Читать книгу Spring! - Karina Förster - Страница 18
Kapitel 13
ОглавлениеIn der Pension angekommen, gehe ich in das Bad. Meine Hände entfernen geschickt die Haarnadeln. Danach entwirre ich den Zopf. Die blonde Mähne hängt mir kurz darauf wieder gleichmäßig über die Schultern. Ich sehe mich im Spiegel an und entkleide mich. Nackt sehe ich mich an. Was sieht Yanick, wenn er mich betrachtet. Was lässt ihn so verzücken?
Ich sehe an meinem nackten Körper herunter. Am Unterleib verharre ich. Die Einnistung der befruchteten Eizelle kann bis zu 14 Tage dauern. Zärtlich legte ich meine Hände oberhalb des Schambeins ab.
Den Kopf schief gelegt, besehe ich mich seitlich im Spiegel. Ich hoffe, dass mein Körper das Wunder des Lebens vollbringt und mir das geben wird, was ich mir von Yanick gestohlen habe.
Die Tür öffnet sich leise hinter mir und ich erkenne Yanick im Spiegel, der eintritt. Er mustert mich neugierig. Schnell straffe ich mich und senke meine Hand.
Er kommt näher. »Was machst du?«, fragt er mich und sieht hinter mir getreten in den Spiegel.
»Ella?«
Seine Tonlage ist tief. Ernst. Zu ernst. Jetzt nur keine Regung, kein Zucken, kein Blinzeln!
Yanick sieht an mir hinunter. Er berührt mit seinen Lippen mein Oberarmgelenk. Mit seiner Zunge fährt er zu meinem Hals. Dabei betrachtet er mich im Spiegel. Seine Augen gleiten an mir hinunter. Dort, wo ich eben liebevoll die Hände aufgelegt habe, stoppt sein Blick.
Er wäre sicher ein sanfter und interessierter Vater. Tief bewegt betrachte ich ihn. Meine Augen füllen sich mit Tränenwasser. Ich habe ihm diese Möglichkeit genommen. Er wird nie erfahren, dass er Vater wird, wenn mein Diebstahl gelungen ist.
In meinen Emotionen gefangen, erstarre ich zu einer Salzsäule, als Yanick seine Lider aufschlägt. Er sieht mich direkt an. Zu schnell um den Glanz und die Gefühle, in meinen Augen, vor ihm zu verstecken.
Yanick strafft sich. Er hat noch immer den Blick auf mich geheftet und schluckt. Blitzschnell dreht er sich und zerrt mich an seiner Hand so fest aus dem Bad, dass ich folgen muss, wenn ich nicht fallen will.
Er steuert in die Küche und ich sehe ihn verwirrt an.
An der Küchenzeile stellt er mich ab und geht einen Schritt zurück. Von dort betrachtet er mich. Sein Blick gleitet an meinem Körper entlang. An einigen Stellen verharrt er. Seine Erregung steigt sichtlich.
Da seine Augen dunkel schimmern, ist es für mich schwer einzuschätzen, wohin er sieht und was ihn erregt. Ohne Eile streift er sich seine Unterhose von der Hüfte. Dabei lässt er mich nicht aus den Augen.
Ich atme beschleunigt. Sei Blick auf mir genügt. In meinem Kopf hat nur ein Gedanke Platz. Nun kommt er näher. Aber auch das ist so langsam, dass ich mich vor Sehnsucht biege. Ich will ihn riechen, küssen und berühren.
Jetzt steht er vor mir und neigt den Kopf zu meinem Hals. Lange kann ich nicht widerstehen und ziehe ihn zu mir. Doch er rückt ab und fegt eine Vase voll Tulpen von der Arbeitsplatte. Polternd landet alles auf dem Boden und das Wasser leert sich glucksend.
