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Kapitel 9

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»Senetco Versicherungen, mein Name ist Sally Walker«, sagte die sanfte Stimme am anderen Ende der Leitung.

»Hey, hier ist Michael. Störe ich dich?«

»Nein, tust du nicht. Bist du wieder in London?«

»Ja, bin ich. Ich bin heute morgen angekommen«, antwortete er.

»Du rufst wegen Derek an, stimmt’s?«

»Ja, so ist es. Ich weiß nicht genau, wie ich anfangen soll. Ich... will mit dir über den Unfall reden. Geht das im Moment?«

»Sicher. Ich geh nur eben in den Nebenraum.« Sally arbeitete in einem Versicherungsunternehmen. Das Großraumbüro hatte keine Trennwände zwischen den Schreibtischen. So konnte praktisch jeder mithören. Nachdem sie die Tür hinter sich verschlossen hatte, setzte sie sich und zündete sich eine Zigarette an.

»Ich bin völlig am Ende, wenn ich ehrlich bin. Ich weiß noch nicht, wie es weitergehen soll«, brach es mit einem langen Atemzug aus ihm heraus.

»Ich weiß, was er dir bedeutet hat. Aber vor Schicksalsschlägen ist niemand sicher. Als ich vor zwei Jahren meine Mutter verloren habe, dachte ich auch, es ginge nicht mehr weiter. Aber es geht weiter, du wirst es sehen.«

»Was weißt du über den Unfall?«

»Nicht viel, Michael. Besser, du wendest dich an Steven. Er hat mit seinen Eltern in Wales gesprochen und weiß sicher mehr über den Hergang.«

»Aber du warst an dem Abend mit dabei. Ich meine, du hast ihn doch auch mit identifiziert.«

»Das habe ich. Steven stand plötzlich vor der Tür und sagte, dass etwas mit Derek passiert sei. Er wollte sich Klarheit verschaffen und bat mich mitzukommen. Auch wusste er nicht genau, wo das St. Mattheus Krankenhaus ist.«

»Du hast mir gesagt, er sei nicht angeschnallt gewesen, so war’s doch, oder?«

»Das hat die Polizei uns erzählt. Es hatte an dem Abend in Strömen geregnet und Derek prallte bei nasser Fahrbahn gegen diesen Baum. Aber das weißt du ja bereits.« »Ja, aber kommt dir das nicht komisch vor? Du wusstest doch auch, wie vorsichtig er immer war. Ich meine, er war ein Sicherheitsfanatiker. All das passt einfach nicht zu ihm. Außerdem hast du mir erzählt, dass es auf einer Landstraße passiert ist. Was zum Teufel hatte er dort zu suchen? Um diese Zeit war er immer auf dem Weg nach Wales, zu seiner Familie. Dabei benutzte er grundsätzlich die Autobahn. Auch bei dichtem Verkehr oder Stau. Die Landstraße ist nicht schneller. Ich weiß das und er wusste es auch. Glaube mir!«

»Michael, hey! Komm wieder runter! Was willst du denn damit sagen? Glaubst du vielleicht, dass da jemand seine Hände mit im Spiel gehabt haben könnte? Wer sollte denn so etwas tun und warum? Beruhige dich! Er ist mit dem Auto verunglückt. Wir haben in Großbritannien jeden Tag eine bestimmte Anzahl von Verkehrstoten, wie in anderen Ländern auch. Vielleicht hat er die Autobahn verlassen, weil etwas an seinem Wagen nicht in Ordnung war, oder weil er tanken musste. Vielleicht war der Gurt defekt oder ist beim Aufprall aufgesprungen. Du hast ihn so sehr gemocht. Es ist einfach schwer für dich, zu akzeptieren, dass er tot ist, verstehst du? Vielleicht kann dir ein Psychologe helfen. Du kennst doch Dave...«

»Vergiß es! Ich bin nicht verrückt«, fiel er ihr ins Wort. »Entschuldige, aber ich bin ein wenig durcheinander«, fuhr er fort.

