Читать книгу Der Pflanzenretter - Jürgen Feder - Страница 23

Оглавление

Die Gewöhnliche Wegwarte mit ihren blau-violetten Blüten ist eine wahre Schönheit.

AM WEGRAND

GEWÖHNLICHE WEGWARTE, FELD-MANNSTREU, ACKER-FEUERLILIE UND KAMM-WACHTELWEIZEN

Raus in die Natur

Bunte Wegränder bieten mir als eingefleischtem Fahrradfahrer bereits über Jahrzehnte die deutsche Artenvielfalt feil. Also schon von Anfang an – wie auf dem Silbertablett präsentiert. Da konnte man nach Herzenslust lernen, üben, trainieren und behalten – vom 1. Januar bis zum 31. Dezember. Jahreszeiten braucht es da nicht, dort wird einem ständig etwas geboten. Diese so wichtigen Saumbiotope, oft linear über Kilometer mit allen nur möglichen positiven wie negativen Einflüssen, mit hoher Dynamik bis zu jahrelangem Stillstand, sozusagen von himmelhoch jauchzend bis zu Tode betrübt.

Wobei Letzteres kaum die Regel ist, diese Pflanzen hier sind extrem hart im Nehmen und verschwinden nicht gleich bei erstbester Gelegenheit. Ganz im Gegenteil, sie warten und benötigen geradezu diese Störungen – mäßig, aber regelmäßig. Das ist ihr Ding, ihr Überlebenselixier, kein Wegrand nämlich ohne Beeinträchtigung. Das haben diese Gewächse mit denen der Pflaster- und Plattenritzen gemein. Arten- wie blütenreiche Wegränder dürfen nur nicht zu sehr vergrasen oder gar verbuschen, sonst ist es rasch vorbei mit der Pracht oft kleinwüchsiger, zunächst krautiger Geschöpfe.

Wahre Terrier sind dabei, echte Wadenbeißer, bedornt oder drüsig behaart, einige Narzissten spielen hier aber ebenfalls mit. Und aus diesem Heer, aus dieser Phalanx kann ich mich kaum entscheiden, zu groß ist die Auswahl. Zumal viele nun infrage kommende Gesellen auch in anderen Lebensräumen existieren.

Trotzdem bleiben ausgemachte Schönlinge wie beispielsweise Acker-Hornkraut, Acker-Witwenblume, alle Labkräuter, Nelkenwurze, Mauerpfeffer, Odermennige, Pestwurze, Skabiosen, Steinbreche und viele Distel-Künstler völlig ausgesperrt. Da geht es ihnen wie einst meinem Hund Purzel vor dem angestammten Fleischerladen.

Wegränder sind vielerlei Ansprüchen und Widrigkeiten ausgesetzt. Sie werden regelmäßig gemäht oder zumindest randlich befahren oder betreten. Die Nährstoffe gelangen von drei Seiten heran – von oben, vom Weg selbst und von benachbarten Flächen, oft Feldern, Wäldern, Weiden und Wiesen. Hier wird mal was abgelagert, gepflanzt und wieder gerodet, mal ein Rohr verlegt, mal buddelt ein Tier, und dann wird wieder ein naher Graben ausgebessert. Hier ist also permanent etwas los, hier tobt der botanische Bär. Wüchsigkeit, aber ebenso eine schnelle Reaktion der Arten sind an Wegrändern gefragt. Im Boden schlummernde Samen müssen schnell die Flucht nach vorn ergreifen und auflaufen, denn wer zuerst kommt, der malt zuerst.

So ist das auch in der Natur. Ein ständiges Gerangel, seit Langem schon, dauernd geht es ums nackte Überleben: Wer ist der Schwächere, wer ist der Stärkere, und wer bleibt ganz zuletzt übrig? Stärker belastete Wegsäume besitzen oft mehr einjährige Arten, die Annuellen. Bei Beruhigung gewinnen mehr die ausdauernden Strategen, die perennierenden Pflanzen, die Oberhand.

Der Mensch unterbricht nur immer diese Sukzession, diese natürliche Abfolge vom zunächst Konkurrenzarmen hin zum am Ende Konkurrenzstärksten. Bis die Gehölze, bis Sträucher und dann Bäume alles Vorherige ablösen und es letztendlich auch längs von Wegen zu einem weitgehend stabilen Ensemble kommt. Ich bin eher für Ersteres, denn das bedeutet Artenreichtum, am Ende bestimmen nämlich nur noch wenige das Gesicht am dann ungestörten Wegrand. Darum habe ich stets meinen Kneifer oder meine Säge im Gepäck, um einzugreifen, um gegebenenfalls Umweltpolizist zu spielen, um einfach nur zu retten. Dann helfe ich Bedrängten aus der Patsche, knicke ab, rupfe frei, schneide frei, ich habe sogar schon mal was weggebissen ...

Das ist dann der Fall, wenn sich mal wieder schnellwüchsige Hänge-Birken oder auch Wald-Kiefern, eine vorlaute Hunds-Rose oder die unverwüstliche Schlehe an »meinen« Pflanzen – Acker-Steinsame, Englischer Ginster, Feld-Kresse, Kahle Gänsekresse oder Teufelsabbiss – vergriffen haben und diese nur noch nach Luft schnappen.

Der Pflanzenretter

Подняться наверх