Danach sieht er zu mir und grinst. Ich grinse zurück und Yanick zieht mich in seine Arme. Er küsst mich und mit Leichtigkeit hebt er mich hoch. Ich lande sitzend auf der Arbeitsplatte. Sein Mund hat sich nicht entfernt und das würde ich auch gar nicht zulassen.
Seine Hände ziehen meine Hüfte zu sich. Als ich mein Becken sehnend strecke, dringt er ein. Er drückt mich zu ihm und seine Arme halten mich an meiner Hüfte umschlungen.
»So, Ella. Und jetzt sag mir, was dich so anders als Ninette macht?«, fragt er in sein stöhnen.
Ich rücke mit meinen Oberkörper ab. Habe ich richtig gehört?
Yanick keucht leise und gräbt sein Gesicht in meine Haare.
»Was macht dich so anders?«, keucht er erneut und seine Bewegungen werden schneller.
Ich habe mich nicht verhört.
Für diesen Vergleich spucke ich ihn an. Ich quittiere ihm so seinen Satz, während er sich langsam und mit geweiteten Pupillen im mir bewegt. Doch scheint ihn das nicht zu stören.
Ich will mich lösen, doch er umklammert mich fest und macht weiter. Egal wie sehr ich mich befreien will, es scheint ihn nur zu befeuern.
»Sag es Ella! Sag es!« Es klingt so, als ob er gleich ohne mich springt. Ich halte still und wehre mich nicht mehr. Stattdessen rücke ich seinen Kopf so, dass ich seine Augen sehe.
Er will ohne mich springen und ist kurz davor es zu tun. Aber dennoch sieht er mich einladend an. Mich ansehend beginnt sein Sprung.
Ich ziehe ihn zu mir und flüstere heiser in sein Ohr: »Sie hast du gevögelt. Mich liebst du.«
Sein Aufstöhnen hört abrupt auf und er rückt von mir ab. Müde und erschöpft sieht er mich an. Sein Blick ist unendlich traurig und eigentümlich leer.
Er tropft. Mir ist es eine kleine Genugtuung, dass ich seinen Spaß unterbrechen konnte. So sehe ich ihn jetzt auch an und halte meinen schmerzenden Hals.
Sein Gesicht verändert sich. Es wird ärgerlich. »Und du? Mich vögelst du auch nur?«, schreit er plötzlich fragend los. Seine Arme reißt er dabei in die Höhe. Seine Stimme bricht. In einem Satz hüpfe ich von der Arbeitsplatte und gehe auf ihn los. Vor ihm angekommen holt meine Hand aus und trifft ihn auf seine Wange. Sofort rötet sich die Stelle. Das ist für diese Lüge. Wie kann er das ernsthaft denken? Ich starre wütend in seine Augen.
Das ist nicht wahr!, schreit alles in mir. Seit ich mit ihm auf meinem Küchenstuhl in diesem Meer aus Gefühlen ertrunken bin, in der Dusche kein Wort mehr sprechen konnte … Das kann er doch nicht wirklich glauben!
»Was dann Ella? Sag mir: Was? Spring, verdammt noch mal!«, sagt er ruhig und kommt näher. Seine Augen flattern über mein Gesicht. Sie suchen. Nach was? Mit brüchiger Stimme sagt er: »Allein bin ich machtlos, Ella. Damals wie heute. Nur fühle ich mich heute noch um einiges ohnmächtiger.«
Traurig senkt er den Kopf, damit ich seine Tränen nicht sehe. Ich atme flach und starre ihn mit leerem Blick an. In meinem Kopf hallen die Sätze nach. Ich wiederhole sie, ohne die Botschaft zu verstehen. Ich fühle mich leer gefegt und verletzt.
»Es sei die Ehre nach den Taten erwiesen«, sagt Yanick und sieht zu mir auf. Entsetzt weiche ich zurück. Seine Augen glänzen.