»Darf ich dich etwas anderes fragen?«

»Sicher, Michael, nur zu.«

»Als es passierte, warst du es, die mich anrief und nicht Steven.«

»Nun, wie ich es dir schon sagte. Nachdem Dereks Eltern Steven informiert hatten, rief er mich an, weil er nicht genau wusste, wie er es dir beibringen sollte. So sind Männer nun einmal. Wenn es drauf ankommt, ziehen sie den Schwanz ein, so ist es doch meistens? Hast du etwa gedacht, ich hätte die Gelegenheit genutzt, um mich dir wieder zu nähern?«

»Nun ja, ...ein wenig hatte ich gehofft, dass es etwas bedeuten könnte, wenn ich ehrlich bin«, antwortete er reumütig und räusperte sich. »Glaubst du nicht, dass wir wenigstens noch einmal miteinander reden sollten?«

»Vergiß es, Michael! Mach dir keine Hoffnung! Du bist für mich der letzte, mit dem ich eine Beziehung eingehen würde. Niemand hat mich jemals so verletzt wie du. Ich gehöre nicht zu denen, die Seitensprünge verzeihen. Du bist ein respektloser Schnösel. Jemand, der es gewohnt ist, sich alles zu erlauben, ohne sich rechtfertigen zu müssen. Such dir für deinen Charakter die passende Freundin.«

Selbst wenn man ihr ein Messer an den Hals gehalten hätte, wäre sie nicht bereit gewesen zuzugeben, was sie noch immer für ihn empfand. Aber sie duldete nicht, dass man sie auf diese Weise verletzte. Das Gespräch war damit beendet und Michael hatte verstanden. Es war wie so oft. Er hatte es noch nie geschafft, treu zu sein. Als er Sally zum ersten Mal sah, hatte es ihm die Sprache verschlagen. Sally war genau sein Typ. Grüne Augen, dazu brünette, lockige Haare, fast den gesamten Rücken hinunter. Er verliebte sich in sie, bevor er zum ersten Mal mit ihr sprach. Morgens verließ er sogar früher die Wohnung, um sie zu beobachten, wenn sie aus dem Bus stieg und von da aus zur Arbeit ging. Und als er sich endlich dazu durchgerungen hatte, sie auf der Straße anzusprechen, war er verwundert über ihre offene und zugleich humorvolle Art. Sie hatte ihn schon seit einigen Tagen bemerkt, worüber sie sich bestens amüsierte. Tatsächlich hatte er vermutet, dass sie arrogant sei, wie die meisten Frauen, die aussahen wie sie und erobert werden wollte. Darauf hatte er sich schon eingestellt. Aber es kam anders. Sally stammte aus kleinen Verhältnissen und war genügsam. Bis vor kurzem noch hatte sie zu Hause ihren arbeitslosen Vater zu versorgen, der nach dem Tod ihrer Mutter einem Arbeitsunfall erlitt, bei dem er sich den Rücken verletzte und erwerbsunfähig wurde. Die Invalidenrente war zu gering, als das er davon hätte leben können. Vor wenigen Wochen jedoch starb auch er. Sie brauchte keine Statussymbole und teuren Schmuck hätte sie schon aus Prinzip nicht getragen. Stattdessen konnte sie sich über kleine Aufmerksamkeiten, die zu ihr passten, überschwänglich freuen. Wie zum Beispiel alte Holzpuppen, die ihr Michael immer von Londons Trödelmärkten mitbrachte, oder die alten Musikscheiben aus den Sechzigern und Siebzigern, die sie gemeinsam mit ihrem Vater sammelte. Nur in einer Sache verstand sie keinerlei Spaß: Wenn man sie hinterging und ihre Gefühle verletzte. Sie war bodenständig und verlässlich. Aber dasselbe erwartete sie auch von anderen. Gerade einmal ein halbes Jahr waren sie ein Paar, als sie erfuhr, dass sich Michael von Betty, einer ihrer engsten Freundinnen, hinter ihrem Rücken verführen ließ. Daraufhin gab sie ihm ohne zu zögern den Laufpass.

Der Malaysia Job

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