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Positivität breitet sich in der Gesellschaft aus

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In der heutigen Gesellschaft gibt es Inseln der Positivität, die sich ausbreiten. Ein Beispiel ist Pete Carroll, Coach der Super-Bowl-Siegermannschaft „Seattle Seahawks“. Zu seinen Erfolgen als Head Coach an der University of Southern California zählte eine Landesmeisterschaft und zahlreiche Siege im College Football (der sogenannte Rose Bowl). Trotz seiner Erfolge auf der College-Ebene gab es einige Leute, die dachten, dass er keinen Erfolg im professionellen Football haben würde. Sein Coaching-Stil galt als zu freundlich, zu enthusiastisch und zu positiv, um für die Profispieler geeignet zu sein. Aber trotz des Vorwurfs, dass er zu weich oder zu spaßorientiert sei, blieb Pete Carroll seiner Persönlichkeit und seinen Methoden treu, was ihm große Erfolge auf beiden Ebenen einbrachte. Es freut mich sehr, dass er die Vorstellung ablehnte, der zufolge ein freundlicher, positiver Trainingsstil nur bei Menschen bis zum Alter von zirka 22 Jahren fruchten kann. Positivität ist für jedes Alter sinnvoll und ich bin immer froh, zu sehen, welchen Erfolg er damit hatte. („Immer“ ist eigentlich eine Übertreibung, weil mich sein Erfolg tatsächlich ziemlich aufregte, als die Seahawks die Packers in den NFC Championship Games im Jahr 2015 schlugen – aber ich werde nicht zulassen, dass meine in Wisconsin gelegenen Wurzeln meinem professionellen Urteil im Weg stehen – ich habe den größten Respekt für die Art, wie Pete Carroll seine Spieler behandelt.) Sein Bestreben, ein förderndes Umfeld zu schaffen und gleichzeitig Erfolge zu feiern, mag im Rahmen der NFL (National Football League) etwas Neues sein, aber es passt zur Philosophie der Positivität, die im heutigen Hundetraining bereits weit verbreitet ist. Es führte außerdem dazu, dass Coach Carroll außergewöhnliche Leistungen von seinen Spielern erhielt.

Auch ein Vergleich zwischen den beiden US-amerikanischen Reality-Shows American Idol und The Voice zeigt sehr deutlich, wie positive Methoden andere zu ihrem besten Verhalten motivieren können. Beide Fernsehformate sind Talentwettbewerbe mit dem Ziel, Gesangstalente zu entdecken. Aber sie gehen dabei sehr unterschiedlich vor und die Experten, die in den Sendungen auftreten, haben unterschiedliche Bezeichnungen. In American Idol heißen sie „Judges“, also „Richter“. Der Name ist Programm: Die Judges richten. Nach dem Auftritt eines jeden Teilnehmers übt die Jury Kritik an dem Auftritt, wobei die Rückmeldungen nicht immer nett ausfallen. Der strengste Judge ist bekannt dafür, seine Kommentare mit der Phrase einzuleiten: „Ich möchte jetzt nicht fies sein, aber …“ Er sagt außerdem Dinge, wie: „Ich fand das schrecklich, einfach nur schrecklich. Für mich hat das geklungen wie eine scheußliche, miserable Schulaufführung.“ Zu Jennifer Hudson (spätere Oscar-, Golden Globe- und Grammy-Gewinnerin) sagte er: „Du bist in diesem Wettbewerb fehl am Platz.“ Hin und wieder kam es vor, dass die Jury-Mitglieder ein Kompliment machten, aber sehr oft waren sie streng oder sogar beleidigend.

