Читать книгу Seawalkers (6). Im Visier der Python - Катя Брандис - Страница 10
ОглавлениеVorfreude und Pickel-Alarm
Wir übten alle wie verrückt für die Prüfung, auch ich. Angeblich war ich zwar laut Mr García ein Naturtalent in Verwandlung, aber in letzter Zeit waren mir ein paar Pannen passiert (Menschenzähne sahen an einem Tigerhai unglaublich lächerlich aus). Ich wollte nicht erleben, dass alle anderen strahlend ins Flugzeug kletterten und ich hinter den Glasscheiben stand und ihnen traurig hinterherwinkte. Das war meine Chance, wenigstens ein Mal aus Florida rauszukommen, und die würde ich nicht verpatzen!
Am Donnerstag kam Johnny vorbei, um den Abend mit mir zu verbringen und meine Austausch-Erlaubnis zu unterschreiben. Wir aßen in der Blue Reef Highschool zu Abend und saßen dann gemütlich im Palmhain und beobachteten den Sonnenuntergang. Ich freute mich total, dass er mich besuchte; das machte er gar nicht so oft, weil er nach wie vor viele Schichten im Orange Blossom Motel arbeitete.
Mit einem Motel-Kuli kritzelte Johnny seine Unterschrift unter die Erlaubnis. »Du wirst bestimmt eine tolle Zeit haben«, meinte er und klang ein klein bisschen wehmütig. Auch er war weder als Mensch noch als Zackenbarsch viel herumgekommen. Doch ansonsten ging es meinem Onkel gerade ziemlich gut, er hatte seine massige Gestalt in einen Liegestuhl gepresst und schlürfte entspannt einen frisch gepressten O-Saft, den ihm unser Koch Joshua persönlich zubereitet hatte (er hatte Johnny irgendwie ins Herz geschlossen).
»Hoffentlich klappt es auch wirklich!« Ich teilverwandelte probeweise eine Hand zur Flosse. Johnny musste grinsen, doch dann wurde er plötzlich nachdenklich.
»Kalifornien … ist das nicht, wo dieser Alan Dorn wohnt?«, fragte er.
»Ja, stimmt«, sagte ich mit gemischten Gefühlen.
Eigentlich hatte ich den reichen Wandler nett gefunden, als ich ihn vor Kurzem in Mr Clearwaters Büro kennengelernt hatte, und er hatte uns mit Waves Kaution geholfen und dabei, feindliche Wandler-Spione aus nichts ahnenden Familien herauszuholen. Noch immer hatte ich keinen Schimmer, wie er es geschafft hatte, innerhalb kürzester Zeit ein absolut identisches Kaninchen aufzutreiben. Andererseits hatten Dorns Leute uns seltsamerweise im Stich gelassen, als wir beim Kampf gegen die Lennox und ihre Tigerinnen in Lebensgefahr gewesen waren. Außerdem war mir nach wie vor nicht klar, was seine Leute wirklich in den Behältern dabeigehabt hatten, mit denen wir sie in den Everglades gesehen hatten.
»Weißt du, wo in Kalifornien er seine Zentrale hat?«, fragte Johnny.
»Moment«, sagte ich, googelte es und fand heraus, dass sein Unternehmen – das den nichtssagenden Namen Worldwide Traders Export/Import trug – lustigerweise ebenfalls in San Francisco saß. »Besuchen werde ich ihn aber sicher nicht«, meinte ich zu meinem Erziehungsberechtigten. Ich hatte Alisha Whites Warnung, ich sollte mich von dem mysteriösen Mr Dorn besser fernhalten, nicht vergessen.
»Was ist, wenn er möchte, dass du vorbeischaust? Schließlich hat er die Blue Reef unterstützt.« Johnny furchte die Stirn und genehmigte sich einen seiner geliebten Zimtkaugummis.
»Dann mache ich das halt. Sollen die Lehrer entscheiden.« Ich zuckte die Schultern. »Eigentlich fand ich ihn ja total nett, er hat uns bisher nur Gutes getan. Er hat noch kein einziges Mal gefragt, wann er endlich Waves Kaution zurückbekommt.«
Waves Verhandlung war in zwei Wochen und wir alle hofften, dass unser Buckelwal-Bekannter so wie vereinbart rechtzeitig aus dem Meer an Land zurückkommen würde.
