Читать книгу DAS GUTENBERG-KONZIL - Jörg Weigand, Ulrich Blode - Страница 10

Die Hände

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Ich traf ihn in den Sommerferien während eines Spaziergangs am Strand. Er war vielleicht zwanzig Jahre alt, ein hübscher blondhaariger Junge, der wohl jedem Mädchen gefallen musste. Gerade steuerte er sein Fischerboot ans Ufer und ich erinnere mich daran, dass seine Muskeln spielten, als er die Netze aus dem Wasser zog.

Am nächsten Morgen bat ich ihn, mich aufs Meer hinaus zu rudern. Während ich ins Boot stieg, streckte er mir die Hand entgegen, den Daumen der anderen hatte er um die Bordkante gelegt, während die übrigen Finger einen Pfosten des Steges umklammerten. Das Boot hielt trotz des starken Wellenschlages still wie ein Lamm und ich bekam zum ersten Mal eine Ahnung von der Kraft seiner Hände.

Jan hieß der blonde Fischer. Wir fuhren nun täglich auf die See hinaus, es machte mir nichts aus, dass der Junge etwas schwerfällig im Denken war. Dafür wartete er auch Tag für Tag geduldig auf mich und war selig, wenn ich mich neben ihn setzte und den Kopf an seine breiten Schultern lehnte.

Eines Tages besuchte mich Egon. Am Abend trafen wir Jan, der sicher den ganzen Tag vergeblich nach mir Ausschau gehalten hatte. Ich stellte ihn vor, und als er Egon die Hand reichte, sah ich, wie der hochmütige Blick in Egons Gesicht verschwand und einem schmerzlich überraschten Ausdruck Platz machte. Jan hatte wohl etwas stark zugegriffen. Egon aber, der bemerkte, dass mir das nicht entgangen war, ließ Jans Hand nicht aus, sondern packte selbst kräftiger an.

Da zwinkerte ich Jan aufmunternd zu. Ein Lächeln erschien auf seinem Gesicht, zugleich lief ein Zittern durch die ineinander geklemmten Hände und mit einem Schmerzensschrei fuhr Egon zurück. Jan hatte ihm zwei Finger ausgekegelt.

Ich hätte damals schon meine Bootsfahrten mit ihm aufgeben sollen. Aber erst vorige Woche konnte ich mich dazu entschließen.

Als ich heute gegen acht Uhr abends aus unserem Bootshaus trat, stand eine Gestalt im Schatten: Jan. Er trat auf mich zu und legte mir eine Hand auf die Schulter. Ich war so erschrocken, dass ich laut nach Egon rief. Ein unbeschreiblicher Ausdruck von Hass und Wut lag in den Augen Jans, als er sich zu Egon umwandte.

Ich glaube, es ist etwas Schreckliches passiert. Halb besinnungslos vor Angst lief ich davon, ohne anzuhalten, bis hierher, und noch immer sehe ich das verzerrte Gesicht Egons vor mir, als sich die Hände Jans um seinen Hals legten.

Entstehungsdatum ca. 1946–1950

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