Читать книгу Hurra, die Lichtfilzlinge kommen - Julianne Becker - Страница 16
Der Meisterkobold
ОглавлениеNun muss man wissen, dass wir den Familien-Fernseher hoch oben in ein Regal eingebaut hatten, das dem Bett gegenüber im Kinderzimmer stand. So konnte meine Tochter vom Hochbett aus fernsehen. Einmal wöchentlich machte ich es mir dort auch bequem und gab mich meiner Lieblingssendung „Stargate“ hin, einer Sci-Fi-Serie. Und erst bei einer der nächsten Folgen fiel mir auf, dass in dieser Serie das Tor hin zu anderen Planeten, das Sternentor, wenn es aktiviert war, klar-weiß und flüssig-wellenförmig dargestellt wurde. Genauso hatte ich Barbaras Tor empfunden. Nicht gesehen, aber irgendwie gefühlt. Also kannten auch andere Menschen schon dieses Phänomen? Zumindest der Autor des Films? Na klar, bis es sich zu mir rumgesprochen hatte, bestimmt schon Millionen!
Nun gut, da stand also der Fernseher abseits und die Woche über ganz vergessen im Kinderzimmer. Ich hatte es mir auch so anstrengend und kompliziert wie möglich gemacht um meinen Fernsehkonsum freiwillig einzuschränken. Ich musste dann nämlich auch noch wie im Kasperletheater den Vorhang aufschieben und mich dafür am Regal und der Leiter vorbei hangeln. In der nächsten Zeit allerdings war ich ständig getrieben, da hoch zu steigen und mir Fernsehen satt zu geben, dabei mit irgendwelchem Gebäck oder Chips herum krümelnd.
Es dauerte zwei Wochen, bis ich misstrauisch wurde und mir dann auch auffiel, dass der kleine Kobold zum Fernseher gewandt auf der Treppe zum Hochbett saß. Hatte der sich gelangweilt und mich dazu gebracht, den Fernseher einzuschalten, ganz zu schweigen von den Krümeln im Bett? Das gab’s doch nicht! Ja, wer war ich denn? Wie viel von meinem Verhalten war denn nun eigentlich selbst bestimmt? Erst musste ich mich zum Filzen drängeln lassen und nun beeinflusste er auch mein Essen und Fernsehen? Um meine Vermutung zu überprüfen, setzte ich die Puppe ans Fenster neben der Haustür, so dass sie das Kommen und Gehen der anderen Mieter beobachten konnte. Und meine Lust am Fernsehen verschwand tatsächlich so plötzlich, wie sie gekommen war. Allerdings krümelte ich noch ein paar Tage mit Gebäck.
Nun war ich endgültig davon überzeugt, dass dieser Theo wirklich existierte und mir auf irgendeine Weise innerlich seine Wünsche eingab. Und ich, die dusselige Eh-Yh-Ra, merkte das nicht einmal und nahm sie dann dort als meine eigenen Wünsche wahr. Es gab keine andere Erklärung. Und um das Phänomen unter Kontrolle zu bringen, begann ich, mich mit ihm in einem Selbstgespräch in meinem Kopf zu unterhalten. So konnte ich mit der Zeit wirklich besser ausmachen, wer von uns beiden gerade sprach und wessen Gedanke es war und trainierte so ganz nebenbei meine Unterscheidungskraft. Theo wollte noch mehr von der Welt sehen, so sagte er, und ich setzte ihn auf meinen Rucksack, wenn ich einkaufen ging. Er bekam einen Klettpunkt an seinen Hosenboden und das Pendant dazu nähte ich auf dem Rucksack fest. In Berlin fiel ich damit auch nicht unbedingt auf, es interessierte niemanden. Nur selten wurde ich deswegen angesprochen, und wenn, dann ganz nett.
Es vergingen wieder Wochen. Ich hatte meiner Freundin Marlene eine Einweihung in die Energie des 1. Strahls gegeben, der damals von dem aufgestiegenen Meister El Morya repräsentiert oder gehalten wurde und in den ich selbst erst seit ein paar Monaten einweihen durfte. Es handelte sich dabei um eine geführte Meditation, die ich vom Blatt ablesen musste.
Um zu verstehen, was dabei passierte, stellte ich mir das gerne wie bei einer Glasfaserlampe vor: Jeder Mensch war dann mit einer Glasfaserlampe vergleichbar, die Leser erinnern sich vielleicht noch an die Lampe mit den vielen Glasfäden. Eine Lampe also, die vor ein paar Dutzend Jahren in Mode kam, sich pilzförmig ausbreitete und am Ende jeder Faser einen Lichtpunkt aufwies. Und so ging meine Theorie dazu: War die Seele erst einmal ganz fest im Menschen angekommen, hatte der seine eigenen Fasern alle an die Strom- bzw. Lebensquelle anschließen können. Ob auch schon alle Glasfasern am Ende leuchteten, hing dann davon ab, ob das Licht schon durch jede Faser ungehindert hindurchfließen konnte. Die meisten Menschen besaßen nämlich in ihrer Leitung eine ziemliche göttliche Arterienverkalkung, das war das eigentliche Problem unserer Zeit. Und jede Verbindung zum Licht Gottes brachte einen Menschen wie eine Lampe stärker zum Leuchten, d. h. seine Liebesfähigkeit und seine Lebenskraft nahmen zu. Je mehr Lebensthemen er bewältigt und je mehr Raum er in sich seinem ehrlichen, mutigen und liebevollen Ausdruck gab und in Einklang mit der Seele handelte, umso mehr Fasern seines Lichtbündels begannen zu leuchten.
