Читать книгу 2145 - Die Verfolgten - Katherina Ushachov - Страница 5
3. Riú Gordon – Washington D.C. – 07.07.2145
ОглавлениеRiú saß vor seinem in den Schreibtisch eingebetteten Arbeitscomputer im Oval Office und war ganz aufgekratzt. Eigentlich lebte er in ständiger Furcht, hatte keine Zeit für Ruhepausen.
Er wusste genau, dass er sich objektiv betrachtet am sichersten Ort der Erde befand. Die neuesten Sicherheitsvorkehrungen hatte er schließlich selbst einbauen lassen und damit das Oval Office zu einer uneinnehmbaren Festung gemacht. Selbst wenn jemand es gegen seinen Willen hineinschaffte, hatte er immer noch genug Männer vom Secret Service vor der Tür, um eine kleine Armee aufzuhalten.
Und dann dachte er daran, dass sein Vater eigentlich an seiner Stelle sitzen sollte, und fühlte sich mickrig. Wer war er im Vergleich zu Raoul Gordon? Ein kleiner Junge, auf dessen Rücken die ganze Welt lag. Und irgendwann würde er unter ihrem Gewicht zusammenbrechen.
Dabei war nicht gerade hilfreich, dass sich nach dem Tod seines Vaters sämtliche KI-Assistenten einfach abgeschaltet hatten und Riú somit eine Welt zusammenhalten musste, die technisch um fünfzig, wenn nicht gar hundert Jahre in die Vergangenheit katapultiert worden war.
Nun war jedoch die aufreibende Bildschirmarbeit beendet, er hatte nichts zu tun und genau das machte ihn nervös, sodass er sich permanent davon abhalten musste, auf dem Touchscreen herumzutrommeln und damit unfreiwillig Befehle auszulösen.
Er könnte das Gerät ausschalten, das Oval Office verlassen und sich ausruhen. Einige Stunden gar nichts tun und hoffen, dass er nicht auf Schlaftabletten zurückgreifen musste, um die dringend notwendige Ruhe zu bekommen.
Und wenn genau in diesem Moment ein Attentäter dabei wäre, seinen perfiden Plan in die Tat umzusetzen?
Nein. Er musste bleiben. Schlafen konnte er auch später noch.
Schon seit Monaten hielten sich diese verdammten Mutanten bedeckt, kein einziger Angriff, nicht einmal irgendwelche Jugendliche, bei denen die elterlichen Gene durchbrachen. Nichts. Konnte das bedeuten, dass sie etwas besonders Großes planten – war das die Ruhe vor dem Sturm? Vor seinem Sturz?
Nichts fürchtete Riú mehr als ihre Rache, und der Gedanke daran bereitete ihm regelmäßig Albträume.
Plötzlich erschien ein blinkendes Kamerasymbol auf dem Touchscreen und wartete nur darauf, angetippt zu werden.
Er pochte fest mit dem Finger darauf, woraufhin das übernächtigte, müde Gesicht eines Mittzwanzigers auftauchte.
»Mr President, Sir. Ein Vorfall in Gordon City erfordert Ihre persönliche Aufmerksamkeit, wir vermuten einen Mutan…«
Riú ließ den jungen Mann gar nicht erst ausreden – Adrenalin strömte durch seine Adern und hastig wischte er den Videoanruf vom Bildschirm. Na endlich, wurde auch Zeit! Er schlug mit der Faust auf den Tisch, ehe er so schnell aufsprang, dass sein Bürostuhl krachend zu Boden fiel. Riú achtete nicht darauf und eilte in die kleine Kommandozentrale im Nebenraum.
Es gab nur drei Dinge, die alle Kameras in jedem Raum der Welt aktivierten: Einbrecher, ungewöhnlich viele Leute in einem Raum oder jemand hatte auf den Ambulanzknopf gedrückt. Und sein Assistent hatte bereits das Zauberwort gesagt.
Mutanten.
Als er in der Kommandozentrale eintraf, lief die Übertragung der Überwachungskameras bereits auf der Smartwall.
»Gut, dass Sie da sind.« Der junge Assistent sprang von seinem Platz und bot ihm seinen Stuhl an. »Die automatischen Luftanalysen haben im Zimmer des Mädchens die typische Hormonzusammensetzung eines Mutantenangriffs festgestellt, und schauen Sie …«
Der Stream einer der Kameras war mit einem roten Kreuz markiert, von diesem Raum aus hatte also jemand eine Ambulanz gerufen.
Riú tippte das Symbol an und erhielt die Positionsauswertung – Gordon City, das Haus der Familie Springfield, dort das Zimmer der Tochter des Hauses, Valentine. Er drückte auf einen anderen Knopf, der es ihm ermöglichte, drei zusätzliche Überwachungskameras zu aktivieren und ihre Aufnahmen parallel nebeneinander anzeigen zu lassen.
Alle vier Kameras zeigten ihm einen jungen Mann mit langen blonden, blutverschmierten Haaren. Er stand vor der Leiche der Tochter des Hauses und hatte den Finger auf dem Knopf.
Riú griff zum UniCom und wählte eine nur ihm bekannte Nummer. »Mormannin, eine Mutanten-Razzia nach Gordon City, President Street 11, das Haus der Springfields.«
Genießerisch lehnte er sich zurück, um das Schauspiel zu beobachten und spürte, wie sich ein Lächeln in sein Gesicht stahl. Das waren die Momente, für die Riú lebte.
Bart Mormannin hatte seine Leute überall. Die Mutantenjagd musste lustig werden. Vielleicht sollte er sich Popcorn bringen lassen?