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UM DEN STAMM HERUM: LANDSCHAFTSGESTALTUNG FÜR DIE SINNE


Wein ist Licht, gebunden durch Wasser.


GALILEO GALILEI

Viele meiner Gedanken findest du superspannend und neu, aber vielleicht nicht immer ganz normal. Ich auch! Aber Spaß beiseite, wir dürfen den Fokus auf die gesicherten Grundlagen nicht verlieren, die Elemente, die wir buchstäblich vor der Nase haben. Also hab Geduld mit mir, wenn wir jetzt noch ein paar Basics durchnudeln. Es geht um die Dinge, die um unseren Baum der Erkenntnis herum sind. Und nicht vergessen: Wir sprechen über Gerüche und Düfte, also über etwas, was zutiefst persönlich ist. Die meisten Weine riechen, vergleichbar mit einem feinen Parfüm, direkt nach dem Öffnen der Flasche anders als Stunden später in der Karaffe. Und so wie Düfte mit der individuellen Körperchemie reagieren, hinterlässt auch ein Wein auf jedem Gaumen (theoretisch) einen etwas anderen Eindruck. Deshalb vermeide ich normalerweise zu strikte Weinbeschreibungen, auch wenn ein paar grundlegende Ankerpunkte außerordentlich hilfreich sein können, um den eigenen Geschmack kennenzulernen und eigene Interpretationen zu formulieren. Hier kommen die Kategorien.

Gras & vegetabile Noten

Vielleicht kennst du bereits neuseeländischen Sauvignon Blanc, der vor frisch geschnittenem Gras mit seinen schmissigen grünen Noten nur so strotzt. Er ist nur ein Beispiel dafür, wie vor allem Weißweine „vegetabile“ (man kann auch sagen: pflanzliche) Aromen wie grüne Paprikaschote, Zuckererbse oder sogar grünen Spargel im Gepäck haben. Bei den Rotweinen spiegeln bekannte Geschmäcke wie rote Paprikaschote, Tomate, Aubergine oder Olive nur einen Querschnitt durch das Spektrum wider, das dich da aus deinem Saumur-Champigny heraus anlacht. All diese Noten finden sich in unterschiedlichem Maße in verschiedenen Rebsorten, und keine davon ist negativ zu verstehen. Einige Sorten legen lediglich ein „kühleres“ Benehmen an den Tag im Vergleich zu ihren „sonnigeren“, exotischeren Gegenstücken. Je mehr du verkostest, umso besser wirst du erkennen, welche Sorten cool und gelassen bleiben und welche ihrem Temperament freien Lauf lassen.

Beispiele:

Weiß: Verdejo, Albariño/Alvarinho, verschiedene norditalienische Weißweine, Yellow Muscat/Gelber Muskateller, Silvaner

Rot: Chilenischer Carmenère, Cabernet Franc, kühlklimatischer Cabernet Sauvignon, Blaufränkisch, Blauburgunder, Lemberger

Kräuter & Gewürze

Für die Kombination mit Speisen sind Weine mit ausgeprägt kräuterwürzigem Profil der Traum jedes Sommeliers. Schließlich ist es unsere Aufgabe, Gerichte zu ergänzen, nicht, sie zu erschlagen, und diese komischen Käuze können mit ihrer sehr eigenwilligen Natur einen Menügang aufwerten wie sonst nichts. Einen solchen Wein schenke ich lieber erst aus, wenn die entsprechende Speise bereits serviert wurde, und ohne vorherigen Probeschluck. Er ist so speziell, dass das Fehlen dieses Speisekontextes tödlich sein könnte. Es sind Weine, die eine einzigartige Synergie herstellen; sie fügen der Speise etwas hinzu, was sie noch nicht hatte, sie bringen sozusagen den Gedankengang zu Ende. Das beste Beispiel ist der klassische Begleiter zu gebratenem Lammkarree. Wilde Lämmer ernähren sich von den Gräsern und Kräutern, die auf dem Land wachsen, und einige davon enthalten das Aroma, das die Franzosen „garrigue“ nennen: eine Mischung – ähnlich den Kräutern der Provence – aus Rosmarin, Thymian, Basilikum, Lavendel und anderen. Kräftig-würzige Aromen wie von Zimt, Muskatnuss, Nelke, Pfefferkörnern aller Art (rosa, schwarz, grün oder weiß), Blättern der Schwarzen Johannisbeere, Tomatenblättern, Zypressen, Salbei, grünem/schwarzem/weißem Tee können dem Wein schöne komplexe Nuancen verleihen, die sich wunderbar mit Speisen kombinieren lassen.

