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2.4 Daten und Überblickswerke der raumbezogenen Bildungsforschung

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Daten, Daten, Daten

Zu Beginn einer Auseinandersetzung mit bildungsgeographischen Themen steht oft die Frage: Welche statistischen Informationen und Daten stehen für die bildungsgeographische Arbeit zur Verfügung und wie sind diese verfügbar? Grundsätzlich ist für das empirische Arbeiten in der Bildungsgeographie – wie in vielen anderen Disziplinen auch – zwischen den beiden Datengruppen der Primär- und Sekundärdaten zu unterscheiden. Zu den Primärdaten zählen all die Daten, die Forschende selbst in ihren Zählungen, Kartierungen oder Befragungen erheben. Wenn diese Daten auf eine Einzelperson bezogen sind, spricht man auch von Individualdaten. Auf die verschiedenen Erhebungsmethoden von Primärdaten wurde im vorhergehenden Abschnitt zu Methoden der empirischen Bildungsforschung bereits eingegangen. Von besonderer Bedeutung sind in der Bildungsgeographie all die Daten, die als sogenannte Sekundärdaten aus der amtlichen Statistik (z.B. Schul- und Hochschulstatistiken der Länder, des Bundes oder der internationalen Einrichtungen) oder aus den großen wissenschaftlichen Umfragen zur Verfügung stehen. Da sie für viele Länder sehr detailliert und als lange Zeitreihen vorliegen, stellen sie wichtige Quellen für bildungsgeographische Untersuchungen dar. Wenn sie nur zusammengefasst auf der Ebene von regionalen oder organisatorischen Einheiten (Stadt- und Landkreise, Schulen, Hochschulen) und nicht für Einzelpersonen verfügbar sind, spricht man von Aggregatdaten. In diesem Abschnitt werden vorwiegend Sekundärdaten vorgestellt, die meist in aggregierter Form vorliegen.

Deutscher Bildungsserver

Der vom Deutschen Institut für Internationale Pädagogische Forschung (DIPF) in Frankfurt gepflegte „Deutsche Bildungsserver“ (www.bildungsserver.de) bietet einen zentralen Zugang zu einer Vielzahl von Informationen, Statistiken und anderen Quellen für Untersuchungen über Bildung und das Bildungswesen. Dieser sehr gut aufgebaute und laufend aktualisierte Meta-Server stellt Informationen zu unterschiedlichen Bereichen des Bildungswesens (schulische Bildung, berufliche Bildung usw.) bereit und ermöglicht Verknüpfungen mit den Statistischen Ämtern von Bund und Ländern sowie einschlägigen Institutionen der Bildungs- und Hochschulforschung wie z.B. dem Hochschulinformationssystem (HIS) GmbH und dem Centrum für Hochschulentwicklung (CHE).

Nationale Bildungsberichte

Der Deutsche Bildungsbericht „Bildung in Deutschland“ erscheint seit 2006 alle zwei Jahre und liegt mittlerweile in seiner fünften Version vor (AUTORENGRUPPE BILDUNGSBERICHTERSTATTUNG 2014). Er stellt die derzeit umfassendste und aktuellste Zusammenschau bildungsbezogener Informationen für Deutschland dar. Er bietet in einer Kombination von graphischer bzw. kartographischer Darstellung sekundärstatistischer Daten mit erklärenden und interpretierenden Texten einen Überblick über die zentralen Bereiche des Bildungswesens in Deutschland und berücksichtigt dabei räumliche Strukturen und Zusammenhänge. Detaillierte, bundeslandbezogene Daten sind zudem auch in den Tabellen des Anhangs enthalten bzw. im Internet abrufbar (www.bildungsbericht.de). Der Bericht basiert auf einem Indikatorenmodell zur Bildungsberichterstattung in Deutschland, das 2006 vom Konsortium Bildungsberichterstattung als Referenzrahmen erarbeitet wurde. Darüber hinaus widmet sich jeder Bericht vertiefend einem Thema, wie z.B. Bildung und Migration (2006), Bildungswesen im demographischen Wandel (2010) oder Bildung von Menschen mit Behinderungen (2014).

Deutscher Nationalatlas

Eine dezidiert bildungsgeographische Perspektive weisen die Veröffentlichungen des Leibniz-Instituts für Länderkunde (IfL) in Leipzig auf, in denen immer wieder bildungsbezogene Themen kartographisch aufbereitet und interpretiert werden. So wurde in den Beiträgen vom Band „Bildung und Kultur“ im Nationalatlas Bundesrepublik Deutschland (MAYR & NUTZ 2002) eine Vielfalt von Aspekten des Bildungswesens angesprochen. Jüngere Karten und Beiträge zu bildungsgeographischen Themen finden sich auch im aktuelleren Deutschlandatlas (KRAMER & NUTZ 2010) sowie in der Reihe „Nationalatlas aktuell“, die monatlich Karten zu unterschiedlichen Themen online frei zugänglich anbietet (z.B. Beiträge 7/2013 und 10/2014 unter aktuell.nationalatlas.de).

