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Struktur und Entwicklung des barkidischen und des römischen Machtbereichs auf der Iberischen Halbinsel
ОглавлениеDa die Iberische Halbinsel vor den römischen Interventionen von den Barkiden beherrscht worden war, empfiehlt sich ein Vergleich der Struktur und der Entwicklung der beiden Machtbereiche, um die Eigenart der römischen Politik klarer abzuheben. Die Barkiden, die Familie des Hamilkar Barkas, Hasdrubals und Hannibals, waren ausgegangen von der Übernahme der punktuellen Ansätze der älteren karthagischen und der phoenikischen Kolonisation, insbesondere im Süden und Südosten des Randsaumes der Halbinsel. Von dort aus hatten sie die Einheit einer großflächigen Territorialherrschaft in einer Sonderform der hellenistischen Monarchie aufzurichten versucht.
Auch Rom war von der Beherrschung des Küstenstreifens ausgegangen. Doch schon nach dem ersten Fußfassen der Scipionen im Nordosten der Halbinsel erwies sich der Raum von Tarraco als neuer und bleibender Schwerpunkt der römischen Infiltration. Früh zeichneten sich dann in den Brückenköpfen um Tarraco und im Baetistal wie in dem nur schwer eroberten Gebiet Lusitaniens die Zellen der späteren dreigeteilten Administration der Halbinsel unter dem Principat ab.
Eine systematische Neubesiedlung weiter Landstriche haben die Barkiden nicht versucht, und auch die römische Kolonisation erlebte, wie gesagt, ihre wichtigste Phase erst unter Caesar und Augustus. Dennoch wirkte sich die ständige Anwesenheit eines starken römisch-italischen Heeres als Voraussetzung für die spätere Romanisierung weit nachhaltiger aus als die Anwesenheit der barkidischen Söldner. Eine kulturelle Prägekraft haben diese Verbände nie besessen.
Da auch die Römer nicht auf die Gestellung von Geiseln verzichteten, die Abgaben des tributum gewiß nicht geringer waren als jene, die einst die Barkiden erhoben hatten, erwies sich die römische Verwaltung fraglos als sehr viel drückender als die karthagische. Dies ergab sich nicht zuletzt durch den ständigen Wechsel der römischen Magistrate, der in der Regel enge persönliche Beziehungen nicht gestattete. Die Erfahrungen der Iberer und Lusitaner mit den römischen Statthaltern machen begreiflich, warum die Administration des Principats für die Provinzen erträglicher war als jene durch die Organe der Römischen Republik.
Für Karthago und die Barkiden wie für Rom war Spanien zunächst lediglich ein Kolonialgebiet im Sinne des 19. Jahrhunderts. Ein Raum, dessen Bodenschätze ausgebeutet und dessen Handel übernommen wurde und der schließlich, insbesondere für Rom, als Rekrutierungsbasis iberischer Hilfstruppen diente, die man dank der Zersplitterung der Stämme schon bald in anderen Teilen der Halbinsel einsetzen konnte. Indessen führte sich auch hier die kurzsichtige Politik einer möglichst scharfen Ausbeutung unter möglichst geringem eigenem Einsatz bald selbst ad absurdum. Der humanere und klügere Kurs eines Ti. Gracchus und Marcellus war gar nicht mehr zu umgehen, als sich die römischen Machtmittel erschöpften. Die kolonisatorische Leistung der Römischen Republik war in Spanien denkbar bescheiden. Allein die Zähigkeit im Festhalten der einmal besetzten Gebiete schuf die Voraussetzungen für die Blüte der lateinischen Kultur unter dem Principat.
Die Folgen der römischen Politik und Kriegführung sind im Spanien des zweiten Jahrhunderts v. Chr. auf den ersten Blick nicht so augenfällig wie in anderen Teilen des Mittelmeerraums. In Spanien wurde kein weitgespanntes Handelsimperium zerschlagen wie im Falle Karthagos, hier wurden auch nicht die Relikte einer Hochkultur überwältigt und schließlich in den eigenen Machtbereich eingeschmolzen wie in Griechenland, Kleinasien, Syrien oder Ägypten, sondern eine Vielzahl freier Stämme unterworfen und niedergehalten, wobei der materielle Gewinn in der Regel äußerst bescheiden war. Die Rückwirkungen der römischen Expansion auf das italische Mutterland waren indessen hier nicht weniger verhängnisvoll als im hellenistischen Osten. Die Heere der alten staatstragenden Schicht des freien Kleinbauerntums bluteten hier — und nicht im Osten — aus.