»Ist vielleicht ganz praktisch, dass ihr dort in Kalifornien jemanden außer den Redcliff-Leuten kennt, der euch im Notfall helfen kann«, meinte Johnny.
Ich grinste. »Du meinst, falls wir mal wieder ein ganz besonderes Kaninchen brauchen?«
Johnny klang amüsiert. »Kann sein. Wenn man einen Notfall hat, beruhigt einen Kaninchenknuddeln enorm.«
Einen sehr kleinen Notfall hatte ich jetzt schon und bei dem half ganz sicher kein Kaninchen. Auf meiner Stirn und meiner Wange hatten sich in kürzester Zeit zwei dicke rote Pickel gebildet. Ich hatte sie schon mit Alkohol betupft, was sie leider überhaupt nicht beeindruckt hatte. »Meinst du, Shari liebt mich noch, wenn sie mich so sieht? Sie hat doch als Delfin wahrscheinlich nie im Leben einen Pickel gehabt!« Verstohlen blickte ich mich um. Zum Glück war Shari gerade mit Blue und Noah unterwegs.
»Wenn sie dich nicht inklusive Pickeln liebt, solltet ihr eure Beziehung mal überdenken«, brummte Johnny und stellte sein leeres Saftglas beiseite. »Als ich noch als Frau gelebt habe, hatte ich komischerweise auch ziemlich viele Pickel … vielleicht war das so ein Hormon-Ding. Aber Mari-Anne hat nie ein Wort darüber verloren.«
Ich nickte – mit Mari-Anne war er mehrere Jahre zusammen gewesen, vor und nach seinem Wechsel von Jenny zu Johnny.
Wir verabschiedeten uns mit einer festen Umarmung, dann fuhr Johnny mit seinem schrottigen Toyota zurück nach Miami. Ich blickte ihm noch lange nach. Was wäre wohl aus mir geworden, wenn meine Eltern mich irgendwo anders abgegeben hätten als ausgerechnet bei ihm? Ich verdankte ihm sehr viel.
Am nächsten Morgen sah mich Shari zum ersten Mal mit meiner neuen Gesichtsdeko. Natürlich bemerkte sie sie sofort … und Shari war nicht der Typ, der über etwas Interessantes keine Worte verlor. »Die sehen aus wie kleine Vulkane, du weißt schon, diese Dinger aus dem Dokumentarfilm neulich?«
»Äh, ja«, sagte ich und spürte, wie ich rot wurde.
»Manchmal kommt aus Pickeln auch was raus – allerdings keine Lava, sondern Eiter«, verriet ihr Blue und ein gemeinschaftliches »Iiiih!« schallte mir entgegen. Oh, nice. Vielleicht sollte ich eine Zeit lang als Tigerhai leben … die hatten keine Hautprobleme, oder?
»Aber das macht nichts.« Shari nahm mich in die Arme und küsste mich. Erst danach fragte sie: »Ansteckend sind die Dinger nicht, oder?«
»Nein«, murmelte ich, nachdem ich sie zurückgeküsst hatte.
»Na, dann ist ja gut«, sagte Shari und wandte sich an uns. »Was meint ihr zu diesem Telefongespräch von Ella? Wir müssen Mr Clearwater und Miss White unbedingt sagen, dass die Lennox etwas vorhat! Vielleicht sollten wir irgendwelche Verteidigungsmaßnahmen organisieren?«
»Gute Idee«, sagte ich und war sehr erleichtert über den Themawechsel. Also gingen wir gleich los, um unseren Lehrern Bescheid zu sagen.
Wie sich herausstellte, waren sie nicht so ahnungslos, wie wir befürchtet hatten.
»Es war Absicht, dass das mit dem Austausch nun so schnell gegangen ist«, erklärte Jack Clearwater, den wir in seinem Büro antrafen, wo er gerade etwas mit unserer Kampflehrerin besprach.
