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Eine sprechende Ente

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Irgendwann hatte ich plötzlich große Lust auf eine Ente und dachte gleichzeitig viel über Aufstieg nach. Ich hatte gelesen, dass Hellsichtige bei einem bereits Aufgestiegenen eine Brücke aus regenbogenfarbigem Licht zwischen Drittem Auge und dem Kronenchakra sehen, also zwischen Stirn und Scheitel. Einen Aufgestiegenen stellte ich mir zumindest erleuchtet vor und das bedeutete in Anlehnung an indische Traditionen, dass dieser Mensch gleichzeitig in Gott ruhte und hier lebte. Ein ziemliches Spagat, wahrscheinlich das maximale, was als bewusstes Lebewesen hier auf diesem Planeten machbar war. Und machbar war es, die Inder hatten es bewiesen. Mir schienen auch viele Heiligen der katholischen Kirche Erleuchtete gewesen zu sein, aber die wenigsten waren wie Jesus Christus auch aufgestiegen. Zum damaligen Zeitpunkt rechnete ich damit, dass eine solche Rückkehr in das permanente Bewusstsein Gottes täglich für jeden Menschen leichter werden würde, es bestand vielleicht sogar eine Chance, dass es mir selbst gelänge. In meinen Quellen hatte ich auch gefunden, dass die Ursache für diese jetzige Chance in einem besonderen Zeitfenster lag, weil die Erde (wie sonst nur etwa alle 200 000 Jahre) in einer sehr günstigen Konstellation zum Zentrum der Milchstraße (unserer Heimatgalaxie) und den gesamten anderen Dimensionen stand.

Warum nicht, vielleicht gab es ja wie die Jahreszeiten auch so was wie ein galaktisches Erleuchtungswetter? Die Vorstellungen, wie sich das auf die Menschen, die sich einer solchen Entwicklung öffneten, auswirken würde, gingen allerdings in meinen Quellen sehr auseinander und mündeten oft im Paradies, so auf die Art „alle sind happy und grinsen und die gebratenen Tofubratlinge schweben einem mit Salat garniert in den Mund“. Ich wusste nicht, ob ich genau das anstreben wollte, denn saßen so nicht schon die Hippies herum? Ging es nicht eher um Bewusstsein und Erkenntnis statt um Doping? Ich blieb in dieser Angelegenheit unschlüssig.

In solche und ähnliche Gedanken versunken arbeitete ich an der ersten Ente, nachdem ich mich gründlich vorbereitet und mit dem Höchsten verbunden hatte. Ich ließ mich führen und inspirieren. Und kontrollierte noch einmal vorsichtshalber mein Gefühl: Ja, es stimmte wirklich, eine Ente durfte es werden, Gott, Herz und Inspiration waren dabei. Nun, ich hatte offensichtlich dazu gelernt. Ich baute die Ente aus Ei und Kugel zusammen, sie bekam einen breiten geöffneten Schnabel. Sie besaß Riesenfüße und war auch sonst sehr groß geraten. Ich beschloss, die Ente knallgelb zu überziehen. Und in mir tauchte der Gedanke auf:

„Dies ist die erste aufgestiegene Ente, die es hier auf der Erde gibt“.

Irgendwie ging wohl mein Hang zur Persiflage mit mir durch. Ich folgte einem Impuls und „malte“ ihr mit bunter Wolle einen Regenbogen auf die Stirn als Zeichen, dass sie den Aufstieg bereits vollendet hatte. Das sah toll aus. Zufrieden nannte ich sie meine Regenbogenente. Ich betrachtete mein Werk ganz lange von allen Seiten und hatte dabei schon auch ein klein wenig das unreligiöse Gefühl, damit die ganze spirituelle Szene ziemlich auf die Schippe zu nehmen und grinste breit.

Beim Filzen war ich meinen Impulsen gefolgt, aber nun hörte ich plötzlich eine Stimme in meinem Kopf und die wurde sehr konkret.

„Ich brauche noch eine Antenne“, hörte ich.