Arbeitskreis Bildungsgeographie

Seit 1983 beschäftigen sich die Mitglieder des Arbeitskreises Bildungsgeographie mit einer großen Vielfalt von Themen der regionalen Bildungsforschung (Kapitel 3.2). Die thematische Bandbreite reicht von theoretisch geleiteten Zugängen zu Bildung und Wissen bis hin zu anwendungs- bzw. planungsbezogenen empirischen Arbeiten. Der Arbeitskreis ist auf den nationalen Kongressen der Deutschen Gesellschaft für Geographie mit Veranstaltungen präsent und richtet regelmäßig Tagungen und Symposien mit wechselnden Themenschwerpunkten aus. Er versteht sich als offene Plattform für Bildungsforscherinnen und Bildungsforscher, die eine räumliche Perspektive in ihren Arbeiten einnehmen (www.uni-flensburg.de/geographie/ak-bildung).

Internationale Daten zu Bildung

Auf dem Deutschen Bildungsserver werden neben Informationen zum deutschen Bildungswesen auch Zugänge zu zahlreichen internationalen Datenbanken und Berichten bereit gestellt, wie z.B. zu dem jährlich erscheinenden Bericht der OECD Bildung auf einen Blick (OECD 2013). Er bietet international vergleichende Indikatoren zum Bildungswesen und geht auch auf Zusammenhänge zwischen Bildung und Arbeitsmarkt ein (www.oecd.org). Von großer Bedeutung sind zudem die Daten der UNESCO (United Nations Educational, Scientific and Cultural Organization), die sich als Unterorganisation der Vereinten Nationen mit den Themen Bildung, Wissenschaft und Kultur beschäftigt. Sie veröffentlicht ihre Ergebnisse in der Berichtsreihe Global Education Digest zu jährlich wechselnden Schwerpunkten (z.B. 2012 Opportunities lost: The impact of grade repetition and early school leaving). Über die weltweiten Berichte und Datenbanken der UNESCO (en.unesco.org) hinaus gibt es Berichte der Nationalkommissionen, die sich – wie die deutsche UNESCO-Kommission e.V. mit Sitz in Bonn – als Schnittstelle zwischen Staat, Zivilgesellschaft und UNESCO verstehen und eigene Studien zu bildungsbezogenen Themen durchführen und veröffentlichen (www.unesco.de).

International vergleichbare Bildungsstandards

Für international vergleichende Studien wurde von der UNESCO bereits in den 1970er-Jahren ein Klassifikationssystem für Bildungssysteme und Bildungsabschlüsse entwickelt. Die sogenannte International Standard Classification of Education (ISCED) hat seit ihrer Einführung mehrere Revisionen erfahren, vor allem in den Jahren 1997 und 2011, als erstmals eine Klassifizierung der verschiedenen Stufen der Bildungsabschlüsse erstellt wurde, die auf Fähigkeiten (qualifications) beruht (UNESCO INSTITUTE FOR STATISTICS 2014). Das zentrale Ziel dieses Klassifikationssystems ist eine Vergleichbarkeit der unterschiedlichen nationalen Bildungsstatistiken. Darüber hinaus enthält es eine Klassifikation der Fächer, in denen Abschlüsse erworben werden. Derzeit sind fast ausschließlich Daten erhältlich, die sich auf die ISCED 1997 beziehen (Tab. 2.1).

Eingeschränkte Qualität bildungsbezogener Daten

Bei der Verwendung empirischer Daten ist es wichtig, die Qualität und Vollständigkeit der Datenbestände kritisch zu hinterfragen. Grundsätzlich sollte beachtet werden, dass die Datenerfassung und -kontrolle nicht immer und überall optimal erfolgen kann und manchmal auch aus politischen Gründen nicht erwünscht ist. Dies ist z.B. der Fall, wenn Benachteiligungen bestimmter Gruppen nicht offenkundig werden sollen. Im Rahmen von Volkszählungen und Zensen werden mit der Bevölkerungszahl und ihrer Struktur regelmäßig die Eckdaten der nationalen Statistiken erhoben. Auch solche Erhebungen sind nicht zu 100% verlässlich, wie die z.T. großen Abweichungen zwischen den Einwohnerzahlen der kommunalen Melderegister und denen des deutschen Zensus 2011 zeigen. Gleichermaßen können aktuelle Daten in bundesdeutschen Bildungsstatistiken aufgrund von Fehlern während der Erhebung (z.B. beim Merkmal Migrationshintergrund) oder Änderungen der Zuordnung von Schularten oder Abschlüssen in den Bundesländern Fehler oder statistische Artefakte enthalten. Mit Vorsicht müssen auch historische Daten verwendet werden, bei denen nicht nur die regionale Vergleichbarkeit aufgrund unterschiedlicher Schulsysteme und gesetzlicher Regelungen erschwert ist, sondern oft auch starke saisonale Schwankungen in der Bildungsbeteiligung zu Grunde liegen (z.B. eine verkürzte Sommerschule, damit Kinder in der Landwirtschaft mithelfen konnten). Daher erscheint es angebracht, die Ergebnisse von Volks- oder Schulzählungen mit einer gewissen Vorsicht zu interpretieren. Gerade dann, wenn Subventionen und Unterstützungsmaßnahmen (wie z.B. Zuschüsse für Gebäude, aber auch die Höhe der Gehälter von Schulleitungen) von einer großen Zahl einzuschulender Kinder abhängen und gleichzeitig nur wenige Kontrollinstanzen verfügbar sind, sollten die veröffentlichten Daten nur als grobe Richtwerte verstanden werden.

