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Kapitel 14

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In London brannten längst die Lichter. Es war nach acht Uhr, als er eintraf und er war wieder nüchtern, dafür aber gereizt und wütend. Er hatte keine Ahnung, warum sich Steven so eigenartig benahm. Die Sache mit dem Schiff hatte anscheinend höchste Priorität und Derek war auf etwas gestoßen. Warum aber wusste er bislang nichts davon? Stattdessen die ständige Frage nach der Diskette. Ausnahmsweise fand er sofort einen Parkplatz. Wenigstens etwas, dachte er. Wie immer stöhnte die Treppe unter seinen Füßen, bei jedem Schritt. Dann geschah das Unerwartete. Er hatte noch nicht den Schlüssel parat, da sah er, wie die Tür zu seiner Wohnung offen stand. Nicht weit genug offen, als dass es seinen Nachbarn hätte auffallen müssen. Manchmal ließ Michael sie, um für Durchzug zu sorgen, bei geöffnetem Fenster für eine Weile aufstehen. Daran hatten sich seine Mitbewohner im Haus längst gewöhnt. Schließlich machten sie es genauso. Er war sich aber vollkommen sicher, dass er sie verschlossen hatte, als er am Morgen losfuhr. Trotz intensiver Suche nach der Diskette. Er hatte Angst. Angst, dass noch jemand in der Wohnung sein könnte. Er zog es vor, noch nicht hinein zu gehen. Stattdessen klingelte er zunächst bei seinem seiner Nachbarn.

»Hallo, hier ist Michael Burk, der Mieter von nebenan. Bitte machen Sie auf!«

»Hallo, Mr. Burk, wann sind wir uns denn zum letzten Mal begegnet?«, sagte Mr. Miller, ein ehemaliger Küchenchef und jetzt Pensionär.

»Oh, das ist sicher lange her. Sir, ich habe im Augenblick ein Problem. Jemand muss in meine Wohnung eingebrochen sein. Die Tür steht offen und ich weiß nicht, ob noch jemand drin ist, verstehen Sie? Ich wäre Ihnen sehr dankbar, wenn Sie mir ein Messer leihen könnten, ein großes, spitzes Küchenmesser am besten«, sagte er erregt.

Ein paar Minuten später dann stieß er die Tür ganz auf, das Messer im Anschlag und knipste das Licht an. Es war ein Bild des Grauens. Es stockte ihm fast der Atem. Wer immer hier gewesen war, er hatte ganze Arbeit geleistet. Der Teppich im Flur war mit Scherben übersät. Seine Bilder an der Wand waren zerschlagen, ebenso seine japanischen Stehlampen im Flur, auf die er so stolz war. Der Küchenboden war mit Trümmern seines Inventars bedeckt. Der Inhalt seiner Schränke, Teller, Tassen und Untertassen lagen größtenteils zerbrochen oder leicht beschädigt herum. Darunter die ausgekippten Schubladen und das Besteck. Beim Gehen machten seine Schuhsohlen plötzlich ein eigenartiges Geräusch. Schnell bemerkte er, dass er in einer feuchten, klebrigen Masse steckte. Die Einbrecher hatten sich auch den Kühlschrank vorgenommen und die wenigen Produkte, die darin enthalten waren, auf den Boden geworfen. Die Milchtüte war natürlich geplatzt, die Flaschen mit Fruchtsäften zetrümmert. Nur das Obst und das Gemüse waren noch intakt. Die Eier hatte er zum Glück am Vorabend gekocht und gegessen, zusammen mit ein paar Sandwiches. Als Grundlage für den Tequila. »Ach, du lieber Himmel«, stöhnte der alte Miller, der ihm inzwischen gefolgt war. »Soll ich für Sie die Polizei rufen?«

