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Frühstück mit Theo

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Theo durfte nun schon seit einigen Wochen mit mir an meinem runden Esstisch sitzen, und zwar auf einer Ecke der Banklehne oben. Von dort konnte er mich gut beobachten. Und wenn ich Kaffee trank oder etwas aß, spürte ich, dass er auch etwas davon haben wollte, aber nicht von meinem Teller. So begann ich mein morgendliches Ritual um einen zweiten Cappuccino zu erweitern, den ich ihm in einem Eierbecher servierte, dabei diente die Abdeckung einer Teetasse dem kleinen Kobold als Teller. Theo bekam ab sofort bei jeder Mahlzeit einen winzigen Happen. Doch etwas stimmte immer noch nicht, ich spürte seine Unzufriedenheit. Es dauerte ein paar Tage, schließlich verstand ich: Ich saß vor einem Tisch und ihm stellte ich sein Frühstück einfach zwischen die ausgebreiteten Beine! Das gefiel ihm nicht, nun konnte ich es deutlich spüren. Übrigens wurde das Essen oder das Getränk nicht weniger, Theo aß in der anderen Dimension, er nahm das Essen ätherisch auf. Das nahm ich jedenfalls an. Man hätte auch sagen könne, ich begann wieder wie in Kindertagen mit meinen Puppen zu reden und zu spielen.

Wenig später fand ich im Kofferraum meines Autos einen kleinen Puppentisch. Eigentlich konnte mich ja kaum noch etwas aus der Fassung bringen, mein Verstand begann sich nämlich an das Staunen zu gewöhnen, mittlerweile hatte ich schon mit anderen Lichtfilzlingen meine Erfahrungen gemacht. Dieser Tisch besaß nun sogar die gleiche Farbe wie mein eigener Küchentisch! Ich konnte mich auch nicht erinnern, wie er in den Kofferraum geraten sein konnte. Und selbst, wenn er mir geschenkt worden war und ich hatte das und ihn in einem meiner verwirrten Zustände nur vergessen, so tauchte er doch jetzt im richtigen Moment für Theo auf. Zufall?


Man konnte jedenfalls nicht mehr sagen, dass ich mir etwas einbilde und jetzt vollends verrückt sei, wie zum Beispiel beim ätherischen Essen, denn dieser Tisch war objektiv vorhanden und hatte genau die Kobold-Idealgröße. Und so saß Theo ab sofort hoch zufrieden hinter seinem Tisch über meiner Essecke.

Mit meinen Selbstgesprächen hatte ich nun auch eine Lösung gefunden, um meine eigenen Gedanken von fremden unterscheiden zu lernen, so glaubte ich wenigstens. Und ich dachte wieder über den offensichtlich so wichtigen Hinweis von Sanat Kumara nach. Was hatte der gemeint mit Verbinden? Hatte ich den Hinweis schon verstanden? Hatte ich mich etwa mit dem Kobold verbunden, weil ich ihn im Korb mitnahm? Oder hatte ich mich zu Anfang bei dem Zwergfilzen etwa nicht genügend mit Gott verbunden und war sozusagen in die Koboldwelt abgerutscht? Ich wusste es leider nicht mehr, wie das genau war. Und dann vergaß ich das Ganze auch wieder, denn ich fand erst einmal keine Antworten. Später wurde ich das Gefühl nicht los, dass damals gar kein Wasserstrahl mit mir gesprochen hatte, sondern schon mein Kobold Theo, und der hatte mich damit nur veralbern wollen, denn die Information war ja auch ganz koboldtypisch und woher sollte ein Wasserstrahl das wissen? Da am Teich musste ich mir den munteren Gesellen schon eingefangen haben. Das Selbstgespräch mit Theo fühlte sich übrigens auch ganz anders an als die Sache mit den beiden Ichs, die waren nämlich beide gleichzeitig in meinem Kopf und „ich“ und niemand anderes und gleichzeitig deutlich voneinander getrennt.

Heute könnte ich mich auch noch für die folgende Erklärung erwärmen: Ich erkenne mich wieder in dem kleinen Kerl, ich hatte die Menschen um mich herum auch immer gerne geneckt und provoziert. Sollte der Kobold nicht einfach ein Aspekt von mir selbst gewesen sein, ein Teil meiner eigenen Persönlichkeit? Dann kam Theo überhaupt nicht aus anderen Dimensionen oder Welten, dann hatte ich nur eine Eigenschaft von mir personifiziert und zusätzlich auch noch gefilzt? In der Schule hatte ich die verhaltensauffälligen und überaus schwierigen Kinder, die mich an Pumuckel erinnerten, auch besonders in mein Herz geschlossen, vor allem wegen ihrer Begabung, die Menschen nach Integrität auszutesten. Denen konnte keiner was vormachen, was der nicht auch wirklich war. Diese Kinder waren meine Trainer gewesen, meine Trainer für Echtheit.

