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Umgangssprachliches Latein – Eine neue, fröhliche Erfahrung

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Ist es eigentlich angebracht, über einen Trimalchio den Kopf zu schütteln und herzhaft über ihn zu lachen? Ist er auf die römische Gesellschaft beschränkt oder lassen sich „Kopien“ von ihm auch in unserer modernen Welt finden? Aber nein, bei uns gibt es keine Renommiersucht und keine Diskriminierung, keine Unterprivilegierten und kein Neu- und Altreichen-Getue. Trimalchio ist Geschichte. Mit uns hat dieser Typ nichts zu tun, schon gar nicht als Typus.

Bleibt noch die Frage: Warum muss man dieses vergnügliche „Gastmahl“, dieses Stück literarischer Hochkomik auf Lateinisch lesen? Gibt es keine Übersetzungen?

Natürlich gibt es die. Aber wir haben vornehmlich den schulischen Lateinunterricht im Blick. Der legitimiert sich nicht nur durch die Originallektüre eines bestimmten Textes, sondern durch eine Vielzahl von Aspekten, die in diesem Buch vorgestellt werden.

In diesen Lateinunterricht gehört mehr Humor – nicht nur aus motivationalen und didaktischen Gründen, sondern auch weil nur so die lateinische Literatur und die römische Kultur angemessen repräsentiert werden. Grundsätzliches dazu haben wir im vorigen Kapitel ausgeführt. Um ein gewisses Gleichgewicht gegenüber ernsten Texten herzustellen, die – wir betonen es zum wiederholten Mal – selbstverständlich nicht aus dem Lektürekanon herausgekickt werden sollen, stellt Petrons Schelmenroman neben Martials Spottepigrammen ein Angebot dar, das man kaum zurückweisen kann. Die Cena kommt bei Schülern erfahrungsgemäß gut an, ihr Protagonist ist eine urkomische Figur, ein geradezu begnadeter Angeber, dessen Lebensgeschichte aber eben auch tragische Aspekte aufweist. Sie reizt zum Lachen, hat aber auch eine Portion Nachdenklichkeit im Gepäck.

Die Sprache der Cena ist ein sermo cottidianus, eine Art Alltagslatein, das nicht so elaboriert – andere mögen sagen: so hochgestochen-artifiziell – daherkommt wie Ciceros Reden, Senecas philosophische Briefe oder Caesars commentarii. Petron hat den einfachen Leuten aufs Maul geschaut. Ihr Latein ist fehlerhaft und vulgär, es enthält zahlreiche Gräzismen und volkssprachliche Ausdrücke und Konstruktionen, die den Weg zu den romanischen Sprachen vorzeichnen. Nicht umsonst ist die Cena das für Romanisten sprachgeschichtlich bedeutendste Werk der klassischen lateinischen Literatur. Mit anderen Worten: Hier präsentiert sich das „hehre“ Latein nicht als elegante Kunstprosa, sondern als wirklich gesprochene, lebendige Sprache. Für viele Latein-Lerner ist das eine ganz neue, überraschende – und irgendwie beruhigende – Erfahrung.

Und es ist eine neue, motivierende Herausforderung, dieses Latein der kleinen Leute in entsprechendes Deutsch zu übertragen. Da darf man nicht nur umgangssprachliche Elemente verwenden, manchmal sogar welche unterhalb der Gürtellinie des guten Geschmacks, sondern man muss es. Da blüht dann mancher Lateinschüler auf, der auf einmal auch sein derbes sprachliches „Weltwissen“ oder typisch jugendsprachliche Ausdrücke einbringen darf. Der „deutsche Trimalchio“ hat keineswegs Angst, dass „die Menschen zu meinem Grabmal laufen, um ihr Geschäft zu verrichten“ oder weil sie „ein dringendes Bedürfnis verspüren“ und was der Euphemismen mehr sind. Sondern „die rennen dahin, um zu kacken“.

Und der Lateinlehrer darf diese Übersetzung nicht rot unterstreichen und empört einen hochsprachlichen Ausdruck einfordern, sondern er muss am Rand vermerken: „Gut!“

Latein - da geht noch was!

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