»Ja, in der Tat«, sagte Miss White, ihr Blick war prüfend. Fragte sie sich, wie viel sie mir anvertrauen konnte? »In letzter Zeit haben wir uns mit gefährlichen Leuten angelegt … wir wollten dich und deine Klasse wenigstens ein paar Tage lang aus der Schusslinie nehmen. Außerdem können Farryn, Jack und ich uns in Kalifornien mit ein paar wichtigen Ratsmitgliedern besprechen. Wegen Mrs Lennox und der Art, wie sie Wandler in ihre kriminellen Machenschaften verwickelt.«
Rasch berichteten wir den beiden, was Ella am Telefon erfahren hatte. »Aber was ist, wenn die Lennox und ihre Mafia-Freunde unsere Schule angreifen, während so viele Lehrer nicht da sind?«
Meine Kampflehrerin lächelte grimmig. »Mach dir deswegen keine Sorgen – Farryn hat beim Rat Schutz für die Schule angefordert … und bekommen.«
»Was für Schutz denn?«, fragte ich verblüfft. »Ich habe niemanden gesehen, keine Kämpfer oder so.«
»Es ist ein sehr unauffälliger Schutz … unsichtbar, bis wir ihn brauchen. Mehr werde ich dir darüber nicht sagen.«
»Aber Tiago hat recht, wir müssen auf der Hut sein«, meinte Jack Clearwater mit gerunzelter Stirn. »Die Lennox ist unberechenbar. Vielleicht kommt ihr Angriff von einer Seite, mit der wir nicht rechnen.«
Wir nickten schweigend.
Am Freitag, kurz vor der Prüfung, hatten fast alle aus meiner Klasse die Erlaubnis ergattert. Aber was war mit Ella? Freitag früh tänzelte sie in die Verwandlungsarena und schwenkte dabei einen Zettel. »Meine Mutter hat unterschrieben, dass ich mitdarf!«
Verblüfft blickten meine Freunde und ich uns an. Nur Barry und Toco wirkten nicht überrascht, denen hatte Ella es sicher schon vorher erzählt.
Sofort nahm ihr Mr García das Formular aus der Hand, prüfte es und legte es zu seinen Unterlagen. »Freut mich, das wird ein schöner Abschied für dich.«
Dann teilte er Zettel mit Nummern aus, um auszulosen, in welcher Reihenfolge wir die Prüfung ablegen sollten. Uff, ich war Nummer zwei hinter Mara!
»Gleich zu Anfang dran zu sein, ist nicht lustig«, ächzte ich.
»Aber dann haste es schnell hinter dir«, wandte mein bester Freund Jasper ein.
Gespannt schauten wir alle Shari an – sie starrte mit Muss-das-sein?-Ausdruck auf ihren Zettel. »Vorletzte!«
»Öh …« Man konnte förmlich sehen, wie in Jaspers Gehirn die Zahnrädchen ratterten, während er versuchte, daran irgendetwas Gutes zu finden. »Dann siehste, wie die anderen sich schlagen, und machst nich den gleichen Fehler.«
»Bist du bei Shari in die Lehre gegangen, oder was?«, brummte Noah, was unseren beiden Delfin-Girls ein Lächeln entlockte. »Möge Tangaroa mit euch sein! Kommt, wir machen den hongi.«
Der hongi war ein Maori-Gruß, bei dem man Stirn und Nase gegeneinanderlegte. Wie selbstverständlich zogen mich die drei Delfin-Wandler in ihre Runde und feierlich widmeten wir uns dem Ritual. Es fühlte sich immer noch wunderbar an, Teil dieser Clique zu sein, obwohl ich ein Hai war, der als sehr gefährlich und angriffslustig galt. In letzter Zeit hatte Miss White wegen der Kämpfe mit den Lennox-Leuten keine Zeit gehabt, mit mir weiter an meiner Selbstbeherrschung zu arbeiten, aber wirkliche Sorgen machte ich mir deswegen gerade nicht. Ich hatte schon echte Fortschritte dabei gemacht, meine Wut im Griff zu behalten.
Bestimmt würde alles gut gehen … es musste! Ich konnte mir nicht vorstellen, ohne meine Delfinfreundin nach Kalifornien zu fliegen.
Falls ich überhaupt mitdurfte.