Heute glaube ich, dass ich mit den Filzerfahrungen der letzten Jahre eigentlich der menschlichen Entwicklung zu einer immer bewussteren Religiösität und Gotterkenntnis folgte. Am Anfang hatte für die Menschen das Erleben der Elemente eine viel größere Dramatik besessen, sie waren viel mehr der Gefahr von Feuer, Wasser, Luft und unfruchtbarer Erde ausgesetzt. Und sie unterhielten sich bestimmt auch direkt mit ihnen, denn das war ihrem Erleben am nächsten. Und dann hatten sie sich vielleicht - wie ich auch - auf einer Wiese umgesehen und gespürt, dass alles lebendig war. Aber die Idee von einem Gott, der gleichzeitig alles ist, gab es noch nicht, oder war für ihre Psyche noch unfassbar, also hatten sie begonnen, viele heilige Natur-Erfahrungen einzeln zu personifizieren. Dann gab es vielleicht einen Schutzgott vom Wiesental, ebenso von der Quelle, vom Feuer, usw. Und die Griechen und die anderen Hochkulturen haben diese Personifizierungen dann sogar in komplexe Systeme mit vielen plastischen Göttergeschichten geordnet, wie z. B. der Götterwelt des Olymps. Und als die Idee „Es gibt nur einen Gott“ eingeführt wurde, mussten all diese anderen Personifizierungen der Teilaspekte Gottes erst einmal mit dem Besen aus der menschlichen Psyche gekehrt werden, damit diese neue Idee gründlich Fuß fassen konnte. Auch der zweite Teil der Erkenntnis, der uns erst heute leicht und plausibel zugänglich ist, „...und der ist in allem und umfasst alles“ musste noch ausgespart bleiben, bis die Psyche sich gewöhnt hatte an die Idee von dem einen Gott und nicht verwirrt wurde.

„Es gibt nur einen Gott und der ist alles“ ist erst der heutigen menschlichen Psyche zugänglich, da bin ich mir sicher, und das verdanken wir vor allem den Physikern und der Entdeckung des Quantenfeldes, des Atoms und der kosmischen Hintergrundstrahlung. Das heißt aber nicht, dass sich ein einzelner Mensch auch entscheidet, dass dies genauso sei. Es bleibt immer eine Frage des einzelnen Bewusstseins und natürlich auch, innerhalb von welchem Glaubenssystem er sich bewegt. Und alle haben innerhalb ihrer eigenen Weltsicht recht.

Das ist das Interessanteste dabei und es hat mich immer wieder verblüfft. Eine einzige, objektiv richtige Weltsicht kann es nicht geben, denn Bewusstsein ist immer subjektiv und schon alleine durch die Definition an einen bestimmten Menschen gebunden. So was wie Objektivität existiert nicht, immer ist unsere Wahrheit relativ und sie erweitert und verändert sich im Prinzip auch noch ständig. So glaube ich zum Beispiel nicht mehr an den Nikolaus, aber zu einer anderen Zeit tat ich das schon.

Vor allem meine ersten drei Lichtfilzlinge, die Feuerfrau, den Dionysos und den Kobold sehe ich heute so: Es war nur natürlich, dass ich mich auch in meiner eigenen bewussten spirituellen Evolution damit auseinandersetzte, Naturphänomene zu personifizieren, genauso wie wir im Mutterleib alle Stadien der biologischen Evolution durchleben. Irgendwie folgte ich von Anfang an mit meinen Filzfiguren einer Spur zum Gottesverständnis, das wurde im Nachhinein immer deutlicher. Ich schaute nämlich, womit ich mich verband, aber diesen Zusammenhang erkannte ich lange nicht.

Wie auch immer, ich hatte damals erst einmal genug von Puppen und dachte, mit Tierfiguren sei ich vor paranormalen Abenteuern gefeit – meinen Nerven zuliebe. Der Waldmann-Zauber hatte dazu geführt, dass ich ein wenig wach gerüttelt wurde, so dass ich zumindest einräumte, meine eigene Macht könnte größer sein und sich auf ganz andere Umstände beziehen, als ich so ganz unbedarft bisher von mir selbst angenommen hatte. Möglicherweise konnte man ja die Wahrscheinlichkeiten von Lebensereignissen tatsächlich zu seinen eigenen Gunsten beeinflussen lernen. Und wenn dem so war, dann wollte ich das natürlich auch gründlich erforschen.

Hurra, die Lichtfilzlinge kommen

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