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5. Kapitel – Jannis hat Skrupel

Die Händler reisten schon bei Sonnenaufgang ab. Jannis und sein Bewacher warteten, bis der letzte Reiter mit seinem Saumpferd durch das Karawansereitor verschwunden war, dann zeigte Hassan dem Jungen, wie man einen Sattel richtig auflegte. Die Innenseiten von Jannis’ Schenkeln brannten noch immer. Auf Hassans’ Geheiß musste der Knabe sie erneut dick mit der Kamillensalbe einreiben und mit langen Baumwolllappen umwickeln, bevor er aufsitzen durfte.

Trotz des Verbands wurde das Reiten zur Qual. Jannis nahm sich zusammen, so gut es ihm gelang, um sich die Schmerzen nicht anmerken zu lassen. Hassan indes war ein aufmerksamer Beobachter. Er bemerkte die verkrampfte Haltung des Knaben und verkürzte daraufhin die Gurte der Steigbügel, so dass Jannis’ Knie fast auf gleicher Höhe wie das Becken waren. Nun bekam der Junge zwar extreme Probleme mit dem Gleichgewicht, aber die wunden Stellen scheuerten dafür nicht mehr am Sattel.

Das Gelände war abschüssig, eine spärlich bewaldete Hügellandschaft erstreckte sich bis an einen großen See am Rande einer Ebene, und das Fortkommen wurde von Stunde zu Stunde beschwerlicher. Seit Konya waren sie mehr oder weniger auf einer von Menschenhand geglätteten Straße gereist. Diese hatte bis zur Karawanserei von Aktepe aus einer Piste bestanden, auf der fast immer drei bis vier Pferde nebeneinander Platz fanden, aber jetzt war der Weg, auf dem sie ritten, nur noch ein selten benutzter Saumpfad.

Hassan deutete auf die Wasserfläche in der Tiefebene vor ihnen. „Beyschehir Gölü“, sagte er.

‚Er meint sicher den See‘, dachte der Junge und versuchte, die Entfernung abzuschätzen. ‚Wenn der See unser Ziel ist und der Weg nicht schlechter wird, könnten wir ihn wahrscheinlich noch vor Einbruch der Dunkelheit erreichen.‘

In einem Gehölz rechts vom Pfad stieg lärmend ein Krähenschwarm auf, auch meinte Jannis das Wiehern eines Pferdes zu hören.

Hassan, der ein Stück vorangeritten war, wendete hastig seinen Rappen und lenkte ihn neben Jannis. Er bedeutete dem Knaben, dass Eile geboten war, und ergriff die Zügel von Jannis’ Stute. Dann dirigierte er die Pferde in einen seitlich abzweigenden Hohlweg.

Der Hohlweg endete in einem bewaldeten Hügeltal. Hassan befahl Jannis abzusteigen. Er knotete die Zügel an den niedrigen Ast einer Kiefer und gab dem Knaben zu verstehen, ihm leise zu folgen. Hassan zog den Bogen aus dem Sattelfutteral und hängte sich den Pfeilköcher um. Die Lanze drückte er dem überraschten Jannis in die Hand und zeigte hoch zum Talrand. Dann legte er einen Pfeil an die Bogensehne. Mit schussbereitem Bogen kletterte Hassan neben dem Jungen die Talböschung hinauf. Oben angekommen, musste sich der Knabe hinter einen Felsen kauern.

Hassan spähte vorsichtig über den Felsenrand und spuckte aus. „Haydutlar!“

Jannis’ Blick folgte Hassans abschätziger Handbewegung in Richtung Saumpfad. Dann sah er die Reiter auch. Er zählte über zwanzig. Sie überquerten den Pfad etwa zehn Pferdelängen vor dem Hohlwegabzweig. Alle waren wohlbewaffnet. Zwei Männer besaßen sogar Hakenbüchsen.

Hassan steckte den Pfeil in den Köcher zurück und schulterte den Bogen.

‚Jetzt!‘, dachte der Junge, ‚ramm ihm einfach die Lanze in den Leib und flieh!‘

Hassan winkte dem Knaben, ihm zu folgen und machte sich an den Abstieg.

Jannis’ Hände krampften sich um den Lanzenschaft, aber er brachte es einfach nicht fertig, seinen freundlichen Bewacher zu erstechen, der ihn so ohne jedweden Argwohn mit einer Waffe beim Klettern hinter sich gehen ließ.

Im Tal wartete Hassan noch eine Weile, bevor er die Pferde losband. Jannis wollte Hassan die Lanze zurückgeben, aber der schüttelte den Kopf. Der Knabe durfte die Waffe behalten.

Sie kehrten auf den Saumpfad zurück. Im letzten Tageslicht ritten sie auf ein mauerbewehrtes Gehöft am Seeufer zu.

Die Sklaven des Sultans

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