Ganz klar, er will, dass ich es sage. Er will, dass ich ihn möchte. Doch ich kann nicht. Ich schlottere. Er hat seine Arme einladend erhoben. Ich fliege hinein und lehne mich an ihn. Wiegend hält er mich fest, obwohl ich erneut nicht sage, dass er bleiben soll. Wie schlecht ich mich fühle. Wie hässlich und gemein.
Und dennoch ...
Gemeinsam stehen wir auf dem Bahnsteig. Wir halten uns aneinander fest. In wenigen Minuten fährt sein Zug. Wir stehen bereits vor dem Wagen, in den Yanick eine Sitzplatzreservierung hat. Die Passagiere, die an uns vorbeieilen, bemerke ich nicht. Ich will die letzten Minuten in einer innigen Umarmung verbringen. An seinen Hals geschmiegt halte ich ihn umschlossen.
Die drei Wochen sind um.
Drei Wochen, in denen ich eine tiefe Kluft geschaffen habe, die ich nicht mehr in der Lage bin zu überwinden. Das habe ich selbst so gewollt und nun ist es unwiderruflich.
Die Stimmung ist seit gestern Abend in der Küche gedrückt. Yanick nahm mich in seine Arme, führte mich ins Bett und hielt mich dort umschlungen. So sehr ich mich weigerte einzuschlafen, weil die gemeinsame Zeit immer weniger wurde, fielen mir irgendwann doch vor Müdigkeit meine Augen zu. Ihn fest umklammernd bin ich heute Morgen erwacht.
Und dennoch kann ich nicht sagen: Bleib!
Oder: Geh!
Yanick schiebt mich, mit einem Kuss auf meine Stirn, vorsichtig von sich. Er zieht aus der Tasche einen Umschlag und hält er mir entgegen. Alle seine Briefe liegen ungeöffnet in dem Regal und jetzt erhalte ich noch einen. Dieser trägt keine Aufschrift.
Manchmal genügte ein Blick auf seine Handschrift, um mir sein Gesicht in Erinnerung zu rufen. Hin und wieder nahm ich mir den jeweils Neuesten in meine Hand, befühlte ihn und führte ihn zum Mund. Niemals habe ich es geschafft einen zu öffnen.
Und jetzt erhalte ich einen weiteren Brief. Ratlos sehe ich ihn an. Er liegt auf meinen Händen. Ein Abschiedsbrief, dämmert es mir.
»Ich weiß du hast meine Briefe nicht geöffnet. Es scheint unsinnig dir einen Weiteren zu geben. Aber ich weiß, dass du diesen eines Tages lesen wirst. Er ist der Wichtigste. Vergiss das nie!« Er hebt mein Kinn an, um mir in ihre Augen sehen zu können. »Du hattest gestern Abend recht. Ich liebe dich, wie ich nie jemanden geliebt habe oder je wieder lieben kann. Bis an mein Lebensende. Ich bitte dich inständig, irgendwann diesen Brief zu lesen. Er ist wichtig!«
Da ist wieder sein Bis an mein Lebensende . Diesmal nur aus noch weiterer Entfernung, als vor einem halben Jahr. Und dieses Mal habe ich dafür gesorgt. Mir rollt eine Träne aus dem Augenwinkel, die er sofort liebevoll wegwischt. Er greift meinen Kopf im Nacken und meine Stirn ruht an seinem Mund. Sein warmer Atem streift über mein Gesicht und ich zerre hilflos an ihm. Doch er reißt sich los und steigt ein. Ich heule jetzt und kann mich nicht beherrschen.
Hektisch sehe ich zur Zugaufsicht. Deren schrilles Pfeifen ertönt. Es ist das Abfahrtsignal. Ich sehe zu Yanick, der hinter der Zugtür verschwindet, die sich schließt und mir im gleichen Moment mein Herz zerreißt. Der Zug rollt an und ich folge, solange ich Schritt halten kann.
Yanick deutet auf sich, formt mit seinen Händen ein Herz.