Und eine Einweihung war nun etwas sehr Kostbares. Sie fügte nämlich eine weitere, ganz neue Glasfaser hinzu, die vorher überhaupt nicht da gewesen war! Ich selbst hatte nach meinen Einweihungen immer deutlich einen Reifeschub nach vorn erfahren, sie halfen mir sehr. Und daher konnten Barbara und ich auch El Morya schon so leicht um Hilfe bitten.
Nun wartete ich also in der Küche, bis Marlene sich von den Gefühlen und Eindrücken lösen konnte, die sie während der Einweihung erfahren hatte. Schließlich kam sie aus dem Meditationsraum, bedankte sich und meinte, die Energien wären sehr hoch gewesen und sie hätte sie auch ganz stark fließen gespürt. Und dann fragte Marlene unvermittelt:
„Aber sag, wer war denn der kleine Kerl neben mir?“
Mir schwante schon, was käme. „Wie sah er denn aus?“ fragte ich zurück, „etwa 60 cm groß, blaue Jacke, grüner Hut?“
Sie nickte.
„Theo!“ schimpfte ich vorwurfsvoll, an den imaginären Kobold gewandt. „Was fällt dir ein! Du hattest in diesem Raum nichts zu suchen!“
Und dann bat ich Marlene, mir mehr darüber zu erzählen. Was sie dann tat: Während der Einweihung gab es eine Passage, wo El Morya seine rechte Hand auf die linke Schulter von mir legte und ich meine auf die linke Schulter von Marlene (nur in der Vorstellung). Und da hatte Marlene neben sich eine Stimme gehört:
„Und dann legst du deine rechte Hand auf meine linke Schulter.“
Sie sah sich um, wo die Stimme herkäme und da saß rechts neben ihr der Kobold und grinste sie an. Unschlüssig, was zu tun sei, schaute Marlene hellsichtig zu El Morya rüber und der sagte kurz angebunden:
„Schick ihn weg.“
Und das machte sie dann auch. Ich hatte davon nichts mitbekommen. Marlene kannte meine Filzpuppe natürlich noch nicht. Und dass auch Marlene hellsichtig war, verblüffte mich nun sehr, und ich dachte: Ja, war denn alle Welt hellsichtig, nur ich alleine zu trottelig dafür? Nun wurde mir jedenfalls zum zweiten Mal die objektive Realität von Theo bestätigt. Diese Realität konnte von anderen „gesehen“ werden, während ich sie stattdessen irgendwie in Filz umsetzte. Und nicht zu vergessen, dass sich diese Realität gedanklich in meinem Kopf einmischte.
Ich hatte mir den kleinen Kerl ja vorsichtshalber schon gleich zu Anfang ins Gebet genommen, was die Verhaltensregeln bei mir betrafen, also keinen Unfug machen, denn das hätte mich zu sehr an meinen Schuldienst erinnert und wäre für meine Nerven Gift gewesen. Ich machte um Kinder nämlich seither einen großen Bogen, ich hielt deren Gequirle nicht mehr aus. Und bisher hatte Theo sich auch dran gehalten. Es musste also ein großes Bedürfnis bei ihm vorliegen, eingeweiht zu werden, so dass er das Risiko einging, mit mir Ärger zu bekommen. Als Marlene gegangen war, wandte ich mich fragend an El Morya, dessen Präsenz ich noch im Raum spürte. Und ich erfuhr, dass der kleine Kobold seine eigene spirituelle Entwicklung vorantreiben wolle, dass er auch reifer sei als die meisten anderen Kobolde und dass ich ihm eine Einweihung geben könne, allerdings eine eigens für Kobolde bestimmte. Damit würde er dann immer wieder in seine Welt zurückkehren können und dort ein großer Meister sein. El Morya gab mir den genauen Wortlaut dieser Einweihung durch und ich schrieb sie mir auch auf, für alle Fälle, wer weiß. Und dann nahm ich den Kobold bzw. stellvertretend die kleine Kobold-Filzfigur und weihte sie genauso ein. Es sah aus, als würde Theo danach strahlen vor Glück. Ich mochte ihn auch immer mehr, er war mir ans Herz gewachsen, auch wenn mir die ganze Geschichte gleichzeitig ziemlich verrückt vorkam. Das konnte ich nun doch niemandem mehr erzählen. Wer würde mir das glauben? Aber insgeheim gefiel es mir auch, das war doch besser als dieses Wassergespräch, nun konnte ich wenigstens ab und zu bei den anderen aus meiner esoterischen Szene mitreden, und die sahen und hörten doch so viel mehr.