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Die Politik des T. Quinctius Flamininus
ОглавлениеIm Grunde war diese völlige Befreiung Griechenlands von Flamininus allein durchgesetzt worden, und zwar trotz nicht geringer Vorbehalte anderer römischer Politiker, und sie wird denn auch in der modernen Forschung auf Grund der späteren Entwicklung fast einstimmig als ganz eklatanter politischer Fehlschlag verurteilt. Nun ist die Politik des Flamininus sicher auch Ausfluß einer idealistischen und romantischen Griechenvorstellung gewesen, indessen erschöpft sich ihr Gehalt darin keineswegs. Man wird vielmehr einräumen müssen, daß Flamininus’ Konzeption auch durchaus realistische Elemente enthielt und daß sie zudem in hohem Maße konsequent war.
Denn zunächst war eine Besetzung Griechenlands auf unbestimmte Zeit für Rom nicht durchführbar, wenn es nicht in zunehmendem Maße in die innergriechischen Wirren verstrickt werden wollte. Der einzige politische und diplomatische Trumpf, den Rom ausspielen konnte, war die so oft mißbrauchte und ausgehöhlte Parole der Freiheit Griechenlands. Wollte Rom in Griechenland sein Gesicht nicht verlieren, so mußte es diese versprochene Freiheit trotz aller Risiken nun auch verwirklichen und den Dingen ihren Lauf lassen. Militärisch aber war zunächst in Griechenland selbst für Rom nichts zu befürchten, und wenn Philipp V. trotz all seiner Verluste und Bindungen wider Erwarten erneut aggressiv werden sollte, so war gerade das befreite Griechenland ein besseres Gegengewicht gegen ihn als ein besetztes.
Die einzige äußere Großmacht aber, die in die griechische Welt eingreifen konnte und es bald darauf auch tatsächlich tat, war Antiochos III., und gerade gegen ihn mußte Roms Freiheitsproklamation eine überzeugende Waffe sein. Ob sich römische Besatzungen in Griechenland aber gegen eine Offensive des Seleukiden halten würden, eine Offensive, die natürlich immer mit einer Unterstützung durch griechische Kreise, in erster Linie durch die Ätoler, rechnen konnte, war äußerst ungewiß. Eine Entscheidung konnte auch dann nur von einer neuen römischen Landungsarmee erwartet werden, die jedoch in einem von ihr früher in Freundschaft geräumten Land ungleich bessere Voraussetzungen antreffen würde als in einer dann von den Seleukiden befreiten römischen Besatzungszone.
Allerdings baute diese Lagebeurteilung ganz offensichtlich auf der optimistischen Überzeugung auf, daß ein Krieg mit Antiochos III. nicht unvermeidlich sei, und hierin liegt nun ebenso ein sehr ernster Kalkulationsfehler wie zugleich ein weiterer Beweis dafür, daß die römische Ostpolitik eben keineswegs a priori „imperialistisch“ bestimmt war. Roms Verhältnis zu Antiochos III. wurde zunächst dadurch gekennzeichnet, daß Rom den Seleukiden von einem Eingreifen in Griechenland abhalten wollte, das aber hieß, daß es sich seinem Vorgehen gegenüber Ägypten nicht in den Weg stellte, denn immerhin war Rom durch dieses Vorgehen vorläufig nicht unmittelbar berührt. Zu einer ersten Reibung schien es im Jahre 198 v. Chr. zu kommen, als Antiochos III. pergamenischen Boden betrat und Attalos, der mit Rom verbündet war, Roms Eingreifen erbat. Eine römische Gesandtschaft ersuchte daraufhin in aller Form um die Zurücknahme der seleukidischen Truppen, Antiochos III. entsprach dieser Bitte und delegierte nun seinerseits ebenfalls noch im Jahre 198 v. Chr. Gesandte nach Rom, um den Faden nicht abreißen zu lassen. Es folgte ein Wechselspiel von Gesandtschaften und Verhandlungen, gleichwohl jedoch auch Antiochos’ III. Übergang über den Hellespont und Roms Auswerfen der Freiheitsparole bei den griechischen Städten Kleinasiens.
Doch langsam, zum Teil unmerklich, zum Teil ganz offen, spitzte sich die Krise zwischen Antiochos III. und Rom weiter zu. Damals, 195 v. Chr., tauchte Hannibal am Hofe des seleukidischen Königs auf, und wenn sich daraus auch zunächst keine direkten Rückwirkungen auf die seleukidische Politik ergaben, so nahm doch in Rom der Argwohn zu, eine Reaktion, von welcher übrigens Scipio sehr profitierte, der unter dem Eindruck dieser Nachricht dann für 194 v. Chr. zum zweitenmal das Konsulat erringen konnte. Vor allem aber wurden jetzt beide Seiten in gewissem Sinne Gefangene ihrer eigenen Positionen.
Insbesondere die Ätoler trieben den Keil immer tiefer. Ihr Versuch, das antirömische Bündnis zu erweitern, gelang im Falle von Sparta und scheiterte bei Philipp V. Selbstverständlich handelten auch die Ätoler und Antiochos III. bei allem, was sie unternahmen und versprachen, stets im Namen der Freiheit, und die Ätoler waren es dann auch, die den Stein endgültig ins Rollen brachten. Sie putschten im Jahre 192 v. Chr. die Bevölkerung von Demetrias auf, die auch das Regiment der prorömischen Oberschicht abschüttelte; die Ätoler besetzten die Stadt und riefen Antiochos III. herbei. Der seleukidische Herrscher konnte seine Verbündeten nach dem für ihn völlig überraschenden Vorgehen nicht preisgeben und landete mit allen verfügbaren Truppen. Diese waren schwach genug, umfaßten etwa 10.000 Mann und belegen so wohl am besten, daß Antiochos III. für einen Krieg mit Rom zu diesem Zeitpunkt überhaupt noch nicht ausreichend gerüstet war.