Das ist der Moment, in dem mein Herz auf so kummervolle Weise begreift: Liebe. Das, was Großvater damit meinte, wenn er von sich behauptete, er sei der reichste Mensch auf der Welt.
Es ist Zeit den Sargdeckel zu öffnen. Es ist Zeit das aus dem Sarg zu entnehmen, was fünfzehn Jahre dort für mich aufbewahrt und behütet wurde …
Herz und Magen zerreißen mir gleichzeitig. Ich beuge mich vor Schmerz und Kummer, weil Bilder aufsteigen:
Wie ich mich bei unserer Ankunft in der Pension im Zimmer umsah und dann zu ihm. Er stand in der Tür und sah mich an, bevor er lächelnd auf mich zukommt.
Wie ich ihn an die dunkle Hausecke drückte, während die Wäsche im Waschsalon lief.
Sein kummervolles und verzweifeltes Gesicht gestern Abend in der Küche.
Im vergangenen Jahr wollte ich nichts als körperliche Nähe von ihm. Mehr nicht. Dann, der gemeinsame Sprung in der Küche. Die erste Regung zaghafter Liebe. In den drei gemeinsamen Wochen hier die Gewissheit.
Ich liebe ihn.
Mehr als alles andere auf der Welt. Bis an mein Lebensende.
Und dennoch …
Wen außer mir kann ich dafür verantwortlich machen, dass mein Glück in diesem Zug davonfährt? Die Tränen werden heiß und ich halte mir meine Hand vor dem Mund, doch die Emotionen kann ich dadurch nicht zurückhalten. Sie bahnen sich den Weg aus dem Magen, der entsetzlich schmerzt und wie Feuer brennt. Ich schluchze und wimmere mich unter Schmerzen krümmend.
Der Zug rollt unbeeindruckt aus dem Bahnhof. Durch die Tränen nehme ich verschwommen wahr, wie der Zug unaufhaltsam mit Yanick davon rollt. Mir ist, als ob ich laut schreie. Mein Herz bäumt sich in einem wilden Kampf auf. Eine Flut Gefühle lässt meinen Körper erbeben und schluchzen. Liebesqual.
Spring, verdammt noch mal!
Doch die ohnehin schon große Kluft habe ich vergrößert. Sie ist für mich zu groß und angsterfüllt schweige ich lieber. Jetzt habe ich, was ich mir von ihm wünschte und bin doch unglücklich.
Der Zug entfernt sich mehr und mehr und ich spüre nur Herzweh. Stumm dem selbst auferlegten Schmerz ausgeliefert, stehe ich allein auf dem Bahnsteig und weine um die Liebe, die ich gehen ließ. Ich fühle mich im Herzen arm. Ich bin ein wirklich armseliger und hässlicher Mensch.
Erst als der Bahnsteig sich erneut mit Menschen für den nächsten Zug füllt, hebe ich träge seinen Brief vom Boden auf. Ich ließ ihn aus den Händen fallen, als ich dem Zug nachlief. Matt verlasse ich den Bahnhof, um mir eine Apotheke zu suchen. Die Menschen sehen mich verdutzt an, denn ich weine und kann nicht aufhören.
Die folgenden Tage in Warnemünde kommen mir schwer wie Blei vor.
Meine Periode setzt, wie beabsichtigt, nicht ein. Aber das ahnte ich ja bereits. In Berlin werde ich zum Arzt gehen. Den Test will ich nicht machen.
Stundenlang sitze ich am Wasser und sehe auf die See hinaus. In Gedanken bin ich bei Yanick. Ich rieche ihn selbst am Strand sitzend. Das kann aber nicht sein, denn es geht Wind.
In Gedanken sehe ich immer wieder Bilder von Yanick. Wenn ich einen dunkelhaarigen Mann in einer Menschenmenge entdeckte, hüpft mein liebeskrankes Herz. Ich erstarre innerlich, nur um dann in bittere Schwere zu fallen, wenn es nicht Yanick ist.
