Читать книгу Marion und Humbold - Julia Gruber - Страница 8
6
ОглавлениеTiefster Winter war ausgebrochen zwischen Marion und Humbold. Eigentlich sehr passend zur Jahreszeit. Bei nächster Gelegenheit suchte Marion den Betriebsleiter auf. Das Gespräch war ihr peinlich. Einen Arbeitsplatz in einem anderen Zimmer hätte sie gerne. Wegen dieser Esel-Episode. Auch Herrn Bosch ging die Sache auf die Nerven. Humbold war schließlich der Verlobte seiner Tochter Kathi. Seine Frau Grete und seine Tochter setzten beide große Stücke auf ihn. Sahen ihn bereits als künftigen Betriebsleiter.
Offensichtlich störten sie sich nicht daran, dass Humbold ein allgemein bekannter Schürzenjäger war. Solange er die von ihnen zugedachte Rolle erfüllte: als fescher und leicht zu führender junger Mann. Ganz klar, wer hier das Sagen hatte. Herr Bosch seufzte. Es erinnerte ihn ein bisschen an seine eigene Ehe.
Wie sollte er nun mit Frau Krawitzer verfahren? In seiner Firma konnte er keine große Szene gebrauchen. Andererseits wollte er sie auch nicht verlieren. Marion Krawitzer hatte sich als äußerst fähige Mitarbeiterin erwiesen. Durch Neuerungen in der Buchhaltung sparte sie dem Unternehmen jährlich ein hübsches Sümmchen. Nun, irgendwie würden sich die Dinge schon regeln. Das tun sie doch meistens.
Herr Bosch beschloss, die Dame mit ein paar wohlmeinenden Floskeln zu beruhigen und hinaus zu komplimentieren. Griff nach ihrer Hand und tätschelte sie.
„Mein Fräulein, junge Männer sind eben ungestüm. Das liegt in ihrer Natur. Seien sie nicht allzu streng mit Herrn Humbold. Wissen Sie eigentlich, wie bezaubernd Sie an jenem Abend in ihrem Kostüm ausgesehen haben? Bitte bedenken Sie, dass Sie uns Männern damit leicht den Verstand rauben können.“
Bedrückt schlich Marion in ihr Arbeitszimmer zurück. Sie konnte Humbold nicht mehr in die Augen schauen. Baute sich aus Zimmerpflanzen einen Schutzwall auf ihrem Tisch auf und tauchte dahinter ab. Doch ewig würde dieses Versteckspiel nicht funktionieren.
Seit der Weihnachtsfeier hatte Marion deutlich an Elan verloren. Ihre Haut wirkte nicht mehr so rosig, auch die Mundwinkel befanden sich am absteigenden Ast. Die Sache mit Humbold zehrte an ihren Nerven. Immer diese unausgesprochene Spannung in der Luft. Und so ein Zweier-Zimmer bietet nach Büroschluss viel zu viel Privatsphäre. Marion hatte sich darüber schon mit Ines beraten. „Im Notfall machst du den Esel!“, meinte die Freundin.
Und diesem Rat folgte Marion ein paar Tage später. Humbold hatte schon den ganzen Nachmittag versucht, mit ihr ins Gespräch zu kommen. Während sie stur auf die Warenausgangslisten geblickt hatte, die sie noch kontrollieren musste. Später das befürchtete Klicken: Ihr Kollege von nebenan hatte seine Bürotüre geschlossen und machte sich auf den Weg zur Treppe.
„Pfiat eich! An scheen Ob´nd!“
Aus der Ferne hörten sie das große Tor des Haupteingangs zuschlagen. Dann lag die Büroetage wie ausgestorben da. Jetzt oder nie! Humbold sah Marion an und erhob sich von seinem Stuhl. Kam näher. Legte ihr die Hand auf die Schulter. I-a, i-a… Marion,denk an den Esel! Schon erhob sie ihre Stimme. Täuschend ähnlich, muss man sagen. Eine rechte Qual für das Gehörorgan und dann noch so überraschend. Das Geschrei erwischte Humbold am falschen Fuß. Plötzlich sah er wie ein alter Mann aus. Und ob er in Folge nicht auch zu weinen anfing. Da war Marion jedoch schon längst durch die Türe entwischt.
Jetzt reichte es ihr. Nie wieder würde sich Marion in dieses Büro zurück begeben. „Such einen Arzt auf und lass dich krank schreiben!“, riet ihr Ines. Der Amtsarzt in der Nachbarortschaft war von bodenständiger Natur. Er lud die blasse junge Frau zunächst auf ein Speckbrot ein. Gefolgt von einem Stamperl Schnaps, weil das hilft immer. Dabei philosophierte er laut über Frauen und Männer, die bekanntlich von verschiedenen Planeten stammten. Der Amtsarzt wusste, wovon er sprach. Schließlich hatte er selbst drei Scheidungen hinter sich.
„Sollen wir Humbold die Polizei auf den Hals hetzen?“
Aber eigentlich wäre ja noch nichts Wirkliches passiert. Nach einer weiteren Runde Schnaps attestierte er seiner Patientin ein Burnout und schrieb sie für drei Monate krank. So hätte die junge Dame Zeit, die Dinge neu zu regeln.