Читать книгу Der Malaysia Job - Karsten Kemper - Страница 12

Kapitel 10

Оглавление

Das ‚Donagals’ lag in einer Seitenstraße, nur ein paar Blocks von ‚Marble Arch’, einem markanten Verkehrsknotenpunkt auf Höhe der Oxford Street, entfernt. Im vorderen Teil des Restaurants konnte man nach draußen auf die Oxford Street blicken. Die Einrichtung war in dunklen Rotund Brauntönen gehalten. Rustikal eben, sowie das Essen dort auch. Leider ebenso die Preise. Steven würde schon zahlen und das Essen als Geschäftsessen verbuchen. Michael war froh, endlich etwas Deftiges zwischen die Zähne zu bekommen, wie er es von zu Hause gewohnt war. Seit er in London lebte, hatte er auf dem Heimweg von der Redaktion tonnenweise Sushi und Döner gegessen. Die Pizza, die er sich zusammen mit seinen Kollegen regelmäßig ins Büro liefern ließ, hing ihm mittlerweile zum Hals raus. Und Fisch und Chips waren ihm sowieso verhasst. Michael hatte fast das ganze Lokal inspiziert, als er auf Stevens Winken aufmerksam wurde. Er hatte sich an einem der runden Sitzecken niedergelassen, die die verwinkelten Nischen ausfüllten. Wie immer hatte er Bedenken, dass ihn jemand aus dem Büro im Vorbeigehen zufällig sehen könnte, wie er mit Michael zusammen bei Tisch sitzt. Seine Bisexualität, von der alle wussten, war den meisten Leuten egal. Das gute Verhältnis aber, das er zu ihm und einst auch zu Derek pflegte, hatte schon mehr als einmal zu Verstimmungen unter Teilen der Belegschaft geführt. Steven stand auf und schloss ihn fest in seine Arme. Zu fest, wie Michael befand. Steven war schon länger da und hatte bereits einige Drinks gekippt, was sein alkoholisierter Atem verriet. Seine Augen waren leicht gerötet. Und aus dem Versuch, sich das Rauchen abzugewöhnen, wie er es den beiden vor ihrer Abreise angekündigt hatte, war auch nichts geworden. Dereks plötzlicher Tod hatte wohl auch ihn in Mitleidenschaft gezogen. »Keine Angst, Mike. Wenn ich erst etwas gegessen habe, werde ich auch wieder klar im Kopf«, sagte er vorsorglich. »Die letzten Tage waren hart.«

»Hast du es Andy schon erzählt, weiß er schon von seinem Glück?«, fragte Michael in Bezug auf seinen neuen Partner.

»Ich habe es ihm heute gesagt. Er war ein wenig überrascht. Du weißt, dass es besseren Ersatz für Derek gegeben hätte. Aber ich weiß auch, dass ihr euch gut versteht.«

»Ich danke dir, Steven. Aber eigentlich ist es so..., ich will ehrlich sein. Im Grunde habe ich keine Lust mehr auf den Job. Ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, jetzt ohne Derek zu arbeiten. Klar, Andy ist in Ordnung. Aber ich müsste, wenn ich wieder da anfange, wo ich aufgehört habe, bei jeder Gelegenheit an Derek denken.«

»Was meinst du damit, willst du den Job etwa hinschmeißen?

Das hätte Derek nie gewollt, glaube mir«, entgegnete Steven.

»So muss es nicht sein. Ich meine, kann ich nicht ein wenig im Büro arbeiten, irgendwas anderes machen? Wenigstens für eine Weile. Am PC bin ich genauso gut wie die anderen, das weißt du doch.«

Stevens Reaktion ließ auf sich warten.

»Lass mich darüber nachdenken, okay?« erwiderte er schließlich. Wie war es drüben bei deinen Eltern?«

»Ganz gut, wie immer eigentlich. Meine Schwester hat mich mal wieder angemacht und mein alter Herr wollte, dass ich endlich in die Kanzlei einsteige.«

»Und das wäre wirklich nichts für dich?«

»Mein Gott, du kennst doch das amerikanische Rechtssystem. Anwälte werden stinkreich, wenn sie das Recht beugen und andere wiederum werden reich, wenn sie nur darüber schreiben. Ein Großteil der amerikanischen Gegenwartsliteratur handelt nur davon.«

Michael hatte sein Steak aufgegessen und bestellte sich nun auch ein Bier. Dann wurde ihre Aufmerksamkeit nach draußen gelenkt. Eine Frau war, als der Doppeldecker beschleunigte, von der offenen Plattform des Busses gefallen und hatte sich verletzt. Im selben Moment waren aber auch schon jede Menge Leute zur Stelle, um ihr zu helfen.

»Die Dinger kommen jetzt weg«, sagte Steven verächtlich.

»Wie, heißt das, dass man sie abschaffen will?«, hakte Michael nach.

»So ist es. Sie habens neulich im Fernsehen gebracht. Jedes Jahr gibt es eine paar Tote mit den altmodischen Büchsen.«

»Tote?« »Ja, Tote!«, antwortete Steven mit hochgezogenen Augenbrauen, womit er bei Michael etwas auslöste.

