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Haushofer, Marlen (1920–1970)
ОглавлениеMarlen Haushofer ist die Autorin des Letzter-Mensch-Romans „Die Wand“ (1963). Von ihrer Biografin, Daniela Striegel erfahren wir, dass ihre katholische Mutter ein Mutterschuldbekenntnis ablegt, als ihre Tochter Marlen 1970, mit 50 Jahren, im Sterben liegt: „Sie ist nicht mehr ansprechbar, leidet unter Krämpfen und fällt ins Koma. Am 19. März schreibt ihre tiefkatholische Mutter ihr: 'Ich denk mir immer, jede Mutter sollte ihre Kinder beim Kommen um Verzeihung bitten, dass sie in diese Welt kommen müssen.' Der Brief erreicht Marlen nicht mehr.“ (Strigl, „Wahrscheinlich bin ich verrückt...“, S. 328)
Dieses Absolution erbittende Mutterschuldbekenntnis ist aus gewöhnlicher Dankbarkeitsrhetorik steil herausragendes Dokument. Statt vom Kinde zu verlangen, es solle auch noch dankbar dafür sein, dass man es in die Gesellschaft der Krankheits- und Todgeweihten kommen ließ, sehen wir die übliche Dankesforderung bei Haushofers Mutter in ein Schuldbekenntnis transformiert. Wer sich als Existenzinitiator betätigte, hat keinen Anspruch auf Dank, sondern die Pflicht zu einer (Wieder-)Gutmachung, die allerdings niemals ganz gelingen kann.