Dabei habe ich ihn durch mein Schweigen selbst fortgeschickt. Durch meinen Diebstahl habe ich jedes weitere Aufeinandertreffen für die Zukunft unmöglich gemacht. Ich bin also die Letzte, die sich beschweren kann.
Auch bin ich mir auch sicher, dass der Brief, den er mir gab, ein Abschiedsbrief ist. Immer wieder schrecke ich aus dem Schlaf auf und höre, wie er sagt: Nein. Nein. Das war es. Bringen Sie bitte die Rechnung.
Und genauso, wie ich unfähig war seine Briefe im Regal zu öffnen, fühle ich mich jetzt außerstande den letzten zu öffnen.
Es ist nachvollziehbar, dass er nicht versteht, warum ich nicht gesprungen war. Jedes Mal, wenn er mich dazu eingeladen hatte, tat ich es. Das war auch nicht kompliziert. Das wird es erst, wenn er mich bittet zu ihm zu springen. Über meine selbstgeschaffene Kluft. Er ahnt ja nicht, wie groß und tief sie ist. Er ahnt ja nicht, was für Gefahren im Abgrund lauern.
Ich habe Angst mit ihm gemeinsam ein Leben zu verbringen. Mehr weiß ich nicht.
Ich rieche ihn, wenn ich mich auf seinem Kopfkissen bette. Anschließend weine ich hinein, bis meine Augen gerötet sind und ich kraftlos einschlafe.
Stundenlang starre ich auf das Bett und überlege, ob ich meinen Koffer packe. Nachdem die Blumen in den unzähligen Vasen erneuert wurden, wurde ich fast wahnsinnig.
Die liebe Frau Holm bemerkt meine Not. Sie übergeht liebevoll meine geröteten Augen, wenn ich von einem Spaziergang auf das Zimmer eile, um mich auf das Bett zu schmeißen und elendig zu weinen. Ich darf, wenn auch teilnahmslos, für einige Stunden aus dem Zimmer fliehen und bei ihr auf dem Sofa sitzen. Wenn die Erinnerung an Yanick mich in Weinkrämpfen schüttelt, laufe ich zu ihr. Dann macht sie Suppe für mich warm und muntert mich auf.
Die Abende sind lang, die Gesellschaft der Dame sehr angenehm und ihr Essen sehr nahrhaft. Ich beschließe aber, abzureisen. Am Abend vor meiner Abreise hält Frau Holm plötzlich in ihrer Arbeit inne. Nachdenklich schaut sie mich an, wenn sie von ihrer Handarbeit pausiert. Jetzt lächelt sie mich verklärt an.
»Wissen Sie, Ella. Ich frage mich, was ich Ihrem lieben Freund sagen soll, wenn er sich bei mir nach Ihnen erkundigt.«
Frau Holm sieht wieder auf ihre Handarbeit und fährt fort: »Ja. Er ruft mich jeden Morgen an und erkundigt sich bei mir. Er will wissen, ob Sie gut essen, an die See gehen und ob Ihnen irgendetwas fehlt. Morgen wird er sicher wieder anrufen.«
Ich bin überrascht, schlucke und sehe auf die Handarbeit. Wie könnte ich Frau Holm erklären, dass Yanick nicht mein Freund ist. Nicht so, wie sie glaubt.
»Möchten Sie es ihm sagen oder soll ich? Wo Sie doch am Telefon nicht mit ihm reden können?«
Stirnrunzeln. Ich verstehe nicht.
»Wissen Sie, damals gab es ja noch nicht für jeden Zugang zu medizinischer Versorgung. Und im Krieg schon erst recht nicht! Da waren alle Ärzte an der Front oder im Lazarett. Aber! Wenn eine Frau schwanger war, dann haben es die Alten gesehen und gesagt. Ja Kindchen. Ich hoffe, Sie werden schnell wieder gesund. Für ihr Kind!«
Ich springe auf.
Für mein Kind.
