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2. Kapitel – Konya

Während Hassan und seine Nachbarn den Sieg über die Räuberbande feierten und Dschengis vom Gutsherrn wegen seiner Tapferkeit mit einem erbeuteten reich verzierten Krummsäbel belohnt wurde und während sich Kaptan Sokrates auf zukünftige Geschäfte mit dem von Prinz Selim so geschätzten Zypern-Wein freute, war die Stimmung des Schehzade in der Konyaer Residenz düster.

Der Prinz saß mit dem Großherrlichen Prinzenerzieher Lala Mustafa Pascha im Garten des schlichten Amtsgebäudes, wo er sich sonst immer mit seinen Leibwächtern beim Bogenschießen die Zeit vertrieb. Er hatte soeben erfahren, dass sein jüngerer Bruder Beyazit gegen ihn Truppen sammelte. Beyazit war Statthalter im fernen Amasya, aber Selims dortige Freunde ließen dem Schehzade regelmäßig Nachrichten über die Pläne Beyazits zukommen.

Nun war es also soweit: Der endgültige Machtkampf, wer einmal Herr aller Gläubigen, Sultan aller Sultane werden würde, war entbrannt. Auch der schwere, süße Zypern-Wein vermochte die trüben Gedanken der beiden Zecher in Konya nicht zu verscheuchen. Die Situation war für den Schehzade mehr als bedrohlich. Beyazit besaß nicht nur die Unterstützung der Janitscharen. Auch die hohe Geistlichkeit mochte Süleymans Ältesten ebenfalls nicht, denn Prinz Selim hatte Freunde unter den Derwischen, die den Heiligen Koran höchst eigenwillig auslegten. Und was sein Vater trotz aller Loyalitätsbezeugungen im Grunde von ihm hielt, den das Volk nur „Säufer-Selim“ nannte, darüber war sich der Schehzade im Klaren. Dass der „Gesetzgebende“ dennoch Sokollu Mehmet Pascha mit Janitscharen und dreißig Feldgeschützen zu seiner Unterstützung in Marsch gesetzt hatte, verwunderte den Prinzen außerordentlich. Solange bis ihm Lala Mustafa die Großherrliche Entscheidung erklärte:

„Euer Vater liebt Euch nicht und verhehlt es auch niemandem gegenüber. Es hat ihn aber erzürnt, dass Beyazit noch zu seinen Lebzeiten die Nachfolgerfrage erzwingen will. Und er fürchtet nicht zu Unrecht, dass Euer Bruder, nachdem er Euch beseitigt hat, auch mit ihm verfahren könnte wie damals Euer Großvater mit seinem Vater.“

Der Schehzade hatte zu Lala Mustafas Ausführungen nur schweigend genickt. Großvater Sultan Beyazit war von seinem Sohn Selim dem Gestrengen abgesetzt worden und kurz darauf an einer Vergiftung gestorben. Nicht väterliche Fürsorge um das Wohl des Ältesten hatte Süleyman bewogen, seinen Zorn gegen Prinz Beyazit zu richten, sondern lediglich die Angst, dass der beliebte Prinz seinem Vorfahren Selim dem Gestrengen nacheifern würde.

„Wann soll Sokollu eintreffen?“

„Ich denke, der Pascha wird noch im Laufe des Abends hier sein.“

Prinz Selim hob seinen Becher. Sofort sprang ein Page herbei und füllte ihn wieder randvoll auf.

Der Schehzade leerte ihn auf einen Zug. „Wenn Beyazit seine Truppen vor ihm in Stellung bringen kann, dann gnade uns Gott!“

Lala Mustafa Pascha winkte den Pagen herbei und ließ sich ebenfalls von dem schweren tiefroten Wein nachschenken. „Wie sollte ihm das wohl gelingen, Hoheit? Egal, wie sehr Prinz Beyazit seine Truppen auch antreiben mag, Sokollu Mehmet Pascha hat den kürzeren Weg hierher! Und Kanonen!“

„Gebe Gott, dass es so ist!“ Prinz Selim verließ, begleitet von seinem Schwertträger, der sich respektvoll an der Pforte neben dem Mundschenk postiert hatte, den Garten und begab sich in den Teil der Residenz, der den Frauen und Kindern vorbehalten war. Auf seinem Weg dorthin kam er am Schießstand vorbei.

Murad, sein Ältester, ein Junge von nunmehr dreizehn Jahren, wurde von Hussein, dem persischen Bogenmeister, im Gebrauch des kurzen Jagdbogens unterwiesen. Der Schehzade blieb stehen und beobachtete zwei ungeschickte Versuche seines Sprösslings, eine mannsgroße Strohpuppe zu treffen, die gegen die Holzwand des Schießstands lehnte. Die Entfernung zwischen dem Schützen und dem Ziel maß allerhöchstens fünf Pferdelängen, dennoch blieben die Pfeile weit neben der Puppe zitternd in der Wand stecken.

Prinz Selim schüttelte betrübt den Kopf und ging weiter. Egal, wie sehr sich Hussein auch bemühte, ja, selbst wenn er die Übungsstunden verdoppelte, aus Murad würde nie ein guter Bogenschütze werden. Dafür sorgte schon Haseki Nûrbanu, seine Erste Frau.

Murads Mutter vergötterte ihren Sohn geradezu. Wenn der Prinz ihr vorhielt, dass sie den Knaben auf eine für einen zukünftigen Osmanenherrscher unziemliche Weise verzog, widersprach sie zwar nie, fuhr aber dennoch insgeheim fort, Murad von allem abzuhalten, was ihm einmal als Padischah von Nutzen sein könnte. Und dazu gehörten nach Meinung des Prinzen das Bogenschießen und die Jagd. Stets wusste Nûrbanu es unter einem Vorwand zu verhindern, dass Murad mit dem Schehzade ausritt. Befremdlich war dem Prinzen das Verhalten seiner Gemahlin, aber er ließ sie gewähren, denn er hasste schlechte Stimmung im Harem, dem sie nun einmal als Erste Kadin, als Hauptfrau, vorstand. Während Hürrem Sultan, Selims gerade erst verstorbene Mutter, sich nur selten um die Erziehung ihrer Kinder gekümmert hatte, sah Haseki Nûrbanu Murad und dessen jüngere Geschwister täglich.

Zwei Schwarze Eunuchen bewachten mit gezogenem Krummsäbel die Tür zu den prinzlichen Frauengemächern. Sie senkten devot den Blick, als sich der Schehzade und sein Schwertträger näherten.

„Warte hier, bis ich wieder zurück bin!“

Der Schwertträger verneigte sich und nahm neben dem Eunuchen Aufstellung. Die Haremspforte schloss sich hinter dem Schehzade.

„Wie sind die Neuigkeiten?“, fragte einer der Torwächter.

Der Schwertträger schürzte die Lippen. „Wenn Sokollu Pascha vor Beyazit eintrifft, was Allah geschehen lassen möge, dann wird unser Herr den Sieg davontragen. Sonst …“

Die Eunuchen nickten. Der Schwertträger musste den Satz nicht zu Ende sprechen. Jeder in der Residenz des Schehzade wusste, dass es bei einem Erfolg Beyazits für niemanden, der zum Gefolge Selims gehörte, Schonung gäbe.

Die Sklaven des Sultans

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