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Ohnmächtige Abwehr der Elternschuld (Wildgans)

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In seinem Versepos „Kirbisch oder Der Gendarm, die Schande und das Glück“ schildert Wildgans am Gegenstand des für die Welt(geschichte) einstehenden Dorfes Übelbach zahlreiche Facetten menschlicher Niedertracht. Anders als die absolute Mehrheit anderer Autoren schreckt er nicht vor der Frage nach einer Anthropodizee zurück. Zum Abschluss seines Versepos bietet er als Rechtfertigung für die weitere menschliche Fortpflanzung die Aussicht, jedes neue Menschenwesen könne sich ja aus seinen Träumen selbst eine Welt schaffen. Ohne diese realitätsferne Hoffnung würde sich jede Fortpflanzung mit Schuld in Ansehung der neuen Generation beladen:

„Dornen sind dir gesäet, und Steine werden dein Brot sein,

Ach, wo immer du gehst und wo immer du anklopfst. Denn siehe,

Übelbach ist ja ein Dorf nicht, in seiner Art einzig, kein Ausbund

Unter den Orten und Stätten der erdebewohnenden Menschen,

Übelbach ist ja die Welt, und die derbe Begierde, zu raffen,

Selber in Freveln zu blühn und die Unschuld büßen zu lassen,

Ist ja der Irdischen Art! Noch immer haben die Lauten

Leisere niedergeschrieen, die Rohen die Zarten geknechtet,

Schurken die Guten gemißbraucht! Noch immer auch ruhte das Schicksal,

Welches im Großen bestimmte die Lose der Menschengeschlechter,

Nicht bei den Weisen und Edeln! Nein, immer noch waren's die Gaukler,

Rollenerschleicher der Macht und Fälscher der hohen Begriffe,

Welche mit Lockung und Peitsche für dieses oder für jenes

Wahnwort die gläubige Herde von Schlachtbank zu Schlachtbank getrieben,

Und so werden sie's treiben, solange die Welt steht! Und dennoch:

Auch, solange die Welt steht, wird immer wieder ein reines

Kindlein geboren werden, um dessen willen der Herr die

Erde so schön gemacht und den Herzen die Hoffnung gegeben!

Und eine Mutter wie du – gegrüßet seist du, Maria! –

So es in Demut empfangen und hart und getrost in der Not ist,

Wird ihm die Brüste reichen, auf daß es lebe und stark sei,

Selbst eine Welt sich zu schaffen aus seinen Träumen! Denn anders,

Wenn wir an dieses nicht glaubten für unsere eigenen Kinder,

Wäre die Erde ein Ort der bloßen Verzweiflung, die Zeugung

Schuld nur am neuen Geschlechte, kein Frieden erlöste in Gräbern,

Und es verlohnte sich nicht, den Menschen die Leier zu rühren.“ (Wildgans, Kirbisch oder Der Gendarm, die Schande und das Glück, S. 215f)

Ähnlich wie Sartre mit seinem Weihnachtsstück Bariona, gehört letztlich auch Wildgans zu den Damnatoren – zu jenen Dichtern und Denkern, die zwar eine besondere Einsicht in die Conditio in/humana gewonnen und zum Ausdruck gebracht haben, die aber gleichwohl nicht von der Fortsetzung des Menschheitsexperiments abraten, sondern sich bereitwillig zu Komplizen seiner Fortsetzung machen.

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