»Nein«, antwortete Michael. »Ich will nur allein sein. Bitte nehmen Sie’s nicht persönlich.« Im Wohnzimmer sah es nicht besser aus. Seine großen Schwarz-Weiß-Fotografien lagen am Boden, die Rahmen sowie das Kunststoffglas davor waren zerstört. Den schlimmsten Anblick aber boten seine Ledercouch und die Sitzecke. Man hätte nur die Reißverschlüsse öffnen brauchen, um nachzusehen, ob sich etwas darin befindet. Stattdessen hatte man sie von allen Seiten aufgeschlitzt. Das können keine Menschen gewesen sein, dachte er. Nicht einmal Tiere tun so etwas. Sogar sein nagelneuer Flachbildschirm war nicht verschont worden. Mit einem Stemmeisen müssen sie ihn aufgebrochen und entzweit haben. Sollte so etwa die Suche nach Geld oder ein paar Wertgegenständen ausgesehen haben? Gehen Einbrecher immer so vor, wenn sie es auf klägliche Ersparnisse abgesehen haben? Hier gab es nichts zu holen. Den teuren Fernseher und die Stereoanlage zu rauben statt sie kaputtzumachen, hätte wesentlich mehr gebracht. Michael hatte kein Bargeld in der Wohnung. Und draußen zahlte er mit ECoder Kreditkarte. Für die paar Pfund die er bei sich trug, hätten ihm Diebe nicht einmal den Arm umgedreht. Er war vollkommen verzweifelt. Was zum Teufel sollte das? Wen hatte er in den letzten Wochen oder Monaten gekränkt oder beleidigt? Wer könnte ein Interesse daran haben, es ihm dermaßen heimzuzahlen? Jemand aus dem Büro vielleicht? Jemand, der sich von Steven wegen seiner Freundschaft zu ihm und Derek ständig übergangen fühlte? Oder dieser dämliche arabischstämmige Türsteher vor dem Club? Der es drauf abgesehen hatte Sally anzumachen und dafür von ihm im Beisein anderer Gäste mit Worten gerügt und vorgeführt wurde? ‚Das alles liegt doch schon sechs Wochen zurück,’ dachte er. Michael wusste sich keinen Rat. Er ließ sich in der Mitte seines verwüsteten Wohnzimmers auf dem Parkett nieder und überlegte, was er als nächstes tun sollte. Ein paar Augenblicke verstrichen, bis er eine inzwischen vertraute Stimme von der Straße her vernehmen konnte.

»Mr. Burk, sind Sie da?«, rief jemand.

»Ja«, sagte er, nachdem er das Fenster geöffnet und hinunter gesehen hatte. »Ich mache Ihnen auf.«

Es war O’ Mally, der Polizist. Und er war wieder zur selben Zeit da wie schon am Tag davor. Das Ächzen der hölzernen Treppe ließ ihn wissen, wann der Mann in seinem Stockwerk war.

»Ich sah Licht in Ihrem Appartement und dachte, dass Sie zu Hause sind«, sagte er, als er den Korridor erreicht hatte. »Mein Gott, was ist denn hier passiert?«, fragte er voller Entsetzten, als er die Wohnung betrat. Vorsichtig balancierte der Inspektor zwischen den Scherben im Flur und tastete sich an der Wand entlang.

»Fast hätte ich Ihnen einen guten Abend gewünscht, aber in Anbetracht der Situation wäre das wohl sehr unpassend gewesen.«

»Da könnten sie rechthaben«, sagte Michael, während er, die Arme verschränkt, am Türrahmen lehnte.

»War es ein Einbruch?«, fragte der Seargent.

»Was könnte es sonst gewesen sein«, meinte Michael lapidar.

»Wissen Sie, bei Streitigkeiten sieht es oft genauso aus. Es gibt Paare, die, wenn sie aufeinander losgehen, das gesamte Mobiliar verwüsten, ähnlich wie hier. Nur deshalb frage ich.«

»Nein«, sagte Michael. »Ich kam von Dereks Beerdigung und habe alles hier so vorgefunden. Im Übrigen habe ich keine Freundin mehr.«

»Das hört sich nicht sehr glücklich an. Falls es Sie noch interessiert, Sie sind nicht mehr im Polizeicomputer. Ihre Daten wurden längst gelöscht. Ich habe mich heute Morgen schlau gemacht. Deshalb bin ich auch eigentlich hier. Ich war mal wieder auf dem Nachhauseweg und sah noch Licht in Ihrer Wohnung. Ich dachte, ich könnte Ihnen damit eine Freude machen«, erläuterte er ihm.

