Читать книгу 2145 - Die Verfolgten - Katherina Ushachov - Страница 21
19. Ariane Faw – Atlanta – 08.07.2145
ОглавлениеAriane staunte – der junge Mann hätte genauso gut Riú sein können!
Doch nein, er war wesentlich jünger, und seine Augen waren grün. Außerdem zeigte sein Gesicht bereits ganz leichte Zeichen der Umstellung durch die Mutanten-Gene in seinem Körper. Für Arianes geschulten Blick war deutlich zu sehen, dass sein Gesicht sich noch stark verändern würde.
Das war schließlich nicht der junge Riú, sondern ein Mutant, die Ähnlichkeit konnte nur zufällig sein. Und doch bildete sie sich immer wieder ein, seine Augen wären dunkelgrau …
»Sie wollten mit mir reden?«
Er nickte ernst.
»Wir haben wenig Zeit.«
»Ich weiß. Sind Sie …« Er fuhr sich über den Militärhaarschnitt, und die Geste wirkte, als wäre er die Kürze nicht gewohnt.
Lange Haare. Der Junge hatte bis vor Kurzem noch lange Haare.
»Sind Sie Ariane Faw?«
»Die bin ich.«
»Darf ich mich setzen?« Er trat sichtlich verlegen von einem Fuß auf den anderen.
Auf einmal wusste sie, wer er war.
»Natürlich.«
Das war der Junge aus der Nachricht des Präsidenten.
»Sprich nicht so förmlich.« Ariane drückte einen Knopf im Flur, sodass sich sämtliche Vorhänge schlossen. Wortlos folgte Avriel ihr leicht schlurfend in ihre saubere Küche, wo Ariane Wasser aufsetzte und Teebeutel aus dem Küchenschrank holte. Erst als der Tee fertig war, setzte sie sich neben ihn auf einen der blauen Küchenstühle.
»Ich habe dich noch gar nicht gefragt, wie du heißt.«
Sie starrte ihn an.
»Avriel.« Er verzog das Gesicht, presste die Antwort zögernd hervor. »Mein Name ist Avriel Adamski.« Er verschränkte die Arme und blickte stumpf auf einen Punkt irgendwo neben ihr.
Adamski! Das ist Fabis Sohn! Sie selbst hatte den falschen Nachnamen vorgeschlagen, damit der Junge nicht zu Fabricia zurückverfolgt werden konnte. Nun ging ihr auch der Grund für seine Ähnlichkeit mit Riú auf. Es brodelte in ihr, aber sie zwang sich, ruhig zu bleiben. »Du kannst mir vertrauen. Wenn du willst, kannst du mir sogar ins Gesicht leuchten, ich bin eine Mutantin.« Sie schmunzelte. Gleichzeitig fragte sie sich, warum sie ihm sofort vertraut hatte. Sie waren einander soeben begegnet und er hatte ihr am Automaten aufgelauert. War es die Ähnlichkeit mit Riú?
Langsam hob er seinen UniCom und fotografierte sie mit Blitz. »Stimmt. Mutantin.« Er entspannte sich sichtlich.
Sie wusste nicht, was sie sagen sollte. Fabricias und Riús Sohn in ihrer Küche mit einer Tasse Tee vor der Nase.
Ariane musste hier weg und nachdenken, aber dringend, ehe sie vor seinen Augen durchdrehte.
»Warte auf mich, ich hole mein Pad.« Ohne ihm Zeit zum Antworten zu geben, hastete sie nach oben in ihr Schlafzimmer, um das alte Gerät zu holen. Auf der Treppe wurde ihr schwindlig und sie musste sich am Geländer festklammern, um nicht zu fallen.
Avriel – Riús Sohn! Gefühle, die sie längst verdrängt geglaubt hatte, brachen an die Oberfläche, heiße Wellen der Eifersucht drohten sie zu überwältigen.
Fabricia hatte nie gewusst, dass Ariane ihr den Freund neidete, sie hatte nicht einmal geahnt, wie gerne Ariane an ihrer Stelle gewesen wäre, und jetzt stand der Beweis vor ihr, dass Riú und ihre beste Freundin … nein. Nicht daran denken, die Bilder wollte sie ganz gewiss nicht in ihrem Kopf haben.
Hastig tippte sie eine Nachricht an Fabricia und kehrte dann erst zu Avriel zurück.
Als sie die Küche erneut betrat, zuckte Avriel nicht einmal mit der Wimper. Jetzt allerdings schien er aus seiner Lethargie zumindest soweit erwacht zu sein, dass er das für ihn hoffnungslos veraltete Gerät mit halboffenem Mund angaffte. »Was ist das denn?«
Ariane legte das Pad auf den Küchentisch und aktivierte es, indem sie zweimal schnell auf den Bildschirm tippte. »Schreibt ihr in der Schule nicht auch auf solchen Dingern? Nur müssten eure Modelle ein wenig neuer sein.« Sie drehte das Gerät um. »Siehst du? Das hält fast nur noch mit Panzerband und Spucke zusammen. Es wurde von mir gehackt und ist Teil eines Nexus-Netzes, für die ganzen modernen Überwachungsprogramme hat es nicht genug Saft und die alten habe ich runtergeschmissen. Die einzige Möglichkeit, unbeschadet auf m-mail.com zuzugreifen.«
»Äh, Mail-was?«
»Der Maildienst von und für Mutanten in aller Welt, samt Social Network außerhalb der staatlichen Kontrolle.«
»Was sind diese Social-Dinger?«
Ah, Jugendliche. Vermutlich hatte er kein Wort von dem verstanden, was sie erklärt hatte. »Ein Social Network ist ein Ort, an dem man Bilder, Videos und noch mehr Nachrichten austauschen kann. Auch wenn das heute nicht mehr aktuell ist – was bringt man euch in der Schule bei?«
»Geschichte, Mathe, Rassenkunde …«
Sie seufzte. »Schon gut. Also. Dieses Pad ist jedenfalls gegen staatliche Überwachung geschützt und kann damit für den Widerstand benutzt werden.«
»Wie soll das gehen?«
Er schloss die Augen und drückte die Finger auf die Lider.
Ariane verstand, dass sie sich langsam auf das Sehen im Dunkeln spezialisierten. »Nexus-Netz, sagte ich doch. Schwierig auf die Schnelle zu erklären, es kommt jedenfalls niemand rein, der nichts davon weiß und nicht eingeladen ist.«
»Warum erzählst du mir das alles? Das ganze verbotene Zeug?« Seine Stimme hatte jetzt einen dumpf-gequälten Klang.
»Weil du ohnehin gesucht wirst und es auf einen Gesetzesverstoß mehr oder weniger nicht ankommt?«
Er seufzte. Dann hob er seine Teetasse an die Lippen und trank ihren Inhalt in einem langen Schluck leer.
»Aber ich glaube nicht«, fuhr Ariane fort, »dass du hergekommen bist, um Tee zu trinken.«
»Nein. Es ist komplizierter.«