Читать книгу Spring! - Karina Förster - Страница 13

Kapitel 8

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»Mein Schlüssel ist in der Tasche. Und die Tasche ist in deiner Hand.«

»Oh, klar.« Er reicht mir die Tasche. »Jede Wette, ich finde allein dadurch, dass ich deinen Schlüssel in meiner Hand halte und die Namen an den Klingelknöpfen lese deine Wohnungstür.«

Ich schnaube aus. »Du und deine Wetten. Aber Kai und du, ihr könntet euch auf dem Jahrmarkt eine goldene Nase verdienen«, spöttele ich.

»Darf ich?«, fragt er meinen Spott ignorierend.

»Was ist der Einsatz?«, will ich wissen und sicher ist nur eine legale Wette.

»Das gute Recht. Wir wetten nur um das gute Recht.«

Ich überlege einen Moment und stimme zu.

»Okay, da kann ich mitgehen. Das ist moralisch nicht verwerflich und tut niemandem weh.«

Yanick geht zu der Tür und studiert dort die Namensschilder. Unterdessen krame ich in der Tasche nach dem Schlüsselbund. Wie immer liegt der Schlüssel dort, wo meine Hand nicht ist.

»Das wird leicht«, kündigt er selbstsicher an und ich schüttele meinen Kopf. Mir ist klar, dass er diese Wette nicht ohne Schummelei gewinnen würde. Einzig das WIE macht mich neugierig.

Endlich habe ich den Schlüssel gefunden. Ich betrachte Yanick, der jeden Namen auf den Klingelknöpfchen mit angestrengtem Gesichtsausdruck liest. Seine Hand hält er mir ausgestreckt hin und ich lege meinen Schlüssel hinein. Er schließt seine Finger um den Schlüssel und konzentriert sich. Ich bekomme jetzt also eine Extra-Vorstellung Er muss ja denken, dass ich komplett blöde bin.

Mag sein, ich bin es. Einmal doof gestellt reicht für eine ganze Woche. Nur, der Gedanke an den Kuss auf der Terrasse rechtfertigt doch eine Torheit, oder? Schon wieder schmunzele ich in mich hinein. Soll er sich doch dort an der Tür abmühen. Notfalls kann ich ihm ja die Tür zeigen. Ist aber süß, wie ernsthaft er die Sache angeht. Er versucht doch zu bluffen!

Gedankenversunken betrachtet er sich nun den Schlüsselbund. Er nimmt einen Schlüssel, sieht zu mir und steckt den Schlüssel in den Zylinder. Gut. Den ersten Schlüssel hat er gefunden.

Im Hausflur stellt er sich vor die Briefkästen und betrachtet sich alle. Dann geht er die Treppen hinauf, mustert jede Tür eingehend und den Schlüsselbund in seiner Hand. Ab und zu lächelt er mich an, bleibt stehen, schüttelt seinen Kopf und geht eine Etage weiter höher.

So wiederholt sich seine Schauspielkomödie auf jeder Etage, bis er vor einer Tür steht und dort lange überlegt. Er schaut zu mir und steckt den Schlüssel in das Schloss und … dreht ihn um. Noch ein Blick zu mir und er öffnet die Tür.

Abgebrüht wirkt sein Lächeln auf mich und er lässt mir den Vortritt in meine Wohnung. Ich nehme mein Recht als Wohnungsinhaberin wahr und steige grinsend die letzten Stufen hinauf, trete in meine Zwei-Raum-Wohnung ohne ihn aus den Augen zu lassen. Er lächelt immer noch – siegesgewiss.

Ich bitte ihn mit einer eindeutigen, aber stummen Geste hinein und er sieht sich ebenso interessiert um, wie ich es bei ihm tat.

Ich mache das, was ich immer mache, wenn ich heimkomme. Wie gewohnt werfe ich mein Schlüsselbund in eine Schale, die auf dem kleinen Regal im Flur steht und gehe in die Küche. Mein Kater miaut mich an, als ich den Schrank öffne, in dem sein Futter lagert. Sein weißer Kopf knallt gegen mein Schienbein. Dass er sich aber auch immer die schmerzhafteste Stelle für seine heftige Liebesbekundung aussuchen muss!

»Hallo mein Schatz! Hast du mich vermisst? Ja, ich dich doch auch«, flüstere ich ihm beruhigend zu. »Ich war auf einem Boot, aber jetzt bin ich wieder hier.«

Yanick beobachtet uns an den Türrahmen gelehnt.

»Das ist Schmitti.«

»Hallo Schmitti.«

Schmitti sieht zu ihm, miaut kurz, als er seinen Namen hört, widmet aber sofort wieder die volle Aufmerksamkeit seinem Fressnapf, den ich ihm reiche. Gierig schnappt er sich die zerkleinerten Brocken und ich streichele seinen Rücken.

»Sieh dich ruhig um, fühl dich wohl. Ich bin gleich wieder da«, sage ich zu Yanick und verlasse die Küche.

Er steht mit Schmitti am Fressnapf.

Im Bad stelle ich mich vor den Spiegel und sehe in mein Spiegelbild. Meine Haare sind offen und ich beginne mich sorgsam zu kämmen. Anschließend flechte ich mir einen Zopf und stecke ihn hoch, damit er beim Duschen nicht nass werden muss. Zuvor reinige ich mir meine Füße im Waschbecken. Die Hose von Lisa ziehe ich mir aus und falte sie.

