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Verhärtung der Fronten

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Wie sich die Fronten langsam, aber sicher verhärteten, zeigte die von Leos Nachfolger Nikolaus II. 1059 einberufene Lateransynode, auf der Beschlüsse von ungeheurer Tragweite gefasst wurden. Der aus dem Reformland Burgund stammende Papst erließ im Kreise der 113 versammelten Bischöfe den folgenschweren Grundsatz, »dass auf keinen Fall irgendein Kleriker oder Priester eine Kirche durch einen Laien übertragen bekommt, weder gratis noch durch Geldzahlungen«. Zunächst bezog man die Bestimmung nur auf das Eigen- und Niederkirchenwesen, doch war es lediglich eine Frage der Zeit, bis die Forderung mit voller Wucht das königliche Investiturrecht torpedierte. Denn dass Nikolaus II. auch den König und Kaiser zu den Laien rechnete, der in Angelegenheiten der Kirche kein Mitspracherecht besitze, machte er in seinen folgenden Reden klar. Die vor Reformeifer fiebernden Synodalen gingen sogar noch einen Schritt weiter und einigten sich auf eine Neuregelung der Papstwahl. Sie bestimmten, dass der Papst grundsätzlich auch außerhalb Roms gewählt werden könne, wenn in der Heiligen Stadt kein reibungsloser Ablauf gewährleistet sei. Damit hofften die Konferenzteilnehmer, den stets krawallwütigen römischen Stadtadel in die Schranken zu weisen. Gleichzeitig begrenzten sie den Kreis der Wahlberechtigten auf die Kardinalbischöfe, die als Erste nach dem Tod eines Papstes über dessen Nachfolge beraten sollten. Ihnen kam ein ganz entscheidendes Vorwahlrecht zu, während die anderen Kardinalkleriker, die Kardinalpriester und -diakone, erst später hinzugezogen werden sollten und dem übrigen Klerus und dem Volk von Rom nur noch ein formelles Zustimmungsrecht zustand. Damit war der Weg für das bis heute gültige Exklusivwahlrecht des Kardinalskollegiums geebnet, dessen Mitglieder sich als die wichtigsten Berater des Papstes verstanden und durch den liturgischen Dienst an den fünf römischen Hauptbasiliken auszeichneten. Auf den König und Kaiser als »Papstmacher« konnten die Synodalen dagegen gut und gern ganz verzichten, sie waren nur mehr bereit, ihm die »schuldige Ehre und Reverenz« zu erweisen. Mit diesem Gummiparagraphen sandten die Seelenhirten zwar ein versöhnliches Signal an die kaiserliche Seite, doch dass sie damit den hochgesteckten königlichen Ansprüchen nicht gerecht wurden, war ebenso offensichtlich. Wie ernst es Nikolaus II. und seine Mitstreiter mit der Erneuerung der Kirche meinten, zeigten nicht nur die erneuten und verschärften Verbote gegen Simonie und Priesterehe, die vom Aufruf an das Kirchenvolk begleitet waren, Gottesdienste von nicht zölibatär lebenden Priestern zu boykottieren, sondern auch die außenpolitische Kehrtwendung hin zu den Normannen. Um dem erdrückenden Einfluss der Könige und Kaiser nördlich der Alpen zu entgehen, schloss Nikolaus mit den in Süditalien eingefallenen Normannen ein folgenschweres Bündnis: Die bewährten Kriegsherren Robert Guiscard und Richard von Aversa und Capua nahmen ihre Eroberungen in Unteritalien vom Papst zu Lehen und leisteten ihm einen Treueid, mit dem sie sich unter anderem verpflichteten, im Falle einer strittigen Papstwahl den Kandidaten der »besseren« Kardinalshälfte zu verteidigen. Damit hatte sich Nikolaus einer schlagkräftigen Truppe versichert, die zwar weiterhin ihre eigenen machtpolitischen Ziele verfolgte, aber immerhin ein Mindestmaß an Unabhängigkeit vom Salierhof garantierte. Dort reagierte man auf die neue Bündniskonstellation denn auch ziemlich verschnupft. Mit der Lateransynode von 1059 waren somit Grundsatzentscheidungen getroffen, welche eine Machtprobe zwischen geistlicher und weltlicher Macht in absehbarer Zeit wahrscheinlich machten.

Die Zeichen standen längst auf Sturm, als Nikolaus II. 1061 starb. In dem Gerangel um seine Nachfolge konnte sich der Kandidat des Hofes, Honorius II., bezeichnenderweise nicht mehr durchsetzen und musste das Feld dem reformfreundlichen Alexander II. überlassen, der sofort daran ging, den Klerus in Rom und in den italienischen Einflussgebieten zu reformieren. Strittige Rechtsfälle holte er an die Kurie, womit er deutlich machte, dass Rom die Entscheidungsinstanz in allen Kirchen- und Disziplinarfragen war. So zitierte er beschuldigte Priester nach Rom, suspendierte belastete Kleriker und wachte mit Argusaugen über die rechtmäßige Einsetzung von Bischöfen. Erstmals stießen die päpstlichen und königlichen Machtansprüche in Mailand aufeinander, wo der amtsmüde Erzbischof Wido 1070/71 resigniert und seine Würde gegen eine hohe Geldzahlung dem Subdiakon Gottfried überlassen hatte. König Heinrich IV. akzeptierte den Handel und investierte Gottfried, doch in Mailand sah die Lage anders aus. Hier fanden Anhänger der Kirchenreform mit der sozial motivierten Volksbewegung der Pataria zu einer ziemlich radikalen Gruppierung zusammen, die nach dem Tod Widos mit Erlaubnis des Papstes den Kleriker Atto zum neuen Erzbischof wählte. Es entstand ein Patt, weil sich keiner der beiden Gekürten durchsetzen konnte, sodass der traditionsreiche Mailänder Erzbischofsstuhl eine ganze Weile vakant blieb. In dem Streit griff der Papst allerdings zu einer neuen Waffe, deren volle Schlagkraft sich erst in der Zukunft erweisen sollte: Er exkommunizierte fünf Berater Heinrichs IV., die in die Mailänder Machenschaften verwickelt waren, wegen Simonie. Doch Alexander II. starb zu früh, um den drohenden Streit mit dem König noch selbst entschärfen zu können. Sein Nachfolger auf dem Apostolischen Stuhl zählte allerdings nicht gerade zu den kompromissbereiten Kandidaten aus dem Lager der Reformer: Mit dem Amtsantritt Gregors VII. erhielt die Auseinandersetzung um den Mailänder Bischofsstuhl eine ganz neue Qualität.

Heinrich in Canossa gedemütigt!

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