Читать книгу 2145 - Die Verfolgten - Katherina Ushachov - Страница 17
15. Allegra – unterwegs – 08.07.2145
ОглавлениеSie atmete tief durch. Eigentlich war das Ganze wie ein Augmented Reality Spiel, und ihre Quest bestand darin, zunächst lebend und ungesehen die Stadt zu verlassen.
Nur war das hier kein Spiel.
Die Riemen des Rucksacks drückten ihr in die Schultern, ihre Füße schmerzten vom Laufen, sie versteckte sich im Schatten und durfte sich nicht bewegen, sobald sich eine Patrouille näherte.
Die schwer bewaffneten Einheiten waren die Einzigen, die während der Sperrstunde noch unterwegs sein durften. Sie und die vollautomatischen Lastwagen der entsprechenden Gewichtsklasse.
Ansonsten waren die Städte nachts nahezu ausgestorben.
Allegra wich beiden aus. Die selbstfahrenden Laster sollten zwar keine Gefahr darstellen, aber wer wusste, wohin die Bilder ihrer Frontscheibenkameras übertragen wurden. Kein überflüssiges Risiko eingehen, das war nicht nur in Videospielen die klügere Wahl.
Sie folgte den Spuren der Magnetbahnen von Haltestelle zu Haltestelle.
Miss Tan würde sie nicht vermisst melden. Zumindest nicht, solange es sich vermeiden ließ. Sobald im Morgengrauen die Ausgangssperre enden würde, konnte Allegra sich in einen beliebigen Zug in Richtung Louisiana setzen, ohne aufzufallen. Aber selbst im Sommer musste sie bis dahin noch einige Stunden durchhalten.
Die Stille der Stadt lastete auf ihr und sie musste gegen die Angst ankämpfen, ohne singen oder pfeifen zu dürfen. Lautlos, mit überreizten Sinnen, auf jedes Geräusch lauernd, das einen Lastwagen oder eine Patrouille ankündigen konnte. Allegra führte es sich immer wieder vor Augen: Sie suchten einen Jungen mit blondem Haar. Sie würden vor einem Mädchen mit schwarzem Haar trotzdem nicht haltmachen.
Wenn sie erwischt wurde, konnte sie sich genauso gut gleich umbringen, nur fehlte ihr die Fantasie für eine sinnvolle Methode, die mit nichts als einem Rucksack voller Essen und einem UniCom durchführbar wäre.
Ein leises Sirren zerschnitt die Stille und hallte in den Häuserschluchten wider.
Allegra blickte auf.
Eine Drohne.
Sie starrte das Fluggerät für den Bruchteil einer Sekunde an – dann rannte sie los.
Das Sirren spann sie in ein Netz aus Geräuschen ein, vor ihr, hinter ihr, über ihr, überall, kein Entrinnen, wenn es sie erst erreichte …
Die Drohne hatte Waffen. Einen Taser, wenn sie sich richtig erinnerte. Und »Brüder«.
Zwischen die Gassen.
Über die Magnetspur.
Hinunter in die Unterführung.
Weiter, immer weiter, durch die verwaisten unterirdischen Gänge und wieder in die Nacht. Irgendwann muss es doch Morgen werden. Und bis dahin musste sie die Stadt verlassen haben.
Sie folgte erneut den Spuren der Magnetbahnen, jetzt ohne das Sirren im Nacken. Offenbar hatten die Kameras der Drohne sie überhaupt nicht erfasst, als sie losgerannt war. Sonst wäre ihr das Gerät bestimmt nachgeflogen.
Vielleicht würde sie es nicht schaffen, vor Tagesanbruch die Stadt zu verlassen. Aber ihr UniCom sagte ihr, dass der Multihafen von Atlanta in der Nähe war. Von dort aus fand sie bestimmt einen Zug aus der Stadt. Oder einen billigen Kleinflieger.
Und es würde niemandem auffallen, wenn sie bis zum nächsten Aufenthalt ein wenig schlief.