Die Tür öffnet sich und Yanick tritt mit Schmitti auf dem Arm ein.

Er sieht sich um.

Also doch dreist.

Aber warum wundert oder ärgert mich das nicht?

Schmitti springt von seinem Arm und läuft hinaus. Auch das wundert mich wenig. Es ist sowieso ungewöhnlich, dass Schmitti auf seinem Arm saß. Er hasst Männer und beißt sie gerne mal. Sein Herz hat wohl zu schnell geschlagen und Schmitti erschreckt.

Ich ziehe mich, ungeachtet der Anwesenheit meines Besuchers, weiter aus. Ich falte nun Lisas Strickjacke in aller Seelenruhe. Er setzt sich auf den Badewannenrand und beobachtet mich aufmerksam.

Als alles ordentlich liegt, trete ich vor die Dusche und entledige mich dort meines Bikinis, als ob Yanick nicht im Raum anwesend wäre. Ich öffne den Duschknauf und ein Nieselregen fällt sanft wie Frühlingsregen auf mich hinab. Anschließend drehe ich mich und erblicke Yanick, der sich vor der Dusche befindet und sich ohne Hast entkleidet. Ein Schritt und er steht vor mir. Wie schon auf seiner Terrasse schlägt mein Puls bis zu meiner Schläfe, macht mir das Denken unmöglich und zwingt mich beinahe in die Knie.

In meiner Hand halte ich sein Geschenk und reiche es ihm jetzt:

»Herzlichen Glückwunsch«, flüstere ich und lege meinen Bikini in seine Hand. »Ist es das, was du wolltest?«

Er sieht zu seiner Hand hinab, in der jetzt mein Bikini liegt und lacht gelöst.

»Auch«, gibt er zu und mir ist klar, dass er weiß, es folgt ein Weiteres. »Ist es für dich in Ordnung, wenn ich mir Ninette vom Leib wasche?«, fragt er und ich nicke.

Klar will ich das.

Solange er sich nach Pflegeartikel umsieht und sich reinigt, betrachte ich ihn. Er wirkt auf mich ebenmäßig und perfekt modelliert. Der erste Mann, den ich nackt an mich heranlasse. Auf manche Ebenen spricht er meine Sinne an und mein Körper reagiert eindeutig. Ebenso wie seiner.

»Es ist leicht, zu erkennen, bei welcher Eingangstür ich mit meiner Mimik reagiere«, beginne ich und beobachte sein Gesicht aufmerksam. Ein Lächeln huscht über sein Gesicht. Also liege ich richtig.

»Dein rechter Mundwinkel hat dich verraten. Du hast dich gefreut. Und unten vor der Tür hast du zu deinen Fenstern hochgesehen.« Seine Augen wirken bei dem Licht schwarz und ich spüre meinen Puls bis in jeden Zellkern. Mein Atem geht flach, als er sich ganz nah zu mir stellt.

»Vermutlich habe ich dir den Weg weisen wollen«, hauche ich.

Das Duschwasser glättet seine Kopfhaare und läuft in dicken Rinnsalen an ihm herunter. Es tropft aus seinen Haaren und berieselt meine Haut. Kein Mann war mir bislang so nah. Noch keinen Mann wollte ich so nah lassen.

»Vielleicht.« Weniger als ein Hauch hat er dieses Wort geflüstert.

Deren Wirkung spüre ich dennoch in meinem Gesicht, als hätte er mich mit seinen Händen gestreichelt. Ich bin erregt, obwohl ich kaum etwas von ihm weiß. Obwohl ich mich dagegen gewehrt habe. Gegen diese Gefühle bin ich scheinbar machtlos.

» мо́жет быть - Mozhet büjt (Vielleicht)«, flüstere ich und berühre seine Oberschenkel. Er schließt die Augen und erneut strömt sein Atem über meine Haut.

Ich habe seinen Anblick schon genossen, als er die Leiter zum Boot hinaufkletterte. Mit meinen Fingern fahre ich seinen Körper entlang und er genießt diese Liebkosung. Sein Atem geht flach. Ich gleite hinauf zu seiner Hüfte und halte inne, um ihn anzusehen.

Wir existierten nur noch in einer stillen, dunklen Welt, die nicht von dieser zu sein scheint. Alle Fragen und Ängste schweigen in dieser ehrwürdigen Sekunde. Mein Mund öffnet sich einen winzigen Spalt.

Er sieht es und sofort spüre ich seine samtweichen Lippen. Gefühlvoll und die Seele streichelnd verschmelzen sie mit meinen. Seine nassen Arme umschließen mich und schieben mich verlangend an seinen Körper. Dieser Kuss ist himmlisch und es ist leicht, eins mit ihm sein zu wollen. Ich drehe den Wasserhahn zu.

Yanick verlässt die Dusche und holt ein Handtuch. Er wickelt uns darin ein. Tänzelnd schiebt er uns in mein Schlafzimmer. Unsere Münder bleiben dabei aufeinander.

Dort angekommen flüstert er: »Ich wollte dich unbedingt. Wie nie etwas zuvor in meinem Leben. Es tut mir leid, dass ich unseren Start vermasselt habe.«

Schnell lege ich meinen Finger auf seinen geschwungenen Mund. Daran will ich jetzt nicht mehr denken und streife das Handtuch von unseren Körpern. Es fällt zu Boden.

