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DER MINISTRANT

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Wie alle meine Vorfahren so war auch ich katholisch getauft und mehr oder weniger streng in diesem Glauben erzogen worden. Mehr streng mütterlicherseits, weniger väterlicherseits. So war es meistens in den Familien. Mein Vater war nicht der permanente Kirchgänger, ihm „reichte“ es Ostern, Pfingsten, Weihnachten. Meiner Mutter war jeder Sonntag heilig. Also hieß es auch für uns Kinder, jeden Sonntag Punkt zehn Uhr in der Kirche zu sein.

Unser Gotteshaus war eine hölzerne, barackenartige Konstruktion im Nachbarort, eine Art Kapelle mit einem Glockenturm, dessen Geläut weniger einem Dom, dafür eher dem Gebimmel, das man in den Schweizer Alpen gelegentlich hört, glich. Im Winter sorgte ein gusseiserner Kanonenofen dafür, dass man darin nicht erfror. Es gab sogar eine Art Orgel, ein Harmonium.

Unser Pfarrer freute sich natürlich über meinen eifrigen Kirchgang, sodass er mich bald als Ministrant eintrug. Ab jetzt war ich in etwa jede zweite Woche dran, zu ministrieren.

Anfangs wurden die Messen zum Teil oder auch noch ganz in lateinischer Sprache gehalten. Die älteren unter den Messdienern haben das dafür notwendige an Latein noch im Religions- oder im Ministrantenunterricht lernen müssen. Ich nicht mehr, also murmelte ich irgendwelchen Kauderwelsch vor mich hin, sodass keiner der Kirchgänger etwas davon mitbekam.

Fasziniert hatte mich immer die Hostie. Bevor ich meine heilige Erstkommunion erhielt, wollte ich aber schon genau wissen, was das kleine Ding denn ist, wie es schmeckt und vor allem, wie es wirkt. Was tat ich also: Ich entnahm … okay, ich möchte es nicht schönreden, klaute mir also eine aus dem Körbchen!

Gott! Ich war ein Dieb! Und noch dazu in der Kirche! Entsetzlich. Schlimmer geht’s wohl kaum! Danach kam ich mir elend und armselig vor und schämte mich vor mir selbst. Bin mir auch ganz sicher, dass ich das niemals meinem Pfarrer während der Beichte berichtete.

Es schmeckte übrigens genau nach Hostie, wie eine Oblate ohne Eigengeschmack. Da ich sie ja vor Beginn der Messe entwendete, war sie auch noch nicht geweiht, also ohne „Effekt“. Von daher wohl eher auch eine kleinere Sünde …

Hatte ich später manchmal eine Pechsträhne: War das etwa die zugehörige Strafe von ganz oben? Vielleicht? Man weiß es nicht.

Die Holzkirche war schon sehr in die Jahre gekommen, irgendwann in meiner Jugendzeit hat man – wohl auch mit Geldern aus dem Westen – ein paar hundert Meter weiter eine moderne, massive Kirche gebaut. Die alte Baracke wurde anschließend vom Bischof entweiht, der Glockenturm abgebaut. Der Rest diente schließlich noch eine Zeit lang als Scheune für Heu und Stroh. Später wurde alles ganz abgerissen. Das änderte aber nichts am sonntäglichen Rhythmus, den Gottesdienst zu besuchen. Solange ich im Haus meiner Eltern wohnte, war das ein Muss.

Meine Epoche Ost

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