Beispiele:

Weiß: Grenache Blanc, Roussanne, Marsanne, Semillon, Gewürztraminer, Pinot Gris, Trebbiano, Furmint

Rot: Sangiovese, Barbera, Nebbiolo, Grenache, Syrah, Mourvèdre, Graciano, Canaiolo, Alicante, Zinfandel, Aglianico, Mencía, Xinomavro, Teroldego, Zweigelt, Refosco, Pinot Meunier, Merlot

Blumen

Einige Rebsorten erinnern an einen Spaziergang durch blühende Wiesen an einem warmen Sommertag. Das reicht von weißen Pfingstrosen über gelbe Margeriten bis zu roten Rosen, Veilchen oder Lavendel, Hyazinthen, Jasmin oder Flieder. Ein „kühleres“ Beispiel wäre die klassische Eleganz weißer Blumen bei Chablis, während man eine wärmere, vollere Variante etwa beim Gewürztraminer findet mit seinem verräterischen Bouquet von Hagebutte und Lanolin. Und schließlich die Rhône, wo der Viognier seine ganze Fülle erreicht, überbordend mit Düften von Geißblatt und Orangenblüte. Wenn du diese Gerüche nicht selbst aus der freien Natur kennst, kannst du sie auch in Seifen, Lotionen, Raumsprays oder Duftkerzen erschnuppern, was die Sache für dich leichter macht, als du denkst. Das mag alles sehr feminin klingen, und ich bestreite auch nicht, dass florale Aromen in aromatischen weißen Sorten oft stärker präsent sind, doch auch in Rotweinen sind sie ein Element. Ein großer Côte de Nuits Pinot Noir duftet unverwechselbar nach Lavendel, ein Chinon Cabernet Franc prunkt mit Veilchen, ein klassischer Barolo Nebbiolo hat eine kräftige Nase von getrockneten Rosen und Pfingstrosen.

Beispiele:

Weiß: Riesling, Chenin Blanc, Chardonnay, Malvasia, Muscat, Soave, Falanghina, Fiano di Avellino, Viognier, Arneis, Gewürztraminer, Chasselas, Fernão Pires (Portugal), Gros und Petit Manseng (Jurançon), Godello (Spanien)


Leder, Tabak, Blut und Schweiß …

Animalische Noten, Leder, Tabak & Blut

„Wo die wilden Kerle wohnen“ passt auf einige Trauben viel besser als „Frühstück bei Tiffany“. Gäste kichern oft, wenn mir das Wort „animalisch“ im Gespräch über einen Wein herausrutscht, aber für bestimmte schweißige Biester ist das die einzig richtige Beschreibung. Sie hat was zu tun mit der sogenannten Erdigkeit, eine Kategorie, in die wir später noch tiefer eintauchen werden. Aber während einige Trauben wie Regenbögen und Einhörner sind, ähneln andere mehr dem Stall, in den das Einhorn abends heimkommt. Heu, Scheiße, Moschus, Schweiß, gut eingeöltes Sattelleder, der Geruch der ausgedrückten Zigarre des Cowboys und des Pferdes, das er dabei geritten hat. Glaub mir’s oder nicht, aber das sind ganz besonders hoch gehandelte Aromen, die man in vielen der begehrtesten Weinjuwelen dieser Welt findet. Diese besonders deftigen Aromen können auch in jüngeren Weinen auftauchen, wahrscheinlicher aber ist es, dass sie zum Vorschein kommen, wenn der Wein schon eine gewisse Reife erlangt hat. Sie klingen „maskulin“ und kommen auch tatsächlich in robusten roten Sorten viel häufiger vor als in feinen weißen. Mit der Zeit können aber auch Weißweine ähnliche Eigenschaften entwickeln. Das geht manchmal bis hin zu „fleischig“ oder „blutig“. Bei einem meiner ersten Weinerlebnisse mit einem Rotwein aus dem Languedoc war ich wie vom Donner gerührt gewesen, wie der Geschmack eines Weins, der ja nun mal aus Trauben gemacht wird, sich im Mund in Grillfleisch, Kräuter der Provence und Blut verwandeln kann. Um uns allen das Leben ein bisschen leichter zu machen, kürze ich hier die Liste der roten Beispiele ab, aber vielleicht hast du Lust, ein paar der „erdigeren“ Weißen aufzutreiben und selbst herauszufinden, was ich meine.