Später liege ich im Bett und schaue von meinen Sinnesempfindungen überwältigt, an die Decke. Nie hätte ich gedacht, dass es sich so anfühlt. Noch immer bin ich außer Atem. Ich liege erschöpft neben ihm und sehe ihn lächeln. Mein Körper fühlt sich an, als sei er Achterbahn in das Universum gefahren. Ich bin noch immer berauscht und elektrisiert. Nie im Leben habe ich mir derartige Gefühle in so einem Einklang der Körper und Herzen vorgestellt.

»Darf ich bei dir bleiben?«, höre ich seine vom Glück trunkene Stimme und spüre, wie er mit einem Finger meine Gesichtszüge nachfährt, als male er auf Leinwand.

»Bis Montag früh. Danach trennen sich unsere Wege.« Lächelnd drehe ich mich zu ihm, schnuppere an seiner weichen Haut, die von einem leichten Schweißfilm überzogen ist und salzig schmeckt. Sie ist weich und warm. Unwiderstehlich und ich beiße vorsichtig hinein.

»Bis Montag?«, fragt er und ich bestätige mit einem Kopfnicken. »Wegen der Wette?«

»Vielleicht.«

»Du bist herzlos und eiskalt wie der sibirische Winter!«, wirft er mir schmollend vor und zieht mich dennoch in seine Arme.

Ich schmiege mich mit meinem Rücken an ihn. Ein Kuss in meinen Nacken kitzelt mich und sein Atem lässt tausende Schmetterlinge in meinem Bauch fliegen.

»Das war ich heute Morgen noch nicht. Umgang formt«, kontere ich und kämpfe nicht mehr gegen die Müdigkeit an, die mich eingeholt hat und sich sanft über mich legt.

»Liebe formt ebenso«, kontert er zurück. Er legt seine Hand entschieden und beherzt um meine Taille, bis mir in dieser sicheren Umarmung meine Lider zufallen.

Nachdem ich spät am Vormittag erwache, ist sein Antlitz das Erste, was ich wahrnehme. Ein Lächeln huscht über meine Lippen. Als wäre er mein Spiegel, antwortet er mit breit gezogenem Mund und strahlenden Augen.

»Guten Morgen. Du bist nicht gegangen?« Ich ging davon aus, dass er nach meinen Worten gehen würde. Ist er aber nicht und irgendwie bin ich froh darüber ohne es genau erklären zu können.

»Guten Morgen. Es ist Dienstag um sechs Uhr in der Früh. Noch eine Menge Zeit bis Montag.« Heute ist Sonnabend und er will mich necken, indem er die Tage vertauscht. Dementsprechend huscht mir über diese Dreistigkeit wieder ein Lächeln über den Mund. Unter der Decke fährt er mit seinen Fingern seitlich an meinen Armen entlang.

Ich grinse und Yanick schlägt die Decke zurück. Er will mich bei seinen Zärtlichkeiten ansehen können. Bedächtig fährt er über meine Haut. Seine Augen folgen den Fingern.

Dabei bemerkt er den Fleck zwischen uns. Der prangt mitten zwischen uns. Genau auf Beckenhöhe. Yanick zieht seine Brauen zusammen.

Er wirkt erschrocken und sieht mich mit auffällig großen Augen an. Dann weicht sein Schreck der Erkenntnis.

Weil ich schweigend und gelassen den winzigen dunklen Punkt betrachte, fragt er »Du bist?«

»Ich war …«, kläre ich ihn in aller Seelenruhe auf, weil er jetzt hochfährt. Seine Mine bietet die gesamte Bandbreite an Emotionen auf. Fast muss ich darüber lachen.

»Ich habe nichts gemerkt«, bringt er schließlich hervor und beäugt mich argwöhnisch.

»Das sollte dich nicht erstaunen, weil es doch nur für dich spricht und ich wollte es nicht thematisieren«, beruhige ich ihn und lächele zufrieden.

»Und dir geht es gut?«, fragt er nun besorgt? Anscheinend bin ich seine erste Jungfrau. Das ist süß.

»Aber ja, nur habe ich jetzt Hunger, wie ein sibirischer Wolf«, lache ich. Er zieht mich hoch, saust mit mir an der Hand in die Küche, aus der Schmitti sich miauend verzieht. Wir bereiten uns nackt und uns immer wieder küssend ein verspätetes Frühstück.

Das essen wir am Tisch sitzend. Er grinst mich immer wieder breit an und schüttelt den Kopf. Ich will gar nicht erst wissen, welche Gedanken ihn da durchschweifen. Ich grinse einfach zurück.

»Was geht dir durch den Kopf?«, frage ich ihn nach einer Weile. Ich lehne mich zurück. Er hat mir seit zwei Minuten ununterbrochen und aufmerksam beim Kauen zugesehen.

»Mein Vater. Er mochte dich.«

»Das muss an meiner netten Art liegen. Da muss erst eine in einem Bikini kommen, den du nicht einmal magst«, spöttele ich und grinse keck. Dann trinke ich aus meiner Tasse.