Im Gegensatz dazu basiert The Voice auf einem Coaching-System, im Zuge dessen Gesangsstars gegeneinander antreten, indem sie versuchen, die Künstler in ihrem Team zum Erfolg zu führen. (Fairerweise muss ich sagen, dass American Idol in späteren Staffeln ebenfalls Mentoren eingeführt hat, was eine Verbesserung war. Zusätzlich gibt es inzwischen mehr Jury-Mitglieder, die selbst Sänger waren und die weniger harsche Kritik üben. Ganz im Zeichen der Zeit wurde die Sendung positiver.) Aufgrund ihrer gemeinsamen Ziele und Interessen bringen die Coaches in The Voice den Künstlern in ihrem Team verschiedene Fähigkeiten und Strategien in Bezug auf deren gesangliche Auftritte bei. Genau wie bei American Idol singen die Kandidaten jede Woche ein Lied und erhalten dafür Feedback von den Experten in der Sendung. Der Unterschied besteht darin, dass die Coaches hier jede Woche mit den Sängern und Sängerinnen zusammenarbeiten, um das Beste aus ihnen herauszuholen – sie sind auf deren Seite. Sie möchten, dass sie Erfolg haben und Selbstvertrauen aufbauen können – in dieser Sendung geht es nicht darum, die Kandidaten mit „geistreichen“ (aber in Wirklichkeit gemeinen und harten) Kritikpunkten zu demontieren.

Für mich zeigt sich der Unterschied zwischen den Fernsehformaten am deutlichsten, wenn ich die Gesichtsausdrücke und Gefühlszustände der Kandidaten beobachte, während sie nach jedem Auftritt auf ihr Feedback warten. In American Idol sehe ich Angst und Nervosität, während die Mimik der Sänger in The Voice von freudiger Erwartung zeugt. Diese Menschen lernen etwas und werden nicht einfach dafür niedergemacht, dass sie es noch nicht können.

Ein ähnlicher Gegensatz zeigt sich darin, wie Sportkommentatoren über die Leistung von Athleten sprechen. Viele Jahre lang konnte ich es kaum ertragen, den Turn-Kommentatoren bei den Olympischen Spielen zuzuhören, weil sie so kritisch und negativ waren. (In den USA bringt die ehemalige Turnerin und olympische Multi-Medaillen-Gewinnerin Nastia Liukin seit Kurzem ein wunderbares Element der Positivität ein und ich hoffe sehr, dass ihr Einfluss zunehmen wird.) Kleine Unvollkommenheiten werden dauernd als „katastrophal“ bezeichnet und Kommentare wie, „Kommt schon, vielleicht kann irgendjemand mal auf dem Schwebebalken bleiben“, „Oh-oh, ein großer Schritt und fast daneben“, oder „Diese Übung ist immer ein Problem für sie“, bilden ein ständiges, negatives Hintergrundrauschen. Im Turnen herrscht eine Kultur der Fehler-Orientiertheit. Das gesamte Punktesystem – welches im Übrigen subjektiv ist – basiert auf Abzügen. Im Gegensatz dazu gibt es beim Kunstspringen – ebenfalls ein Sport mit subjektiver Punktevergabe – Kommentatoren, denen ich sehr viel lieber zuhöre. Sie sind optimistisch, freundlich und legen ihren Fokus viel stärker auf die Dinge, die gut funktionieren, und nicht auf die Dinge, die schieflaufen. Außerdem stellen sie die Sportler nicht bloß. Es herrscht in diesem Sport auch deshalb eine andere Kultur, weil das System Punkte für erfolgreiche Übungen auf einer Akkumulationsbasis vergibt, anstatt Punkte für Fehler und Unvollkommenheiten abzuziehen.

Die Anzeichen dafür, dass Positivität sich in der Gesellschaft ausbreitet, sind manchmal klein. Ein solches Beispiel sind Sprach-verschiebungen. Ich habe neulich gehört, wie eine Freundin das Sprichwort „zwei Vögel mit einem Samen füttern“ verwendet hat, anstatt auf das bekanntere „zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen“ zurückzugreifen. Als ich sie danach fragte, sagte sie einfach, dass ihr die optimistische Version besser gefiele. Mir auch, weshalb ich nun ebenfalls die geänderte Version verwende, wenn ich ausdrücken will, dass zwei Ziele mit einer einzigen Handlung erreicht wurden.

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