Beispiele:

Weiß: Chenin Blanc (hauptsächlich Savennières), weißer Rioja Gran Reserva (gereift), Savagnin (Jura), Furmint (Ungarn), Chasselas

Rot: Cinsault, Syrah (gereift), Malbec, Nebbiolo (gereift), Pinotage, Tannat, Tempranillo, Sangiovese (gereift), Baga, Sagrantino, Pinot Noir (Burgund)

Honig & Nüsse

Eine mir nur allzu vertraute Reaktion der Gäste, wenn ich einen gereiften Weißwein einschenke, ist: „Wow! Schaut euch die Farbe an … und er schmeckt irgendwie wie … Cognac!“ Hm, ja und nein. Ich kann sie nachvollziehen, diese naheliegende Reaktion auf den dunkleren Farbton – Mahagoni oder Wildblumenhonig – in Kombination mit einem Geschmack, der nicht sofort „frische Früchte und Blumen“ kräht. Völlig daneben ist diese Analyse nicht, aber wir können dieses Erlebnis besser ausdrücken.

Beispiele:

Trockene Weiße: Fiano di Avellino, Semillon (gereift), Roussillon (gereift) Garganega (Soave), Grenache Blanc, Riesling (gereift), Clairette, weißer Bordeaux (gereift)

Und dann gibt es noch das süße Zeugs. Seit den alten Römern, wahrscheinlich sogar seit den alten Ägyptern, wurden Weine mit einer guten Portion Restzucker sehr geschätzt. Süße Dinge waren – im Gegensatz zur heutigen grauenhaften Allgegenwärtigkeit – selten und meist der Oberschicht vorbehalten. Das begründete das geheimnisvolle, abgehobene Flair, das Dessertweine umgab. Man kann diesen süßen Kuss der Vornehmheit auf mehreren Wegen erreichen, etwa durch das Vergären des Rosinensafts sonnengetrockneter Trauben, wie es etwa an den heißen Stränden Siziliens traditionell geschieht. Oder, genau anders herum, im berühmten Eiswein Deutschlands. Für den werden die Trauben bei einer Temperatur von minus sieben bis acht Grad gelesen. Das Wasser in den Trauben ist dann gefroren, und nur ein Tropfen hyperkonzentriertes Elixir kann sanft herausgepresst und vergoren werden. Die dritte und häufiger angewendete Methode hat mit einem speziellen Schimmelpilz namens BOTRYTIS CINEREA zu tun. Was man normalerweise sofort wegschmeißen würde, wenn man es im eigenen Kühlschrank entdeckt, führt zu einer Transformation in Weintrauben, die an einen Kokon erinnert. Der sonst magere, säuerliche Sauvignon Blanc wird in diesem erstaunlichen Pilz-Pelz am Ende der Ernte zu einem wunderbaren Sauternes-Schmetterling. Wie der amerikanische Schriftsteller Jay McInerney einmal schrieb: „Seit Baudelaire Opium rauchte, hat keine Fäulnis mehr in solche Schönheit gemündet.“ Geschmack, Viskosität und Süße, die in ein und derselben Traube bis dahin undenkbar waren, entstehen scheinbar aus dem Nichts, wenn der Schimmel die ganze chemische Zusammensetzung der Traube verändert, den Zuckergehalt dramatisch konzentriert und gleichzeitig die natürliche Säure auf einen Höchststand bringt.

Beispiele:

Just Wine

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