»Nette Art?«, lachend wirft er seinen Kopf in den Nacken. »Wenn du so willst. Er sagte mir, ihm erschien es so, als ob sich ein lang verheiratetes Ehepaar stritt.«

»Was lachst du da? Ich war freundlich und höflich.« Seine Bemerkung überhöre ich absichtlich.

»Im Ernst, Ella. Ist dir noch nie aufgefallen, dass du unglaublich schön bist?«

»Irgendwann bin ich alt und runzelig, falls es mich nicht schon morgen hinrafft und ich es überhaupt erleben darf. Da ist es doch heute egal, ob ich schön bin oder nicht. Meine Mutter war bildschön und glaube mir, dem Tod war das gleichgültig«, entgegne ich und stelle die Tasse geräuschvoller als beabsichtigt ab. Schönheit hat schon meiner Mutter nicht viel geholfen. Ich lehne Oberflächlichkeiten nicht nur aus diesem Grund ab.

»Deine Mutter lebt nicht mehr?«

Schweigend sehe ich in die Tasse und bejahe nickend.

»Das tut mir leid. Du bist wunderschön und ich rede nicht nur von deinen Äußerlichkeiten. Ella, sein Herz blieb fast stehen«, beklommen senkt er den Blick und fügt mit leiser Stimme hinzu: »Mein Herz auch.«

»Vor Schreck?«, frage ich grinsend, werde jedoch schnell ernst, als er seinen Blick zu mir hebt und ich darin sein Herz entdecken kann. Yanick verneint kopfschüttelnd und sieht schamhaft auf den Tisch hinunter. Seine Finger fahren unruhig die Maserung entlang. »Nein. Ganz sicher nicht deswegen. Alle reden immer über Geld.«

»Ich habe aber auch über Geld mit ihm geredet.«

»Du verstehst nicht.«

»Scheinbar«, sinniere ich und denke dabei an Ninette. Sie ist das beste Beispiel, wie ich mal nicht werden will. »Zu viel Geld verdirbt den Charakter«, necke ich ihn. Er greift blitzartig zu meiner Hand herüber und versucht sie zu haschen. Doch ich bin schneller und entziehe mich laut frohlockend.

»Hör auf, so zu reden! Ich habe keinen verdorbenen Charakter.« Für einen Moment wird sein Gesicht ärgerlich und er deutet mit dem Zeigefinger energisch auf die Tischplatte. »Ich bin mir zu eintausend Prozent sicher: Wäre das wirklich deine Meinung über mich, dann würde ich hier nicht sitzen.«

Das war nicht meine Meinung und es tut mir schlagartig leid, dass ich ihn auf diese Art necke. In der gemeinsamen, wenn auch wenigen Zeit, habe ich das längst bemerkt.

Ich gehe zu ihm, positioniere mich, bis er zu mir empor sieht. Niedergedrückt sehen seine Augen an mir hinab und ziehen mich an sich. Ich setze mich quer über seine Schenkel und lege meinen Arm um seine Schulter. Es ist rücksichtslos zu hänseln, wenn jemand wenig Geld besitzt, aber genauso gut auch umgekehrt. Und ihn verletzt es eindeutig, dass ich ihn damit aufziehe.

»Du hast recht. Du würdest hier nicht sitzen«, sage ich kleinlaut und küsse ihn entschuldigend. Schnell wird der Kuss lebendig, immer temperamentvoller, bis er stürmisch und lustvoll seufzt. »Aber ich bin durch und durch verdorben und ich werde dich fressen. Montag ist nichts mehr von dir übrig.«

Ich habe mich zu seiner Halsbeuge gearbeitet und werde bei diesen Worten unwirsch weggedrückt. Wieder stehe ich vor ihm und sehe verwirrt zu ihm hinab.

Meine Worte kamen einer Ohrfeige gleich, begreife ich und will ihn wieder zu mir ziehen. Doch er schüttelt energisch seinen Kopf, schiebt mich von sich. Ich lasse von ihm ab. Erst da erfasse ich, was ihn bekümmert. Unsere gemeinsame Zeit ist endlich und ich habe ihn an Montag erinnert. Vorsichtig lege ich meine flache Hand unter sein Kinn und schiebe es so, dass er mich ansehen muss.

»Noch ist nicht Montag«, flüstere ich. »Heute ist doch erst Dienstag.«

Er lächelt schon wieder, wenn auch zaghaft. Gebeugt beginne ich seinen Mund zu suchen, den er mir zuwendet und mich nicht wieder fortstößt. Im Gegenteil. Schnell wird er wieder innig und fieberhaft. Vor ihm auf seinen Schoß sitzend, spüre ich schnell, wie sehr ich ihn entfache und befeuere. Wieder sitzt er seufzend unter mir und gibt sich meinen Küssen hin.

Seine Bewegungen unter mir sind völlig klar und spornen mich an. Unser Atem geht flach und wir sind still, als wir uns verbinden.

Mit offen begehrendem Mund sieht er mich an und genießt den Moment. Erst danach macht er einen Atemzug. Es ist Leidenschaft pur und er schließt für eine Sekunde seine Augen. Aus seinem Mund haucht er ein Oh und ich nehme es in meinen Mund auf. Entrückt löst er sich allmählich unter meinen Bewegungen auf. Er erzeugt einen Sog, als er zitternd zu mir sieht. Ich empfinde es als ein mitreißendes Meer. Seine hellbraunen Augen laden mich ein.