»Danke Sir, haben Sie vielen Dank. Ich weiß das wirklich zu schätzen«, erwiderte Michael und lächelte müde.

»Haben Sie schon die Polizei informiert?«, wollte O’ Mally wissen.

»Nein, noch nicht. Was können die schon tun?«

»Eine ganze Menge, Mr. Burk. Womit wir wieder beim Thema wären. Sie wollen uns einfach nicht vertrauen, hab ich recht? Darf ich mich dennoch mal umsehen?«

»Aber natürlich, Sir. Vielleicht fällt Ihnen ja etwas auf. Sicher sehen Sie mehr als ich.«

Langsam schritt er die Räume ab, ohne etwas zu berühren.

»Hier müssen Tiere am Werk gewesen sein.«

»Der Gedanke war mir auch schon gekommen«, entgegnete Michael.

»Die haben etwas gesucht. Kein Zweifel. Das war kein normaler Einbruch. An Geld oder Wertgegenständen waren die nicht interessiert«, kommentierte O’ Mally. »Kommen Sie Michael! Was für ein Ass haben Sie im Ärmel? Mir können Sie nichts vormachen. Ich bin seit über dreißig Jahren im Dienst. Was ist es, was anderen so wichtig sein könnte? Denken Sie mal nach. Sind es Dokumente, der Schlüssel zu einem Safe? Ein Beweisfoto vielleicht oder eine Diskette?« Dem Polizisten blieb verborgen, dass Michael stutzte und verstört dreinblickte. Er hatte ihm zuvor den Rücken zugewandt. ‘Die Diskette’, schoss es ihm durch den Kopf. ‘Blödsinn’, dachte er andererseits. Weshalb sollte die Diskette damit zu tun haben? Nur Zufall, dass er es eben erwähnt hatte.

»Nein Sir. So sehr ich mich auch bemühe. Mir fällt wirklich nichts ein. Aber wenn ich eine Idee habe, rufe ich Sie an«, versicherte er ihm. Michael wollte jetzt endlich alleine sein und mit dem Aufräumen beginnen.

»Gut, Mr. Burk. Ich bin dann wieder weg«, sagte O’ Mally abschließend und verließ den Raum Richtung Tür. »Trotzdem glaube ich, dass Sie einen Fehler machen«, sagte er weiter und drehte sich dabei noch einmal zu ihm um. »Sorgen Sie dafür, dass es Ihnen nicht so ergeht wie Ihrem Freund Derek. Das war kein schöner Anblick, wirklich nicht.«

»Einen Moment! Glauben Sie ernsthaft, dass das hier in Zusammenhang stehen könnte mit seinem Tod?«

»Ich glaube gar nichts. Genauso wenig wie ich glaube, dass Ihr Freund einfach so verunglückt ist. Ich suche lediglich nach Beweisen. Dennoch bin ich mir ganz sicher, dass Sie mehr wissen als ich. Gute Nacht.«

Wieder lächelte er freundlich und stieg langsam die knarrende Treppe hinunter. Michael ließ sich gegen die Tür seiner Wohnung fallen und sank in die Knie. Was zum Teufel geht hier vor und was hätte er tun sollen? Was wäre, wenn sich O’ Mallys Verdacht bestätigen würde und der Einbruch tatsächlich etwas mit Dereks Tod zu tun hätte? Wäre er dann nicht auch in Gefahr? Was aber könnte dahinter stecken? Könnte der Frachter damit zu tun haben? Hätte er den Inspektor vielleicht einweihen, ihm von dem Schiff und den Toten erzählen sollen? Um damit möglicherweise die Behörden vorzeitig auf den Plan zu rufen? Er raufte sich die Haare und schleppte sich ins Wohnzimmer. Morgen würde er mit Steven über alles reden. Gleich morgen früh und diesmal in Ruhe.

Der Malaysia Job

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