Das war doch mein eigener Wunsch, meine Hoffnung all die drei Wochen. Ich selbst wunderte mich ja auch nicht, dass meine Tage ausblieben. Innerlich hoffte ich, dass es kein Fehlalarm war, weil ich es so sehr wünschte. Ich gehe zu Frau Holm und nehme ihre Hand.
»Ja, Kindchen. Ja, wenn ich es Ihnen doch sage! Beruhigen und setzen Sie sich! Ich koch uns Tee«, sagt sie und erhebt sich schwerfällig. Sie lacht, schüttelt meine Hand und umarmt mich. Dann humpelt sie in die Küche und ich starre Löcher in die Luft, denn ich weiß in mir wächst Yanicks Kind. Mein Geschenk.
Ich weiß aus meiner Familie, dass alte Menschen Schwangerschaften am Glanz oder an dem Ring der Iris erkennen. Eine Großtante von mir konnte sogar zuverlässig das Geschlecht nennen. Ich glaube Frau Holm.
Sie bringt auf einem Tablett Tee herein. Ich eile ihr entgegen, um es ihr abzunehmen.
»Da werde ich mir mal zur Feier des Tages ein bisschen meinen Tee verfeinern«, beschließt die alte Dame schmunzelnd, geht summend zum Schrank und holt eine Flasche Cognac heraus. Feierlich hält sie ihre Tasse mit Cognac hoch. »Auf das Kind.«
Schweigend und lächelnd trinken wir Tee. Gut, einen empfindlichen Schwangerschaftstest habe ich gekauft, wenn der positiv ist …
»Liebes Kindchen, wenn Sie jetzt allein sein wollen, kann ich das nur zu gut verstehen. Sagen Sie mir nur, was ich Ihrem Freund sagen soll.«
Ich suche den Schreibblock und kritzele hastig: Bitte sagen Sie ihm nichts. Versprechen Sie mir das! Ich möchte es ihm selbst sagen. M
Mir ist egal, ob ich für diese Lüge in der Hölle lande. Ich will nicht, dass Yanick es erfährt.
»In Ordnung! Mach ich so. Jetzt gehen Sie und ruhen sich aus. Wir sehen uns morgen früh. Falls Sie aber etwas brauchen oder nicht Alleinsein wollen, kommen Sie bitte zu mir.«
Gute Nacht!
»Schlaft schön!«
Ich eile in das Zimmer, schließe hinter mir die Tür und lehne mich von innen dagegen. Einmal tief durchatmen. Grinsend geht mir immer wieder ein Wort durch den Kopf: s chwanger.
Ich eile in das Bad. Aus meiner Waschtasche krame ich den Schwangerschaftstest heraus, den ich mir nach Yanicks Abreise gekauft habe und lese mir die Anleitung durch.
Okay.
Also los. Der Teststreifen verfärbt sich rosa und ich setze die Kappe wieder auf. Waagerecht lege ich den Test hin und kaue unruhig auf meinen Nägeln. Drei Minuten können verdammt lang sein und ich laufe einmal quer durch das Bad. Mein Herz schlägt mir bis zur Schläfe, als ich wieder vor dem Test stehe und die Zeit prüfe.
Ich hätte diesen Test schon früher machen können, doch was, wenn Yanick ihn, wie auch immer entdeckt hätte? Das wollte ich nicht riskieren.
Wenn Frau Holm recht hatte, könnte ich das Kind wann erwarten? Schnell rechne ich nach. Fein! Zu Weihnachten.
Jetzt muss ich mich sprachlos setzen. Das wäre ein echtes Geschenk. Eilig greife ich den Test und sehe: Zwei Streifen!
SCHWANGER!
Der Test fällt zu Boden und meine Hände ruhen auf meinem Unterleib. Ein Kind darin. Wie wunderbar! Ein Kind von Yanick. Eins mit Bernsteinaugen.
Kleiner Schatz, hörst du mich?