Mit halb geschlossenen Augen ertrinkt er bereitwillig. Ergriffen sehe ich seiner Wonne zu. Er reißt mich auf seltsame Weise mit sich und ich folge bedenkenlos. Ich tauche ihm nach, in ein mir unbekanntes Meer, wo er zu tausend Einzelteilen zerfällt.

Der Erregung folgt ein Zustand absoluter Verzückung. Ich bin fern von allen Orten. Fasziniert will ich ein Teil von ihm berühren und sehe, dass sich meine Hand ebenfalls zerfällt. Alles formiert sich neu, wird gemeinsam zu etwas, das nur durch sich selbst genährt wird. In sich vollkommen und doch unvollkommen. Alles und nichts. Leer und voll zeitgleich. Gerührt und erschüttert über meine Empfindungen besiegele ich das Erlebte mit einem Kuss. Yanick umklammert mich fest.

Unter mir beginnt sein Körper zu schlottern und ich rücke verstört ab, um zu sehen, was ihn so ängstigt.

Seine Augen spülen Träne um Träne hinaus. Ich ziehe ihn zu mir und wiege ihn leicht. Er reißt sich nicht zusammen und das muss er auch nicht. Der Tränenfluss ist ebenso wahrhaftig er. Genauso, wie er unwiderlegbar ein Teil von mir im Meer war und vermutlich schon lange davor. Seit Ewigkeiten. Niemand von uns braucht das aussprechen.

Sein Kummer ist der nahende Montag und ich würde lügen, wenn es nicht auch meiner geworden wäre. Wie könnte es nach diesem Erlebnis sein?.

Und dennoch ...

Je näher meine Frist rückt, desto gedrückter wird seine Stimmung.

Sein Blick wird trauriger, seine Stimme nachdenklicher. Er fragt mich viel und hört gefesselt zu, wenn ich von meinen Erlebnissen auf Tanz-Turnieren und von meiner Familie erzähle.

Er erfährt, dass ich Einzelkind bin. Darum beneidet er mich, denn er ist Zwilling.

»Ihr seid zweieiige Zwillinge.«

»Ja.«

»Ich hätte mir ein Geschwisterchen gewünscht«, gestehe ich und hole meine Fotokiste.

»Wollten deine Eltern keine weiteren Kinder?«

»Keine Ahnung und selbst wenn. Dazu kam es nicht mehr.«

»Warum nicht?«

»Meine Großeltern haben mir erzählt, dass mich mein Vater nach dem Tod meiner Mutter nicht wollte. Er hat Mutter und mich wegen einer anderen verlassen.«

»Hast du denn nie Kontakt zu ihm gehabt?«

»Nein. Er hat sich nie interessiert.«

»Das kann doch aber auch andere Gründe haben. Es gibt so viel, was einen Mann daran hindern kann Kontakt zu seinen Kindern zu halten.«

Ich wühle in der Kiste und habe nicht ein Foto von ihm. »Ich habe noch nicht einmal ein Foto.«

»Merkwürdig. Weißt du denn etwas über ihn?«, fragt Yanick und sieht sich das Foto in meiner Hand an.

»Er war Kinderarzt. Er roch nach Desinfektion und ich war oft in seiner Praxis, weil meine Mutter dort auch arbeitete. Sie war gelernte Krankenschwester.«

»Hast du die Augenfarbe von deinem Großvater?«

Ich nehme ihm das Foto aus der Hand. Ein Porträt meines Großvaters. Er war sehr jung und seine Augen scheinen zu leuchten. »Ja, antworte ich. Meine Mutter auch.«

Ich suche ein Foto meiner Mutter heraus und reiche es ihm. »Eigentlich kann ich überhaupt nicht einschätzen, wem ich ähnlich bin. Ich kenne ja nur die eine Linie.« Ich wühle in der Kiste und ich habe nicht ein Foto von ihm. »Ich habe noch nicht einmal ein Foto.«

»Die Augen jedenfalls aus der großväterlichen Linie«, sagt Yanick und zieht ein weiteres Foto aus der Kiste.

»Das ist sie«, erkläre ich. Er nickt stumm.

Ich lege meinen Kopf auf sein Bein, damit ich ihn ansehen kann, während er sich die Fotos von mir ansieht. Ab und zu hält er mir eines vor die Nase und ich erzähle ihm die Geschichte dazu.

»Hier bin ich ein Jahr. Mit meiner Mutter in unserem Innenhof.« Er lächelt und betrachtet sich das Foto.

»Ich hätte sie gerne gesehen. Du ähnelst ihr sehr, so hübsch.«

»Das bin ich nicht«, sage ich genervt. »Alle sagen die schöne Warwara. Es gibt Schlimmeres, ich weiß, aber ich finde es oberflächlich und schrecklich. Niemand sieht den Menschen dahinter.«

»Heißt das, dass niemand sagen darf, dass du schön bist?«

»Ich will es nicht wissen. Was für mich zählt, ist das, was den Menschen ausmacht.«

»Selbst wenn sie buckelig sind, übel riechen und wirklich hässlich sind?«

»Solange sie menschlich nicht hässlich sind, interessiert mich das nicht«, gebe ich zu.

»Was ist für dich menschlich hässlich?«, fragt Yanick und stellt die Kiste beiseite.

