der Gascogne, in Burgund und in der Champagne aus. Die Bevölkerung im Rheinland und in Nordfrankreich setzte sich jedoch, im Gegensatz zum französischen Süden, teilweise mit Gewalt zur Wehr. Ab 1199 erfolgte unter Papst Innozenz III. (1198 – 1216) eine Versöhnung mit den Teilen der Waldenser, die nicht völlig von der Lehre des Manichäismus erfüllt waren.192

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