Die internationale Schulleistungsstudie PISA wird von der Organisation for Economic Co-operation and Development (OECD) koordiniert und untersucht seit 2000 alle drei Jahre in mittlerweile 67 Ländern die Kompetenzen der durchschnittlich 15-Jährigen (d.h. am Ende der Pflichtschulzeit vor Abschluss der Sekundarstufe I) in den Bereichen Lesekompetenz, Mathematik und Naturwissenschaften. Die Ergebnisse der ersten PISA-Studie lösten 2001 in Deutschland den sogenannten „PISA-Schock“ aus, da die Leistungen der deutschen Schülerinnen und Schüler in allen drei Kompetenzbereichen deutlich unter dem OECD-Durchschnitt lagen. Vor allem in der Lesekompetenz lag das Leistungsniveau mit dem drittletzten Rang in Mitteleuropa auf einem besorgniserregenden Niveau (BAUMERT et al. 2002). In diesem Zusammenhang wurden die außerordentlich großen Unterschiede zwischen „guten“ und „schlechten“ Schülerinnen und Schülern in Deutschland sowie die überdurchschnittlich große Bedeutung des Elternhauses für den schulischen Erfolg sichtbar. Kinder aus bildungsfernen Schichten bzw. mit Migrationshintergrund erreichen bis heute im deutschen Bildungssystem deutlich schlechtere Werte als die entsprechende Gruppe in anderen Ländern. Dies wurde vor allem auf eine spät einsetzende frühkindliche Förderung (oft erst nach der Einschulung im Alter von sechs Jahren) und z.T. zumindest auf die frühe Leistungsdifferenzierung im deutschen Schulsystem zurückgeführt. Einen Vergleich zwischen den Bundesländern ermöglichte die sogenannte PISA-E-Studie (BAUMERT et al. 2002), nach der die süddeutschen Bundesländer sowie Sachsen und Thüringen am besten abschnitten und andere ostdeutsche Länder sowie der Stadtstaat Bremen unterdurchschnittliche Werte aufwiesen.

In den jüngeren PISA-Studien sind signifikante Verbesserungen der Leseleistung und der Mathematik-Kompetenz der Jugendlichen in Deutschland zu erkennen. Dies betrifft sowohl die verbesserte Platzierung im internationalen Vergleichsranking als auch die Streuung zwischen den Besten und den Schwächsten, die infolge eines Niveauanstiegs in der Gruppe der Schwächeren erkennbar abgenommen hat (PISA-KONSORTIUM DEUTSCHLAND 2005; KLIEME et al. 2010 und aktuelle Ergebnisse vom Dezember 2013).

Neben PISA wurden in den vergangenen Jahren auch einige weitere Leistungsstudien durchgeführt wie z.B. die Internationale Grundschul-Lese-Untersuchung (IGLU). Auch wenn die Vergleichsstudien mit hohem Aufwand betrieben und in Politik und Öffentlichkeit mit großem Interesse verfolgt werden, so sind sie innerhalb der Bildungsforschung doch nicht unumstritten. Von wissenschaftlicher Seite wurden einige Kritikpunkte gegenüber PISA und anderen Studien formuliert, die sich z.B. auf die Messinstrumente und deren Vergleichbarkeit im internationalen Rahmen sowie die eingeschränkte Vergleichbarkeit der Rahmenbedingungen der Leistungstests beziehen. Aus bildungsgeographischer Sicht ist zudem anzumerken, dass eine Regionalisierung der PISA-Ergebnisse nur sehr eingeschränkt möglich und sinnvoll ist, da die Daten nur an ausgewählten Schulen erhoben wurden.

Tabelle 2.1: International Standard Classification of Education (ISCED 1997).


Quelle: United Nations Educational, Scientific and Cultural Organization (UNESCO 2011, S. 63)

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