»Lügen, stehlen, morden und alles, was darunter fällt«, antworte ich.

»Verstehe. Aber du wirst eines Tages schöne Kinder haben.« Zärtlich streicht er mir eine Strähne aus der Stirn und grinst breit. Ach ja, er wollte ja der Vater sein, denke ich schmunzelnd und will mich nicht die wenige, verbleibende Zeit darüber streiten.

Irgendwann liegen nur noch wenige Stunden vor uns, als ich in das Wohnzimmer gehe und Yanick nackt und ausgestreckt auf dem Teppich liegend sehe. Mit geschlossen Augen liebkost er Schmitti, der auf seinem Brustkorb liegt und es sich dort gemütlich gemacht hat. Gegen den Türrahmen gelehnt beobachte ich die Szene. Er zeigt Yanick, wo er gekrault werden möchte und der geht darauf ein. Offensichtlich mag Schmitti ihn, denn so nah lässt er nur wenige Menschen. Selbst Uta geht er gerne aus dem Weg. Ein schönes Bild.

Und dennoch …

»Was denkst du?« Aus meinen Gedankengängen aufgeschreckt, fühle ich mich ertappt bei Vorstellungen, die mir noch nie in den Sinn kamen. Durch seine dunklen Wimpern hat er mich beobachtet. Ich gehe zu ihm.

»Hier. Das liebt er«, sage ich und verrate ihm eine geheime Liebkosung, die meinen Kater schmelzen lässt. Dazu fahre ich den Rücken von Schmitti entlang, mache kurz vor dem Steiß halt und massiere diese Stelle. Sofort krümmt sich sein Kreuz genießerisch. Er miaut erfreut und fährt ein wenig seine Krallen aus. Das macht er bei anderen Streicheleinheiten nicht, aber hier kann er einfach nicht anders. Es ist der Turbo und sofort beginnt er zu häkeln. Schmerzverzerrt verzieht Yanick sein Gesicht. Die Krallen bohren sich in seine Haut. Lachend krümme ich mich, erlöse ihn aber und stupse Schmitti an. »Ab!«, kommandiere ich und mein Kater pariert. Er springt vom Brustkorb, wenn auch widerwillig.

»Er wollte wohl mal Hund werden, was? Eine Katze, die auf Kommandos hört?«, fragt Yanick und besieht sich seinen Brustkorb.

Ich lache, denn ich weiß, dass er die Eigenheiten von Schmitti schnell erkannt hat. Er ist keine normale Katze.

»Er mag dich und du solltest dankbar sein, dass er dich nicht schlägt und anfaucht, denn er ist sehr besitzergreifend.«

»Das kann ich auch sein und da jetzt hier ein Platz frei geworden ist, komm du her. Wenn du schon mal hier bist, sollte es nicht kalt neben mir werden.«

Er zieht mich zu sich hinab und legt mich quer über seinen Oberkörper. In einer schnellen Drehung liege ich neben ihm.

Er erzählt mir, dass er Pläne für eine eigene Anwaltskanzlei hat. Schon seit Jahren ist er an der Planung beschäftigt. Die notwendige Zulassung der Rechtsanwaltskammer steht noch aus. Sie entscheidet darüber, ob er alle Auflagen erfüllt, um sich selbstständig machen zu können.

Ich kann ihn mir im Anzug vorstellen, auch wenn ich ihn in lässigen Klamotten kennengelernt habe und ohne. Auch vor Gericht sehe ich ihn. Ich sehe ihn mit Soße am Kinn vor dem Döner-Imbiss und mit den Fingern aus einer großen Schüssel Spirelli essen. Ich sehe ihn nur nicht in dieser riesigen Villa.

Wahrscheinlich, weil es eine andere Welt für mich ist. Sie ist zu weit weg, um sie mir hier vorstellen zu können. Eine Welt, die uns trennt, auch wenn es hier scheinbar keinen Unterschied zwischen uns gibt. Ich und ein Rechtsanwalt.

Er bewegt sich beruflich und privat in der gehobenen Gesellschaft, die sich gerne nach unten abgrenzt. Aber dieses unten bin ich und ich frage mich, wie er Wasser und Öl mischen will.

Will er es überhaupt mischen? Er ist bis Montag hier und danach geht mein Leben weiter.

»Ich habe in der Küche Fotos von deiner Gruppe gesehen. Ihr habt angemalte Gesichter. Alle sehen so fröhlich aus.«

»Das war beim letzten Sommerfest im Kindergarten. Es ist immer schwer Kinder in die Schule zu entlassen. Ich sehe sie aufwachsen, ihre Entwicklung. Manchmal ist die so auffallend intensiv. Dann gehen sie. Das finde ich traurig, obwohl es sein muss. Manche Kollegen betreuen jetzt die Kinder von ihren ehemaligen Kindern. Das will ich später auch mal. Kinder sind so natürlich. Nicht aufgesetzt. Sie werden erst von der Umwelt verdorben.«

So, jetzt habe ich meine Ziele auch erklärt und ihm dürfte klar sein, dass ich bodenständig bin. Was wollte er denn schon mit einer Kindergärtnerin?

