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HOLZ VOR DER HÜTTE

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So if you don’t mind me sayin’ I can see you’re out of aces. For a taste of your whiskey, I’ll give you some advice.


KENNY ROGERS, „THE GAMBLER“

Ich finde es immer sehr lustig, wie meine deutschen Gäste auf das Thema Eichenholzausbau reagieren. Es gehört mit Sicherheit zu den drei gefürchtesten Themen eines Tischgesprächs, gleich nach Politik und Religion. Konfrontiert mit einer Weinempfehlung, läuft das dann so:

Gast: „Okay, aber der ist ohne Holz, nicht wahr? Kein Holz. Holz geht für mich gar nicht.“

Ich: „Na ja, Rain Man, natürlich ist da etwas Holz. Es ist ein Qualitätswein.“ (Okay, den „Rain Man“ lasse ich am Tisch weg. Meistens.)

(Blick des Gasts, der 86% Verwirrung und 14% persönliches Beleidigtsein enthält)

Und genau diese Situation zwingt mich zu der Überlegung: Welches schändliche Verbrechen könnte ein Fass an diesem armen Menschen nur verübt haben, um einen so unversöhnlichen Groll hervorzurufen? Wurde er oder sie als Kind in einen mit Holz ausgekleideten Transporter gelockt und mit einer schrööcklichen Fassdaube unsittlich berührt? Leg dich auf die Couch, atme tief durch und lass uns darüber reden. Das Holz ist nicht der Bösewicht. Und es war sicher nicht der Grund für deine schreckliche Migräne nach der Hochzeit von Cousin Veto. Das Holz kann nichts dafür, sondern Veto, weil er den billigsten Scheiß eingekauft hat, den er nur finden konnte – mehr Konservierungsstoffe, Farbstabilisatoren, kommerziell produzierte synthetische Hefe und Gott weiß was sonst noch alles anstatt einem echten Erzeugnis aus Trauben. Das, und die vierte Flasche, von der du gar nicht mehr weißt, dass du sie runtergeschüttet hast, bevor du nackt in der Vogeltränke baden wolltest, haben die Sache nicht besser gemacht.

Doch bevor wir hier weitermachen, versprich mir eines: Das nächste Mal, wenn der Sommelier mit der Weinflasche kommt, denk nach, bevor du unbedacht etwas losplapperst wie: „Ist der in Holz ausgebaut?“, denn die Frage ist dumm. Sie führt zu nichts und zeigt nur, dass du keine Ahnung hast. Und wenn du womöglich mit einem „Somm-Snob“ zu tun hast, stehst du für alle Zeiten auf der schwarzen Liste. Aber wir wollen dem Blödmann diese Gelegenheit ja nicht geben. Ich zeige dir, wie du mit diesem Thema wie ein Profi umgehst.

Zuerst und am wichtigsten: IST DER EINFLUSS VON NEUEM HOLZ IM WEIN STARK ODER EHER NEUTRAL?

Eichenfässer sind ein bisschen wie Teebeutel. Beim ersten Aufguss lösen sich, sagen wir mal, 70 Prozent der Aromen des Teebeutels im heißen Wasser. Beim zweiten noch einmal 20 Prozent. Mit jedem weiteren Mal geht der Einfluss des Beutels auf das Wasser, in das man ihn taucht, immer mehr gegen Null (okay ihr Nerds, Pu-erh, Sencha und Lapsang Souchong sind ausgenommen). Mit der Eiche ist es ähnlich. Bei der ersten Fassfüllung saugt der Wein eine ordentliche Portion der typischen Eichenaromen auf, was wir gleich noch besprechen werden. Mit jeder weiteren Verwendung gibt das Fass mehr und mehr dieser Aromen an den Wein ab, bis es so neutral wie irgendein Stahlbottich, Betontank oder eine Tonamphore geworden ist. Die Holzfasern lassen allerdings Sauerstoff in minimalen Mengen durch im Gegensatz zu geschlossenen Stahl- oder Betontanks. Wie viel neues Holz sollte man verwenden? Es ist jedenfalls kein Schalter, den man an- oder ausknipst. Es ist vielmehr ein feiner Blend, vergleichbar einer Würzmischung, mit der man eine Rinderbrust einreibt, bevor sie langsam geräuchert wird. Die meisten Kellermeister kaufen ihre Fässer bei unterschiedlichen Herstellern beziehungsweise „Tonneliers“, da jedes Fass ein eigenes Aromaprofil hat. Alle wirken sich etwas anders auf den Wein aus, manche sind aggressiver, manche subtiler. Einige steuern mehr für die Struktur des Weins durch Tannine bei, andere für die Oxidation, das Geschmacksprofil usw. Und falls ihr Mädels euch das fragen solltet: Ja, die Größe ZÄHLT hier!

Auch wenn du einen Hauch blödes neues Holz in deinem Wein entdeckst, musst du trotzdem nicht alle Hoffnung auf Eleganz fahren lassen. Die Größe des Fasses hat einen enormen Einfluss darauf, wie deutlich sich das Eichenaroma im fertigen Wein bemerkbar macht. Im Verhältnis von Wein zu Holz hat ein Standard-225-Liter-Fass logischerweise einen doppelt so großen Einfluss auf den Wein wie ein Fass mit 500 Litern. Was den Gedanken nahelegt: Zu fragen, wie viel „neue Eiche“ bei der Produktion verwendet wurde, hat so viel Sinn, wie den Koch zu fragen, wie viel Salz im nächsten Gang ist. Eine Prise für den Amuse-Bouche-Happen ist nicht vergleichbar mit einem ganzen Topf Gulasch. Aber noch wichtiger ist die Frage, welche Rolle die Eiche tatsächlich spielt. Strukturierte, dichte, kraftvolle Weine vertragen mehr neue Eiche, weil sie auch lange Lagerzeiten benötigen. Ein solcher Wein könnte zu 75 Prozent in neuen Fässern aus französischer Eiche ausgebaut werden, und man würde trotzdem kaum etwas bemerken. Katastrophal wird es, wenn man das gleiche Rezept auf eine elegante Rebsorte aus kühlem Klima anwendet: Das würde dem schlanken, eleganten feinen Saft ein ziemlich nuttiges „Eichen-Make-up“ verpassen. Und ein Wein sollte, wie ich finde, doch mehr nach diesem großartigen Saft schmecken als nach einem Deepthroat mit einer Fassdaube.

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