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3.2 Anfänge und Institutionalisierung der Bildungsgeographie

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Kontext des Schul- und Hochschulausbaus

Als Begründer der Bildungsgeographie im deutschsprachigen Raum gilt Robert Geipel, der seit Mitte der 1960er-Jahre zur Erschließung des Forschungsfelds Bildung und Raum beigetragen hat (MEUSBURGER 2015a). Wie bei FREYTAG und JAHNKE (2015) in einer Zusammenfassung der bildungsgeographischen Disziplingeschichte dokumentiert, verwies Geipel auf die Bedeutung des Bildungserwerbs als ökonomisches Potenzial und entwickelte Überlegungen für den räumlichen Ausbau der Bildungsversorgung. In diesem Zusammenhang leistete er wichtige konzeptionelle Arbeiten und führte erste dezidiert bildungsgeographische Studien durch (GEIPEL 1966, 1968, 1971 und 1976). Im Zuge einer fortschreitenden Bildungsexpansion steigerte sich neben der gesellschaftlichen und politischen Relevanz auch das Interesse an einer wissenschaftlichen und raumplanerischen Auseinandersetzung mit der Gründung und dem Ausbau von Schul- und Hochschulstandorten in der Bundesrepublik. Etwa zeitgleich mit den Arbeiten von Geipel wurde Bildung in der sich seit den 1970er-Jahren formierenden Münchner Schule der Sozialgeographie als eine der Daseinsgrundfunktionen definiert. Es entstand eine Vielzahl von Untersuchungen und Expertisen zu den räumlichen Zusammenhängen und Auswirkungen der Bildungsexpansion. Vor allem in den 1970er-Jahren leisteten Wissenschaftler wertvolle Beratungsarbeit und entwickelten grundlegende Beiträge für die raumbezogene Bildungsforschung und -planung. Zu den wichtigsten Vertretern der aufkeimenden Bildungsgeographie zählten neben Robert GEIPEL (1969 und 1971) auch Alois MAYR (1970 und 1979), Gerhard BAHRENBERG (1974), Peter MEUSBURGER (1974, 1976 und 1980), Heiner MONHEIM (1977 und 1983) und Ernst GIESE (1982). Innerhalb weniger Jahre formierte sich in der Geographie eine produktive Forschergruppe, die sich an Austausch und Kooperation mit Vertreterinnen und Vertretern anderer Disziplinen der Bildungsforschung interessiert zeigte und im Jahr 1983 den interdisziplinären Arbeitskreis Bildungsgeographie der Deutschen Gesellschaft für Geographie begründete (WAGNER 1993).

Forschung des AK Bildungsgeographie

In den nachfolgenden Jahren gingen aus dem AK Bildungsgeographie Arbeiten hervor, die quantitativ-empirisch ausgerichtet waren und überwiegend einen Anwendungsbezug zur Raum- bzw. Regionalplanung besaßen (MEUSBURGER & SCHMUDE 1990). Die Themen und Forschungsfragen lagen z.B. im Bereich der Bildungsversorgung (STEINGRUBE 1984; KRAMER 1993), betrafen die Einzugsgebiete von Hochschulen (NUTZ 1991; JAHNKE 1996) sowie die räumlichen Disparitäten des Ausbildungsniveaus der Bevölkerung (MEUSBURGER 1991; KRAMER 1998). Des Weiteren richtete sich das Interesse auf die berufliche Ausbildung und die Eingliederung in den Arbeitsmarkt (WENZEL et al. 1990; ROLFES 1996) sowie auf regionale Effekte von Hochschulen und Hochschulneugründungen (GIESE 1987; SCHAMP 1989). Zudem entstanden bildungsgeographische Arbeiten zur fortschreitenden Feminisierung des Lehrerberufs (SCHMUDE 1988) und zur Mobilität von Hochqualifizierten (MEUSBURGER 1986; WEICK 1995). Einen ausgezeichneten Überblick über die Forschungsthemen der deutschsprachigen Bildungsgeographie zur Jahrtausendwende vermittelt der Nationalatlas-Band Bildung und Kultur (MAYR & NUTZ 2002), der auf Initiative von Alois Mayr und Manfred Nutz unter Beteiligung des AK Bildungsgeographie vorbereitet wurde.

Das Forschungsinteresse beschränkte sich jedoch nicht auf Deutschland. Eine internationale Orientierung zeigen z.B. die Untersuchungen zum japanischen Hochschulwesen (FLÜCHTER 1990), zur Alphabetisierung in England im Zeitalter der Industrialisierung (HOYLER 1995 und 1998), zur Feminisierung des Lehrberufs in Österreich und Ungarn (MEUSBURGER & SCHMUDE 1991) sowie eine Reihe von Veröffentlichungen zu Bildung und Ethnizität im Kontext der USA (FRANTZ 1994; FREYTAG 2003; GAMERITH 2005a und 2005b) sowie zu Hochschulabsolventinnen und -absolventen in Italien (JAHNKE 2005). Ein weiteres Beispiel für international ausgerichtete bildungsgeographische Arbeiten bietet das Forschungsfeld Bildung und Migration. Bereits seit den 1960er-Jahren wird unter dem Stichwort brain drain die Abwanderung von Hochqualifizierten diskutiert (MEUSBURGER 1998, S. 383f.). Entsprechende Untersuchungen sind für die bildungsgeographische Forschung relevant und bieten interessante Anknüpfungspunkte für die geographische Entwicklungsforschung (BA & NDIONE 2006; MBAH 2014).


Abb. 3.1: Entwicklungslinien der Bildungsgeographie im deutschsprachigen Raum (Quelle: FREYTAG & JAHNKE 2015, S. 78)

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