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Barbara und die Feuerfrau

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Als erstes fuhr ich zu meiner Freundin Barbara und blieb dort gleich ein paar Tage. Natürlich erzählte ich ihr ausführlich von meinen Abenteuern in der Natur, und da gab es noch einige andere, die ich für die Freundin erzählenswert fand, denn es war natürlich nicht ganz ohne, so nachts ganz alleine im Wald. Meine Geschichten und die Interpretationen dazu gingen kreuz und quer durcheinander. Dass ich immerzu nach Erklärungen suchte, war für meine Gesprächspartner eine Geduldsprobe und lief ganz unbewusst und automatisch in mir ab, ein Erbe aus der Zeit als Lehrer, als ich noch jedes Ereignis für den Unterricht auszuschlachten verstand.

So kam die Sprache auch auf die Feuerfrau, worauf Barbara sofort die Puppe sehen wollte. Und als ich die Figur aus der Tasche kramte, verliebte Barbara sich auf der Stelle in sie und bestand darauf, sie bitte haben zu wollen. Da stand ich nun aber schon vor dem nächsten Problem. Ich wusste ja immer noch nicht, wie richtig mit dieser Filzpuppe umzugehen war. Was würde die Feuerfrau dann bei meiner Freundin auslösen? Übelkeit? Oder doch besser, dass sie den Richtigen fände? Gegönnt hätte ich ihr das. Denn vielleicht hing dieses Phänomen, „das Schicksal zu beeinflussen“, was ich mich weiterhin weigerte „Zaubern“ zu nennen, ja nicht nur mit den Gedanken und Gefühlen beim Filzen selbst sondern auch irgendwie mit dem Filzergebnis und der entstandenen Filzpuppe zusammen, ich wusste es ja noch nicht. Noch fühlte ich mich wie ein Chemiker, der eine neue Substanz erfunden hatte, die aber bisher nicht genügend erforscht war. Der gäbe die doch auch nicht schon einfach weiter. Ich wollte nichts falsch machen und Barbara auch auf keinen Fall schaden. Wir diskutierten es aus und wogen die Möglichkeiten gemeinsam ab. Dafür erzählte ich der Freundin alles noch einmal genau, aber Barbara blieb dabei und nahm es in ihre Verantwortung, sie war einfach völlig magisch angezogen von dieser Puppe. Sie wollte die Feuerfrau unbedingt haben! Und so gab ich nach, es würde schon gut sein.

Wenn ich damals wirklich ehrlich zu mir selbst gewesen wäre, hätte ich mir meine eigene große Neugier in dieser Angelegenheit eingestehen müssen, die sich hinter all diesem Gehabe von Verantwortung nur allzu offensichtlich versteckte. Nun erfuhr ich, dass Barbara teilweise ähnliche Erfahrungen in ihrem Leben gemacht hatte, sich wohl auch manchmal ziemlich dumm benommen und viel herum geflirtet hatte, aber im Gegensatz zu mir fühlte sie sich mit ihrem eigenen inneren Feuer immer ganz tief verbunden und verurteilte sich selbst nicht in dem Maße rückblickend, wie ich das tat. Barbara war auch zeitweise so eine Wilde gewesen!

Aber nun empfanden wir uns so geläutert wie die Puppe nach der Reinigung mit der violetten Flamme. Mit dieser Flamme hatten wir es sowieso in der damaligen Zeit. So zerstreuten sich meine Bedenken schließlich und ich überließ Barbara nun wirklich gerne die Puppe, ich verschenkte sie herzlich gerne. Eigentlich war es doch auch klasse, dass meine Freundin unbedingt eine Puppe von mir haben wollte, und dann auch noch eine, die ich selbst nicht einmal für so gelungen hielt. Und damit war ich doch auch die Sorge los, was ich mit der Puppe weiter anfangen sollte, aber wie gesagt, das hätte ich mir damals nicht zugegeben. Da glaubte ich halb bewusst, ich sei besonders umsichtig und verhielte mich der eventuell immensen Bedeutung meiner Feuerfrau als potentielles Zauberwerkzeug angemessen.

Barbara trug die Feuerfrau gleich ins Nebenzimmer, wo ein kleiner von ihr selbst genähter Bär namens Kurt in der entsprechenden Größe saß und von mir fachmännisch bewundert wurde. Sie setzte die Puppe dazu und es sah gleich so aus, als wären die beiden ineinander verliebt. Da ging mir durch den Kopf: „Der Bär braucht die Feuerfrau.“ Wenn wir später miteinander telefonierten, fragte ich immer auch belustigt nach den beiden Puppen, dem Bären und der Feuerfrau, und Barbara berichtete dann, dass die beiden immer näher gerückt seien, ja dass die Feuerfrau am Ende kühn ein Bein über das von Kurti legte.

Natürlich bewegten sich die Puppen nicht wirklich, Barbara bewegte sie, wenn sie im Zimmer war und das Gefühl hatte, die beiden wollten ihre Position wechseln. Das machte doch jeder so. Wie oft hat zum Beispiel der werte Leser selbst bei sich zu Hause das Sofakissen zurechtgerückt, weil er fühlte, das müsse so sein? Irgendwann hatte Barbara die beiden sogar verheiratet und wir hatten in unseren Telefonaten immer viel zu lachen. Viel später, in einer schwierigen Zeit, einer Lebenskrise, änderte Barbara ihre Einstellung zu meinen Puppen und zu mir und ging auf Distanz, außerdem beschloss sie, sich von Bär und Puppe zu trennen und verschenkte die beiden, den Kurti und seine Feuerfrau. Aber die nächste Besitzerin behielt die beiden auch nicht lange, so jedenfalls wurde es mir berichtet. Sie hatte die Feuerfrau angeblich sogar zu mir zurückgeschickt. Bei mir angekommen war sie nie, sie musste wohl auf dem Postweg verloren gegangen sein. Vielleicht hatte sie ja einen netten Postbeamten gefunden.

Hurra, die Lichtfilzlinge kommen

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