»Ella!«, flüstert er nach einer Weile, die wir uns stumm ansehen. »Kannst du bitte mit mir? Darf ich noch einmal?«

Ein Schauer überrollt mich. Das passiert in einer Geschwindigkeit, dass ich nicht einmal die Gefühle dazu benennen kann. Alles was ich weiß ist, dass ich es ebenso möchte. Darum rutsche ganz dicht zu ihm heran. Ich küsse jeden Zentimeter seines Gesichtes. Dann verweile ich zärtlich bei seinen Mund. Danach erhebe ich mich und ziehe ihn hoch. Er folgt mir an der Hand in mein Bad. Wie am ersten Abend entkleide ich mich und steige in die Dusche. Wie am ersten Abend erwarte ich dort seinen anziehenden Körper, der näher tritt.

Weitere rostige Nägel lösen sich aus dem morschen Holz des Sarges. Zahlreiche rostige Nägel, liegen vor dem Sarg …

Mittlerweile habe ich genug Stellen an seinem Körper erkundet. Ich weiß, was ich tun muss, damit er anspringt.

Meine Finger gleiten über seine weiche Haut, die einen Geruch ausströmt, der einfach alles überragt, was ich kenne. Das allein verführt mich schon ungemein. Mit ihm scheint alles Unmögliche möglich. Alles Unvorstellbare wird vorstellbar. Grenzen sind nur dazu da, um über sie hinauszuwachsen. Eigentlich passt alles.

Und dennoch …

Yanick stöhnt ergriffen von meinen Zärtlichkeiten auf. Je aufgewühlter er wird, desto elender wird mir und das Erschreckende daran ist, dass ich nicht weiß, was mit mir los ist.

Geradezu unheimlich gedankenleer ist mein Kopf. Dennoch kann ich die Tränen nicht stoppen, die mir aus den Augen laufen. Ich hoffe, er entdeckt sie nicht. Es können ja genauso gut Tropfen des Duschregens sein, dass auf uns rieselt.

Irgendwann wird es so übermächtig, dass ich gleich schlapp mache und mich auf nichts anderes konzentrieren kann. Dies ist der Zeitpunkt, wo es nicht unbemerkt bleibt, denn selbst ihn zu lieben geht plötzlich nicht mehr. Meine Beine geben gleich nach. Kopflos halte ich inne und rücke von diesem Mann ab, der meine Ordnung stört, seit ich in seine Augen sah.

Yanick hebt mein Kinn, doch ich halte die Lider gesenkt, damit er den Aufruhr nicht entdeckt. Warme Rinnsale haben sich entlang meiner Wange gebildet. Es sind die Tränen des Feuers, das er in mir entfacht hat und doch nicht entfachen durfte.

Zwei Hände packen energisch meinen Kopf, doch noch immer schlage ich die Lider nicht auf. Er soll nicht sehen, was ich noch nicht einmal zu fühlen wage.

»Ella!«

Ich versuche, mich von ihm loszureißen, doch es gelingt mir nicht. Er zieht mich zu sich, küsst meine Lippen und flüstert in sie hinein: »Spring!«

Ich öffne meine Augen und ein Schwall zurückgehaltenen Feuers rollt auf seine Finger hinab. Ich kann nicht springen. Ich werde nicht springen, doch auch das kann ich nicht einmal mehr sagen.

Nicht einmal mehr Proch .

Meine Kehle ist wie zugeschnürt. Besorgt sieht er mich an.

Jetzt fährt sein Blick an mir hinab und da scheint etwas nicht zu stimmen. Angst steht in seinen Augen, die mich weit aufgerissen ansehen.

»Ella, ganz ruhig!«, sagt er leise und hebt seinen Kopf leicht.

Was meint er damit? Ich bin ganz ruhig! Warum sieht er mich so an?

Ich will nach unten sehen, um zu nachzusehen, was ihn ängstigt. Er lässt mich nicht, zieht meinen Kopf so, dass ich ihn ansehen muss. Ich bin in einem unnachgiebigen Schraubstock eingezwängt und das ängstigt mich schrecklich. Ich will doch nur wissen, was los ist.

»Ganz ruhig! Sieh mich an!«, bittet er mich und seine Augen flehen. Ich greife zu seinen Händen, doch er lässt mich nicht los. Ich bekomme keine Luft, alles geht zu schnell und mir wird ganz komisch.

»Ganz ruhig! Sieh mich an! Ein … aus … ein … aus… Weiter so! Immer in deinen Bauch atmen. Ja, gut«, er nickt, als er nach unten sieht. Vermutlich folge ich seinen Anweisungen und mache das, was er mir gesagt hat. Aber es fällt schwer und ich kann nicht einmal mehr sprechen.

Nicht sagen geh! Nicht sagen bleib.

Die Angst in seinen Augen nimmt nach einem endlosen Zeitraum ab. Er sieht zufriedener an mir hinab, bis er mich irgendwann in die Arme schließt. Vorsichtig drückt er mich an sich. Küsse bedecken meine Wangen, auf denen noch die warmen Rinnsale kleben.

Was ist los?

Ich will sprechen, doch ich kann es nicht. Keuchend halte ich mich wie ein nasser Sack an ihm fest, weil meine Beine ihren Dienst versagen.

