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Damen, die gesehen werden wollen
ОглавлениеAber sind die Damen auch erotisch ansprechbar? Diese bange Frage des „Jägers“ scheint durch den Nachweis der Fülle ja noch nicht beantwortet zu sein – jedenfalls für den flüchtigen Leser. Der aufmerksame Liebesschüler findet indes schon in Vers 10 einen ziemlich eindeutigen Wink. Er verbindet sich mit cultissima femina. Die Damen kommen sorgfältig frisiert und geschminkt, verführerisch parfümiert und elegant gekleidet zu den Spielen. Der Superlativ tut ein Übriges, um überzeugend darzulegen, dass sie sich in jeder Hinsicht in Schale geworfen haben. Warum sie das tun? Der nächste Vers gibt die Antwort: aus Eitelkeit. Sie kommen nicht nur, um das Theater-Schauspiel zu genießen, sondern sie wollen Teil des Schauspiels sein. Sie wollen gesehen werden: spectentur ut ipsae sendet das Signal aus, dass sie ihre Reize bewusst zur Schau stellen. Das Passiv drückt gewissermaßen das Einverständnis damit aus, begutachtet, „gemustert“ gar und angesprochen zu werden. Die „Beute“ hilft dem „Jäger“, indem sie sich präsentiert – und zwar im besten cultus, „Putz“ und „Schmuck“.
Wer zur Schüchternheit neigt und nicht ganz so überzeugt ist, dass diese Präsentation auch ihm persönlich gilt, für den geht der Liebeslehrer im letzten Vers der Passage in Klartext über: pudor, „Schamhaftigkeit“, und castitas, „Keuschheit“, sind diesem Ort fremd. Die Damen sind dort erotisch ansprechbar, um das hässliche Wort „verfügbar“ zu vermeiden. Gleichwohl lässt Ovid sich noch ein Hintertürchen offen, falls ihn sittenstrenge Leser mit dem Vorwurf konfrontieren sollten, er rufe gewissermaßen zu unanständigem Verhalten auf. Aus dem Kontext gelöst, könnte man den Vers als bloße Beschreibung der allenthalben bekannten Unmoral der Bühne verstehen. Dass die im Theater aufgeführten Mimen derb bis obszön waren und sich nicht gerade am traditionellen Bild der sittsamen Römerin orientierten, war allgemein bekannt – eine Atmosphäre im Übrigen, die ihrerseits zur „Ansprechbarkeit“ der Damen beitrug. Aber die waren, wenn man die Aussage zurück in ihren Kontext bringt, auch so durchaus geneigt, Avancen eines „Jägers“ nicht schroff zurückzuweisen.