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PROLOG

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Das waren siebenundzwanzig Jahre in dem deutschen Teil, der gar nicht mehr zu Deutschland dazugehören sollte, wäre es nach dem Willen der seinerzeit Regierenden gegangen. Dass es denen letztendlich nicht mit der totalen Abspaltung gelang, bezeugt die jüngere Geschichte. Nicht selten spielt das Leben halt anders, als man es sich in seiner kühnsten Fantasie ausmalen kann.

Etwa ein viertel Jahrhundert geht in so einem Staatsgebilde nicht spurlos vorüber und hinterlässt eine spezielle Prägung seiner Bürger. Nicht unbedingt negativ, nein, nur etwas anders im Vergleich zu den „restlichen“ deutschsprachigen Strukturen. So war es auch bei mir. Schließlich konnte ich mir es nicht aussuchen, wo hinein ich geboren wurde, wie und wo ich aufwachsen werde!

Ich glaube, ein Kind kommt mit den unterschiedlichsten Milieus und Gesellschaftsformen viel eher zurecht als ein Erwachsener. Mal abgesehen von extremen Formen, so weit war es größtenteils nicht. Wenn man irgendwo hineingeboren wird und mit diesen Gegebenheiten aufwachsen muss, spielt es nicht die primäre Rolle, viel zu besitzen. Das Schönste für ein Kind ist es, glücklich sein zu dürfen, egal wo. Und Glück hängt nicht von finanziellem Reichtum ab.

Mein Dasein war nie von irgendeiner Art „Überlebenskampf“ oder empfundenen Mangelerscheinungen geprägt. Zudem gab es ja in der Zeit meiner Kindheit auch kein starkes soziales Gefälle: Ob Lehrer, Arbeiter, Zahnarzt, die Lohntüten oder Gehälter unterschieden sich zwar schon etwas voneinander, aber bei Weitem nicht so stark wie in den späteren Jahren.

So wuchs ich in einer für ostdeutsche Verhältnisse recht gut situierten Familie auf. Es war ein elterlicher Mix aus Intelligenz (unter dieser staatlicherseits geprägten Rubrik wurden die Pädagogen eingestuft: meine Mutter) und sogenannter Arbeiterklasse (der Vater, ein Werkzeugmacher). Später kam mein Schwesterchen dazu. Somit waren wir vollzählig.

Wir lebten zusammen mit meinen Großeltern mütterlicherseits in einem eigenen Haus in einer typischen Kleinstadt mit viereinhalbtausend Einwohnern in einem Teil im „Tal der Ahnungslosen“ – wie es sprichwörtlich bezeichnet wurde. Denn meine Landsleute dort dürften mit zu den „ahnungslosesten“ überhaupt gezählt haben, wenn man das auf den Empfang westlicher Medien bezieht. Doch dazu später mehr.

Ich hatte für mein Befinden wirklich eine unbeschwerte und glückliche Kindheit. Es waren eher die Ärgernisse, die stetig größer werdenden Engpässe, die indirekte oder direkte Bevormundung und wachsende Beschränkungen, die mit zunehmendem Alter zunächst nur nervten, dann störten, später mehr zum „anarchischen Verhalten“ meinerseits und auch weiterer Teile der „ahnungslosen“ Bevölkerung führten.

Die Mehrzahl der Bürger ahnte es und war davon überzeugt, dass das Experiment einer sozialistischen Gesellschaft früher oder später scheitern würde, falls es weiter so bergab ginge. Nur vorstellen konnte man es sich nicht wirklich.

Klar, es gab und gibt immer Mitmenschen, die jede Gesellschaftsform so egoistisch wie möglich für sich ausnutzen können und dabei in Kauf nehmen, dass andere benachteiligt oder geschädigt werden. Dieses Verhalten war sicher besonders prägend im Handeln der Führungsriege in Ostberlin, die mit ihren Untergebenen, „ihrem“ Volk, lange genug herumexperimentierten. Despoten vergangener Jahrhunderte hätten das nicht besser hinbekommen.

Was konnte man denn tun? Den Kopf in den Sand stecken, alles schlucken, egal was kommt, schön brav mitlaufen oder gleich resignieren? Oder so aufmüpfig sein, um mit Knast belohnt zu werden? Beides waren keine Intentionen für mich und eine Zwischenlösung konnte ich mir auf längere Frist nicht vorstellen. Für mich gab es irgendwann einfach keine Perspektiven mehr innerhalb der Grenzen dieses „Experiments“. Es war nicht „das Meine“ und alles hat eben sein Limit. Und 1989 war es dann so weit.

Was bis zu diesem, für mich historischen Wendepunkt alles Witziges, Lustiges, Nachdenkliches und Seltsames geschah und publizierbar ist, wird hier aufgeschrieben. Klar gab es auch Trauriges. Einer der bewegendsten Momente war, als 1980 meine liebe Oma starb.

Ich habe einen Teil an Tatsachen aufgeführt, „meine“ Wahrheiten und Erlebnisse, die ich der geneigten Leserschaft zumuten will. Nein, es sind keine Märchen. Es sind Episoden, meine Erinnerungen. Auch keine Autobiografie, ich bin ja kein Prominenter. Viele haben sicher Ähnliches erlebt, es nur nicht zu Papier gebracht. Obwohl: Ein paar Unikate dürften schon dabei sein. Freunde, die manche der Storys kennen, nervten mich oft: „Das musst du aufschreiben!“

Na gut, also fing ich damit an, mir irgendwann Notizen zu machen und nach mehr als achtzehn Jahren „geistiger Sammlung“ liegt das gereifte Resultat nun vor: Meine „Epoche Ost“. Geschichten, wie sie sich in meinem Alltag abspielten, ungeschönt, einfach drauf zugeschrieben. Selbst die meisten Namen sind real. Nur einige davon habe ich bewusst geändert, es ist ja nicht meine Absicht, jemanden zu verärgern. Bis auf wenige gewollte Ausnahmen sollte sich auch niemand beleidigt fühlen, oder?

Und wenn schon! Was soll’s. Auch nicht schlimm …

Es war also wirklich einmal und – vor noch gar nicht so ewig langer Zeit.

Meine Epoche Ost

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