Mehr getragen, als selbst gehend, verlässt er die Dusche mit mir. Yanick wickelt mich in ein Handtuch ein. Er setzt mich auf den Wannenrand ab, sammelt meine Haare zusammen und windet ohne Hast einen provisorischen Zopf. Ich zittere wie Espenlaub. Ich sehe ihm dankbar für seine Hilfe an. Danach trägt er mich in mein Bett und legt mich behutsam hinein. Ich fühle mich so kraftlos, wie noch nie, müde wie noch nie und will nur aufhören zu existieren. Nicht mit und nicht ohne ihn. Wie soll das gehen?

»Was war los, Ella?«, fragt er, beugt sich über mich und studiert mein Gesicht.

Ich kann dir erstens nicht antworten, zweitens hast du doch an mir hinab gesehen. Woher soll ich das also wissen?, saust es mir gereizt durch meinen Schädel.

»Was war los?«, flüstert Yanick. Besorgt streichelt er zärtlich mein Gesicht, streift mir den Pony hinter das Ohr und küsst mich.

Ich kann dir doch nicht antworten!

Geschockt öffne ich meinen Mund. Tränen der Hilflosigkeit rollen, als ich meine Sprachlosigkeit begreife.

Ich kann dir nicht antworten! Scheiße noch mal! Was mache ich jetzt?

Erschöpft winde ich mich in seine Armbeuge und will mich dort verstecken und verkriechen. Seine Hand fährt meinen Rücken auf und ab und drückt mich an sich.

»Hast du das schon einmal gehabt?«, höre ich ganz leise frage und ich schüttele meinen Kopf.

»Das war ein Panikanfall.«

Mir egal was es war. Ich kann nicht mehr sprechen!

Er zieht mich fester zu sich und die Wärme seines Körpers und sein Geruch beruhigen mich. Langsam dämmere ich ein.

»Du bist das perfekte Geschenk«, haucht er mir und küsst meinen Kopf. Ich öffne die Augen wieder.

Moment mal! Das hatte Kai doch auch gesagt, als er mit mir nach dem Lostanz gesprochen hat.

Ich muss nachdenken, kann aber nicht. Yanick rutscht so, dass ich ihm in sein Gesicht sehen kann. Er nimmt jetzt meine ganze Aufmerksamkeit in Anspruch.

»Es war wunderbar.«

Ich blinzele einmal zur Antwort, ohne zu wissen, ob er mein Zeichen versteht. Dann drifte ich weg. Zu wunderbar fallen mir tausend Dinge ein und ich gehe sie alle durch. »Irgendwann. Elisa … die, die gesprungen ist«, träume ich.

Als ich am Morgen, vom Handyalarm aus dem Schlaf gerissen werde, ist das Bett neben mir leer.

Genau wie meine Wohnung. Genau wie mein Herz. Yanick ist gegangen.

Durch die leere Wohnung schlendernd, sehe ich abwesend in alle Zimmer.

Gerade so, als hoffe ich, er habe sich nur irgendwo versteckt. Ich finde einen Brief, der im Flur vor der Eingangstür liegt. Wie angewurzelt stehe ich und starre ihn an.

Ich bin unfähig mich zu beugen, um ihn aufzuheben. Stattdessen sehe ich minutenlang auf ihn hinunter. Ich versuche, einen klaren Gedanken zu fassen. Doch ich kann nicht, denn ich bin wie leer gefegt im Hirn und müde kann ich diesen Zustand der Stumpfsinnigkeit nur verblüfft hinnehmen.

Yanick hat den Bikini mitgenommen, der neben seiner Bettseite lag.

Der Brief, der vor mir auf dem Boden liegt, ist nicht dick. Eine säuberliche Handschrift fällt mir auf, die schön anzusehen meinen Namen geschrieben hat.

Er hat seine Trophäe für Lisa mitgenommen.

Mein voller Name steht auf dem Papier. Selbst meinen zweiten Vornamen hat er herausgefunden.

Er hat seine Wette gewonnen und das, obwohl er keinen Wunsch-Geburtstag hatte.

Elisa Eleonora Schmitt steht auf dem Briefumschlag. Ich beuge mich und hebe den Umschlag auf. Ich schlurfe mit ihm in das Wohnzimmer. Dort sehe ich mich um und mein Blick bleibt auf dem Teppich kleben, auf dem er mit Schmitti lag. Jetzt sitzt dort Schmitti und sieht mich leidend an.

Da leiden wir wohl zu zweit .

Miau , klagt er und eine unglaubliche Leere macht sich in mir breit. Nach einem Wochenende voller Fülle bricht es mir mein Herz und doch, er hat gewettet. Um mich und uns trennen Welten.

Mit flatterndem Herzen lege ich den Umschlag auf ein Regalfach. Ich beschließe, ihn nicht zu öffnen. Ich habe Angst vor dem Inhalt. Mit meinem Finger fahre ich zärtlich über die Träne der Götter, die ich einst im Meer fand. Dieser Ort ist passend, um seinen Brief abzulegen. Heute kann ich ihn unmöglich öffnen. Mental bin ich dazu schlichtweg nicht in der Lage.

Ich kann mir denken, dass Lisa einen Beweis will.

Und jetzt ist er weg. So, wie ich es wollte. Eigentlich alles gut.

Und dennoch …

Ich gehe in das Bad und will mich für die Arbeit vorbereiten. Der Brief bleibt ungeöffnet auf dem Regal zurück.

Spring!

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