Vielleicht trug es Früchte, dass ich mit meinem Theo Selbstgespräche geübt hatte, denn nun erkannte ich fremde Gedanken wohl schon ganz schnell als innere Stimme und übersetzte sie gleich in gehörte Sprache. Und diese Theorie konnte ich friedlich neben anderen Theorien stehen lassen, dass ich mir nur wünschte, dass die Ente mit mir redete und es nur meiner Einbildung zuzuschreiben sei, oder dass ich doch noch in der Klapse landen würde, weil ich Selbstgespräche führte mit imaginären aufgestiegenen Enten. Dass ich gleichzeitig alle Theorien erwog, ohne mich für eine zu entscheiden, war allerdings auf Dauer psychisch sehr anstrengend.

Ob ich damit noch als geerdet gelten und als „normal“ diagnostiziert werden konnte, dafür hatte ich schon vor Jahren einen eigenen Test entwickelt: Ich überprüfte, ob ich über mich selbst noch lachen konnte. Ja, ich konnte. Zumindest über diese Ente. Sonst tendierte ich nämlich dazu, verkrampft heilig oder intellektuell oder sonst etwas zu sein oder in irgendwelchen Ideen und Zukunftsträumen zu schwelgen und immer mehr psychische Seifenblasen zu produzieren. Die waren dann zwar schön und schwebten so dahin, hatten aber, wie ich gerne sagte, für mein eigenes Leben keinen sittlichen Nährwert. Ich glaubte auch, dass dieses große Göttliche Wesen, dieses Große Eine, eine unendliche Menge an Humor haben musste, wie es uns alle so liebend und unser Lernen erlaubend beobachtete.

Aber zurück zur Antenne. Die Regenbogenente verlangte dafür einen Puschel aufs Kronenchakra, also ganz oben auf den Scheitel, und das sah sehr verwegen aus. Aber wir waren noch nicht fertig, am Schwanzende wollte sie auch noch einen Puschel haben. Nun machte ich einfach wie angewiesen weiter, denn die Ente nörgelte noch unerbittlich an ein paar Schwachstellen herum. Irgendwann war sie dann aber doch endlich fertig. Nun nahm ich sie mit zu meinem Altar in der Meditationsecke, denn damit mir so ein Übelkeits-Desaster wie mit der Feuerfrau nicht wieder passierte (und wer weiß noch ganz genau, worauf er sich fünfzig Stunden konzentrierte) hatte ich mich ja entschieden, dass ich jede Puppe am Ende mit der violetten Flamme energetisch reinige und kläre.

Und diesmal blitzte in mir noch eine weitere Idee auf: Wenn Gott sich in dieser Ente ausdrücken wollte, und davon war ich ja überzeugt, weil ich mich doch ganz auf Gott eingestimmt fühlte, konnte ich Gott doch genauso gut bitten, seine ätherischen göttlichen Lichtfäden ebenfalls in die Figur einfließen zu lassen, entsprechend der Menge an Wollfäden. Als göttlicher Filzer. Wenn es sich schon um eine Gemeinschaftsproduktion handelte: Dann aber richtig!


Und ich stellte mir vor, dass Gott seine Lichtfäden dazu gab und filzte sie ein, diesmal nur in der Vorstellung natürlich. Die Ente enthielt nun genauso viele Lichtfäden wie Wollfäden. Am Ende weihte ich sie dem Göttlichen. Sie hatte ganz schön Power. Und so wurde mit der ersten Regenbogenente auch zugleich der erste echte Lichtfilzling geboren, im wahrsten Sinne des Wortes. Ich hatte das Lichtfilzen erfunden. Aber noch erzählte ich niemandem, was ich da eigentlich machte. Und ab da nannte ich meine Filzfiguren „Lichtfilzlinge“. Ich spürte ganz deutlich, dass die Regenbogenente durch die Lichtwolle mindestens um das Zehnfache ausdrucksvoller und schöner erschien als meine Filzfiguren zuvor, wenn nicht sogar noch mehr.

Hurra, die Lichtfilzlinge kommen

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