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Der 2. Makedonische Krieg
ОглавлениеTrotz einiger Überraschungserfolge Roms und seiner Verbündeten, so eines Handstreiches gegen Chalkis, und trotz des Eintritts des ätolischen Bundesstaates in den Krieg gegen Philipp V., gewann die antimakedonische Partei nur langsam Boden. Philipps V. Vorstöße dauerten an, und das römische Expeditionskorps lag seit dem Frühjahr 198 v. Chr. vor den makedonischen Sperren am Aoosfluß (im Norden von Epirus) bei Antigoneia fest; mehr noch, es kam bei den Römern zu einer offenen Meuterei, als demoralisierte Truppenteile aus Afrika eintrafen. Die Krise in dem so widerwillig eröffneten und so schleppend geführten Krieg war so evident, daß man in Rom wieder einmal die Schranken des Herkömmlichen übersprang und den Oberbefehl in die Hände eines faszinierenden jungen Aristokraten legte, des damals dreißigjährigen Titus Quinctius Flamininus, den man schon gleich nach der Quaestur außer der Reihe zum Konsul wählte.
Flamininus war eine strahlende Persönlichkeit, dazuhin ein diplomatisch geschickter und einnehmender Politiker, der als erklärter Philhellene fließend Griechisch sprach, zudem, wie sich erweisen sollte, ein befähigter Heerführer. Er brachte den Kampf gegen Philipp V. in kürzester Zeit und auf breiter Front erst richtig in Gang. Militärisch, indem er in einem kühnen Gebirgsmarsch die wiederholt vergebens berannten Sperren am Aoos umging und einnahm, und dann in einem betont disziplinierten Vormarsch bis nach Thessalien hinein vorstieß, der sich von Philipps V. Plünderungszügen wohltuend abheben mußte. Aber auch politisch, indem er den achäischen Bundesstaat auf seine Seite ziehen konnte.
Eine erste Fühlungnahme der beiden Kriegsparteien für einen Friedensschluß brachte keine Resultate, sie ließ nur erkennen, daß die gegen die Makedonen verbündeten Griechen ihre Forderungen immer höher trieben. Flamininus schob nun seine Positionen in Griechenland zielstrebig weiter vor, allerdings nicht immer mit korrekten Methoden, beispielsweise wurde Theben in Böotien in einem schamlosen Betrugsmanöver besetzt. Die Entscheidung brachte dann im Juni 197 v. Chr. die Schlacht bei Kynoskephalai, auf den Anhöhen der sog. Hundsköpfe, westlich von Pherai in Thessalien. Die alte makedonische Phalanx unterlag hier den aufgelockert kämpfenden Formationen der Römer und ihrer Verbündeten, die Sarissa dem sog. spanischen Schwert, das die Römer von Hannibals Heer übernommen hatten. Die Makedonen erlitten hier so schwere Verluste, daß der französische Gelehrte Maurice Holleaux, der sich um die Erforschung dieser Epoche besondere Verdienste erworben hat, Kynoskephalai zu Recht als das „Jena der makedonischen Monarchie“ bezeichnete. Philipp V. blieb denn auch gar nichts anderes übrig, als den Frieden zu erbitten.
Dieser Friedensschluß bahnte sich nun in einer ungewöhnlichen Situation und mit ganz ungewöhnlichen Aufgaben an. Denn noch während der Kämpfe gegen Makedonien hatte im Osten Antiochos III. zu Land und zur See eine Offensive gegen den Westen Kleinasiens eröffnet, deren Ziele zunächst undurchsichtig waren, die sich aber dann doch — wie sich später herausstellte — mit der Okkupation des früheren ptolemäischen Besitzes begnügte. Immerhin erzielte Antiochos III. bedeutende Erfolge und nahm unter anderem auch Ephesos ein, niemand wußte zunächst, wie weit er gehen würde. So mußte für Flamininus alles darauf ankommen, den Frieden mit Philipp V. möglichst rasch perfekt zu machen, und gerade hier stand der römische Befehlshaber vor fast unüberwindlichen Schwierigkeiten. Denn wohl war die prinzipielle Forderung der Griechen auf die Abtretung aller von den Makedonen seit Philipp II. besetzten griechischen Städte und Landschaften in Kleinasien und Griechenland eindeutig. Aber mit vielen Problemen und Kontroversen belastet war die Frage, was mit diesen Plätzen und Landschaften im einzelnen geschehen, welche Grenzen und welche politischen Ordnungen sie erhalten sollten.
