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Die Stunde der Reformer

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Das große Ziel der Reformbewegung bestand also darin, die Freiheit und Reinheit der Kirche zu bewahren oder wiederherzustellen. Der Kampf gegen Ämterkauf, Priesterehe und Laieninvestitur bildete dabei einen Dreiklang, in dem das Ringen um die Bischofseinsetzung nur eine Facette war. Denn für die Reformanhänger stellte sich die folgenschwere Frage, ob die Spendung der Sakramente durch einen unwürdigen oder gar unrechtmäßig ins Amt gekommenen Priester Gültigkeit besaß. Der gestrenge Humbert beantwortete diese Frage mit einem klaren Nein. Der Heilige Geist wende Häretikern schließlich nicht dieselbe Gnade zu wie Rechtgläubigen, so sein Argument, sie könnten daher auch keine gültigen Sakramente spenden. Wer außerhalb der kirchlichen Ordnung stehe, wer selbst nie die Gabe des Heiligen Geistes empfangen habe, sei nicht in der Lage, kirchliche Heilshandlungen zu vollziehen. Seine Meinung blieb von anderen Autoren wie dem hochgebildeten Eremiten Petrus Damiani zwar nicht unwidersprochen, doch sie nährte ernsthaft die Befürchtung, dass frommen Gläubigen, die ihre Sakramente aus der Hand ungeeigneter Priester empfingen, das Himmelreich verschlossen blieb. Das war nun in der Tat für den mittelalterlichen Menschen ein existenzielles Problem. Allein die Kirche vermochte es durch ihre heilsvermittelnde Rolle, die Gläubigen aus Sünde und Tod zu retten. War die Rechtmäßigkeit der Sakramente in Frage gestellt, drohten womöglich Höllenpein und ewige Verdammnis. Die Sorge um das Seelenheil erklärt die Verbissenheit, mit der die Reformkreise um ihre Ziele zu kämpfen begannen. Von der Durchsetzung der Kirchenreform hing weitaus mehr ab, als das kleinmütige Gezerre zwischen König und Papst um die Investiturfrage vermuten lässt.

Einen regelrechten Schub bekam die Reformbewegung ab Mitte des 11. Jahrhunderts, als hintereinander Päpste auf den Stuhl Petri kamen, welche die Wünsche der Erneuerer von oben durchzusetzen trachteten. Den Auftakt machte im Jahr 1046 Papst Clemens II., der zuvor Bischof von Bamberg gewesen war und sein Pontifikat ausgerechnet einem Laien, nämlich dem Salier Heinrich III., dem Vater Heinrichs IV., verdankte. Dieser hatte auf Synoden in Sutri und Rom drei konkurrierende Päpste, denen man Simonie vorwarf, abgesetzt und kurzerhand seinen eigenen Kandidaten durchgesetzt, von dem er sich anschließend zum Kaiser krönen ließ. Heinrich III. handelte dabei durchaus als Anwalt der Reformbewegung, denn solange seine Machtinteressen nicht unmittelbar berührt waren, hatte er gegen etwas mehr Sitte und Moral im Klerus nichts einzuwenden. Clemens II. verstarb zwar wenige Monate nach seiner Amtseinführung, doch ihm folgten weitere Reformanhänger, die allesamt nicht aus Rom, sondern aus dem Reichsepiskopat stammten: Damasus II., Leo IX., Viktor II. Unter ihnen ragte vor allem Leo IX., zuvor Bischof von Toul, hervor, da er eine ganze Schar reformfreudiger Berater mit nach Rom brachte. Humbert von Silva Candida, Hugo Candidus von Remiremont, Friedrich von Lothringen, der spätere Papst Stephan IX., und auch Hildebrand, der spätere Papst Gregor VII., fanden damals ihren Weg in die Heilige Stadt. Geschlossen wurden die Reihen der Reformer von auswärtigen Mitstreitern wie Petrus Damiani, Abt Odilo von Cluny und Erzbischof Halinard von Lyon. Mit dieser intellektuellen Schützenhilfe im Rücken und gestärkt durch die Aura seines Amtes ging Leo IX. daran, die Kirche seiner Zeit umzukrempeln. Unermüdlich reiste er durch die Lande und über die Alpen, ermahnte seine Schäfchen, sorgte für Recht und Ordnung. Nach den Worten von Abt Johannes von Fécamp sei er »überall herumgegangen« und habe »gereinigt, verbessert und korrigiert«. Auf zahlreichen Synoden setzte er Bestimmungen gegen Simonie und Priesterehe durch und förderte wo immer möglich die kanonisch korrekte Wahl von Bischöfen. So machte Leo das Papsttum zur treibenden Kraft und zum Zentrum der Kirchenreform, wodurch es ihm gleichzeitig gelang, den päpstlichen Primat zu stärken. Denn der Oberhirte aus Rom erlaubte sich, häufig gegen den Widerstand der Ortsbischöfe in die einzelnen Gemeinden und Bistümer hineinzuregieren und dem römischen Stuhl in allen kirchenrechtlich relevanten Fragen das letzte Wort zu reservieren. Obwohl das Verhältnis Leos IX. zur weltlichen Macht noch ungetrübt war, berührte er die königlichen Interessen bereits in einem wesentlichen Punkt: Sein Eintreten für die kanonische Wahl von Bischöfen durch Klerus und Volk der Ortsgemeinde focht konsequenterweise die Investiturpraxis des Adels wie auch des Königs an – die Hardliner im Reformlager, zu denen Leos engster Berater Humbert von Silva Candida zählte, witterten Morgenluft. Die Frage nach der rechtmäßigen Investitur barg das Konfliktpotenzial der Zukunft.

Heinrich in Canossa gedemütigt!

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