»Was ist eigentlich mit dem Obduktionsbericht? Es gab doch einen, oder etwa nicht?«

»Du redest von Derek? Nun, so weit ich informiert bin, gab es keinen, ...warum auch. Es war ein Unfall. Derek war betrunken und…«

»Was sagt du da? Er war betrunken?«

»Ja! Und hat bei nasser Fahrbahn die Kontrolle über seinen Golf verloren. Dann ist er gegen einen Baum geprallt«, entgegnete Steven, als sei es das Selbstverständlichste der Welt.

»Was redest du da? Erst hieß es, er sei nicht angeschnallt gewesen und jetzt soll er sogar betrunken gewesen sein?«, entrüstete sich Michael. »Du kanntest ihn immerhin genauso gut wie ich. Du weißt ebenso, wie sehr er auf Sicherheit bedacht war. Derek war nicht angeschnallt? Das ist, als würdest du den Papst beim Sex erwischen. Dazu betrunken. Und der Unfallort? Kommt dir das nicht merkwürdig vor? Was hatte er dort zu suchen?«

»Michael …Mike, du siehst Gespenster. Irgendwann ist immer das erste Mal. Vielleicht war er ja, wenn er alleine war, doch nicht so vorbildlich. Zumindest nicht sich selber gegenüber. Vielleicht hatte er in seinem alkoholisierten Zustand ganz einfach vergessen, sich anzuschnallen. Purer Zufall, verstehst du? Möglicherweise hatte er getrunken, weil er Probleme mit Samantha hatte. Sieh mal, als ich noch ein Junge war...«

»Hör auf damit. Erspar mir das!« unterbrach er ihn. »Vielleicht hast du ja recht. Möglicherweise war es ein Unfall. Eine Verkettung unglücklicher Zufälle, wie man sagt.« Michael holte tief Luft und sah noch einmal aus dem Fenster. »Danke fürs Essen«, sagte er leise.

»Schon gut, Junge, ich kann dich ja verstehen. Ihr wart Freunde. Aber nun musst du langsam akzeptieren, dass er tot ist. Das Unterbewusstsein sträubt sich manchmal gegen Dinge, die...«

»So was habe ich heute schon einmal gehört.«

»Ach ja. Und von wem?«

»Von Sally. Ich habe heute mit ihr telefoniert.«

»Und, glaubst du, dass du sie noch einmal rumkriegst?«

»Momentan sieht es nicht danach aus. Aber mir steht jetzt auch nicht der Sinn danach.«

Steven winkte dem Ober zu und ließ sich die Rechnung bringen. Anschließlich vertraten sie sich noch ein wenig die Beine, Richtung Hyde Park. »Fast hätte ich es vergessen. Die Beerdigung ist morgen. Weißt du, wie du hinkommst?«

»Ja, ich war schon ein paar Mal dort. Soll das etwa heißen, dass du nicht mitkommst?«, entgegnete Michael verwundert.

»Du warst längere Zeit nicht hier gewesen. Wir sind bis oben hin voll mit Arbeit. Ich kann es mir im Moment wirklich nicht leisten, einen Tag von der Bildfläche zu verschwinden. Ich habe darüber mit seinen Eltern geredet. Sie verstehen das«, gab er Michael zur Entschuldigung. »Kannst du morgen noch im Büro vorbeischauen, bevor du fährst? Es geht um ein paar persönliche Sachen von Derek, von denen ich denke, dass du sie vielleicht haben möchtest.«

»Sicher, Steve, werde ich.«

»Und vergiß nicht die Diskette.«

»Welche Diskette?«, wollte Michael wissen.

»Das Material aus der Unterwasserkamera. Mit den Toten.«

»Was, wie? Die habe ich doch gar nicht«, entgegnete er.

»Doch, du musst sie haben, Mike. In der Redaktion ist sie nicht. Wie ich dir schon sagte. Ich habe Dereks Sachen ausgeräumt und zusammengepackt. Wenn sie noch dort gewesen wäre, hätte ich sie sicher gefunden.«

»Aber Derek hat sie doch mitgebracht und recherchiert, oder?«

»Natürlich hat er das. Aber ich finde sie nicht. Sie ist weg. Ich dachte, er hätte sie dir vielleicht irgendwie zukommen lassen, bevor er ins Wochenende fahren wollte.«

»Nein, hat er nicht. Ganz sicher. Im Briefkasten war nichts, als ich ankam. Wahrscheinlich hat er sie bei sich zu Hause deponiert.«

»Nein, Fehlanzeige. Dort habe ich auch schon nachgesehen.«

»Was, du warst in seiner Wohnung? Seit wann hast du einen Schlüssel?«, fragte Michael überrascht und blieb stehen.

»Schon länger, nur zur Sicherheit. Du hast hoffentlich kein Problem damit. Schließlich war er auch mein Freund.«

»Nein, nein, natürlich nicht.« »Egal, sie wird schon wieder auftauchen«, wiegelte Steven ab.

»Alles findet sich irgendwo wieder.« Dann trennten sie sich mit einem versöhnlichen Blick und gingen in verschiedene Richtungen davon.

Der Malaysia Job

Подняться наверх