Schließlich kam in Rom im Winter 197/196 v. Chr. der Friede zustande, der nun Makedonien aus der Reihe der hellenistischen Großmächte ausschloß. Makedonien hatte nicht allein den ganzen ehemals griechischen Besitz herauszugeben, sondern auch seine Kriegsflotte — ein Beweis mehr, daß gerade sie von Rom als stets latente Drohung empfunden worden war—, es hatte eine Kriegsentschädigung von 1000 Talenten zu entrichten und außerdem ein förmliches Bündnis mit Rom abzuschließen. Doch nach wie vor blieb zunächst unklar, was nun tatsächlich mit den abgetretenen Gebieten geschehen würde, und der Inhalt der ätolischen Propaganda, daß jene Gebiete und damit eben auch die großen Festungen Korinth, Chalkis und Demetrias jetzt nur den Herrn wechseln und römisch werden würden, schien durchaus glaubhaft zu sein.
Doch alle diese Gerüchte und Befürchtungen zerstoben in ein Nichts, als Flamininus bei der Eröffnung der Isthmischen Spiele des Jahres 196 v. Chr. durch einen Herold verkünden ließ, daß der Senat und der Oberbefehlshaber allen von Philipp befreiten Griechen — und nun folgte die ganz konkrete namentliche Aufzählung der Korinther, Phoker, Lokrer, Euböer und so fort — die volle Freiheit, und zwar ohne alle Abgaben und ohne römische Garnisonen schenken würden. In echt griechischer Weise kannten jetzt Dankbarkeit und Verehrung keine Grenzen mehr, und wir stehen hier nicht nur in der Stunde einer neuen Freiheitserklärung, sondern wir wohnen hier auch einer Übertragung von Elementen und Formen des hellenistischen Herrscherkults auf einen römischen Magistrat bei. Als Sotér, als Retter und Heiland, hat man Flamininus damals gefeiert und ihn als Prómachos, als Vorkämpfer, wiederum mit einem göttlichen Namen geehrt. Besonders weitgehende Ehrungen sind aus dem damals für frei erklärten und 2 Jahre später von den Römern auch tatsächlich geräumten Chalkis bekannt, wo Flamininus in kultischen Formen gefeiert wurde, unter anderem in einem Paian, einem Kultlied, zusammen mit Zeus, Roma und der Fides Romana. Daneben zeigt sich der Einfluß des hellenistischen Herrscherkultes besonders prägnant auch in der Tatsache, daß nun in Griechenland erstmals Goldstatere mit dem Porträt des Flamininus geprägt wurden, ein Phänomen, das im hellenistischen Osten durch die Tradition der Herrscherporträts durchaus geläufig war, in Rom selbst jedoch erst in caesarischer Zeit aufgegriffen wurde.
Die vollständige Verwirklichung der römischen Intentionen erfuhr eine gewisse Verzögerung, weil sogleich nach dem Abschluß der Friedensverhandlungen die für kurze Zeit nach außen abgeleiteten und in dem Kampf gegen Makedonien zusammengefaßten griechischen Partikularinteressen wieder durchbrachen. Der erste Schauplatz dieser Spannungen war die Peloponnes, wo der spartanische Tyrann Nabis mit Gewalt gezwungen werden mußte, das von ihm okkupierte Argos herauszugeben. Im Grunde war schon spätestens in diesem Waffengang des Jahres 195 v. Chr. klargeworden, daß die Freiheitserklärung durch die Beseitigung des makedonischen und römischen Druckes den Damm abgetragen hatte, der bisher die innergriechischen Wogen eingeschlossen und gebrochen hatte. Auch im Verhältnis Roms zu Antiochos III. waren keineswegs alle Besorgnisse ausgeräumt. Dennoch führte Flamininus seine Politik konsequent zu Ende. Daß damals Tausende von Statuen, zu einem Teil gewiß auch aus makedonischer Beute, nach Italien abtransportiert wurden und daß die römischen Truppen in Griechenland naturgemäß verpflegt werden mußten, daß zudem Flamininus darum bat, die von Hannibal als Sklaven nach Griechenland verkauften römischen Gefangenen durch die einzelnen griechischen Gemeinden aufzukaufen und freizulassen, all das kann den Gehalt der endgültigen Räumung Griechenlands im Jahre 194 v. Chr. zwar schmälern, aber nicht aufheben.