Читать книгу Seawalkers (6). Im Visier der Python - Катя Брандис - Страница 11
ОглавлениеMenschlicher als ein Mensch
Na, dann legen wir mal los mit der Prüfung«, sagte Farryn García und nickte unserem Schulleiter zu, der gemeinsam mit unserer Igelfisch-Lehrerin Ivy Bennett in die Verwandlungsarena kam. Ah, eine dreiköpfige Jury. Das hatten wir bisher noch nie gehabt.
Ich wurde noch ein bisschen nervöser und bekam prompt Schluckauf.
Vor mir war Seekuh-Wandlerin Mara dran, in ihrer Menschengestalt ein schwergewichtiges Mädchen mit rundem Gesicht und langen blonden Haaren.
»Bitte auf Zeit verwandeln – du hast fünfzehn Sekunden. Ich sage Bescheid, wenn es losgeht.« Mr García zückte eine Stoppuhr.
Mara blieb vor Entsetzen der Mund offen stehen. Alle wussten, dass sie langsamer war als andere, und die Lehrer hatten immer darauf Rücksicht genommen. Aber diesmal gab es anscheinend keine Gnade.
»Na gut«, sagte Mara und entschied sich für den grünen Süßwasserbereich der Verwandlungsarena – Seekühe lebten in Florida, schwammen aber im Winter die Flüsse hoch, sie kam also mit beiden Wasserarten gut klar. Mara trug nur einen Bikini, der würde problemlos abfallen, wenn sie plötzlich zu einem drei Meter langen Meeressäuger wurde.
»Drei – zwei – eins …«, zählte Mr García und Mara warf sich mit einem Aufplatschen ins Verwandlungsbecken. Eine Welle schwappte über die Glasscheibe und unseren streberhaften Alligator-Wandler Nestor. Ohne eine Miene zu verziehen, kippte er sein Schultablet, um das Wasser davon ablaufen zu lassen, und machte sich dann weiter Notizen.
»… noch zwölf Sekunden, noch dreizehn Sekunden … prima, danke, Mara!«, verkündete unser Verwandlungslehrer.
Durch die Glasscheiben blickte uns das graue, elefantenhafte Knautschgesicht einer Manatee an (wie Seekühe in Florida genannt werden). Yeah, ich hab’s geschafft, jubelte Mara in unseren Köpfen.
Das Lachen verging ihr schnell, als unsere Lehrer sie noch eine Serie von Teilverwandlungen, eine schnelle Tier-zu-Mensch-Rückverwandlung und einen Stresstest mit einem Seekuhvideo machen ließen. Aber Mara ließ sich nicht aus der Ruhe bringen.
»Prüfung bestanden«, verkündete Mr Clearwater persönlich und wir applaudierten.
»Ganz wunderbar, Mara!« Ivy Bennett freute sich mit.
»Jetzt Tiago, bitte«, sagte Farryn und ich fühlte mich wieder so wie in meiner allerersten Verwandlungsstunde, als ich die Rampe zum Wasser hochging. Weiche Knie und so.
Würden die Lehrer uns allen die gleichen Aufgaben geben? Wie sich herausstellte, nein, denn jeder hatte ja besondere Probleme oder, wie Miss Bennett gerne sagte, Herausforderungen.
Als Junge in Badehose wartete ich wassertretend auf Anweisungen.
»Schau dir das mal an – und bitte keine Verwandlung, auch keine Teilverwandlung«, sagte Mr García und zeigte mir durch die Glasscheibe ein Video, in dem ein Tigerhai in glasklarem Wasser um mehrere Taucher in schwarzem Neopren herumkurvte, die auf einem Sandboden knieten.
Der Hai gab einem davon einen Schnauzenstoß, was der Taucher witzig zu finden schien. Kapierte er nicht, dass das eine Warnung war und er besser aus dem Revier dieses Hais verschwand, so schnell er konnte? Nein, er blieb, wo er war. Ich hoffte, dass er nicht gebissen werden würde. Gleichzeitig versuchte ich mit aller Kraft, das Verwandlungskribbeln zu unterdrücken, das gerade in mir hochstieg.
Es funktionierte, das Kribbeln verschwand wieder. Puh. Auch der Taucher hatte Glück, der Hai drehte ab und schwamm genervt weg.
»Jetzt bitte mal Kiemen bilden, sonst Mensch bleiben«, kommandierte mein Verwandlungslehrer, während er das Tablet weglegte.
Ich konzentrierte mich auf den Bereich hinter meinen Ohren. Jetzt Kiemen bitte, befahl ich meinem Wandler-Ich, blickte an mir herab … und erschrak. Hups, ich hatte gerade Brustflossen statt Arme. Mist! Hektisch wedelte ich damit herum, versuchte, sie wieder loszuwerden. Das wirkte hundertpro nicht sehr kontrolliert.
»Zweiter und letzter Versuch«, sagte Farryn García und meine Freunde sahen besorgt aus. Shari klammerte sich an ihren Stuhl. Sie hatte sicher auch keine Lust, ohne mich nach Kalifornien zu fahren.
Durch fünf Sekunden eiserne Konzentration brachte ich die Brustflossen wieder zum Verschwinden, atmete tief, ließ mich unter Wasser sinken und wiederholte das Ganze. Stellte mir vor, wie mir als Hai Wasser durch meine Kiemen strömte, und behielt gleichzeitig meine Menschengestalt vor dem inneren Auge. Kompliziert! Aber diesmal klappte es. Erleichtert applaudierten Shari, Finny, Jasper und Co, als sie sahen, wie ich unter Wasser zu atmen anfing.
Alle anderen Übungen gelangen mir. Sehr erleichtert kletterte ich aus dem Riesenaquarium und ließ mich auf meinen Stuhl fallen. Jasper und ich klatschten uns ab.
Alligator-Wandler Nestor, gerade ein kräftiger Junge mit eckigem Kinn und kurz geschorenem Blondhaar, brauste locker durch seine Übungen. Ebenso Leonora, Ralph, Izzy, Barry und Toco. Dann wurde es wieder spannend, denn nun war Nox dran. Als blau-rosa Papageifisch war er schon zur Stelle. Ivy Bennett, Mr García und Mr Clearwater betrachteten ihn ernst. Jasper eilte mit einem rot-gelb-violetten Badetuch herbei – wahrscheinlich erinnerte er sich von der Party, dass Nox bunte Klamotten mochte.
»Nimm bitte deine erste Gestalt ein, Nox«, sagte Mr García förmlich. Diesmal gab es kein Geplauder darüber, ob Beine ihm standen oder nicht.
Nox hielt sich in mittlerer Tiefe auf Position und konzentrierte sich wahrscheinlich. Mit angehaltenem Atem beobachteten wir, wie sich sein Körper zu verändern begann, einen Kopf bekam, Arme, Beine und all die Körperteile, die man als Junge so hatte. Höflich wandten die Mädchen sich ab, so war es üblich, sonst hätte sich ja niemand verwandeln können, ohne an Peinlichkeit zu sterben.
»Ich hab’s geschafft!«, brüllte Nox, sodass es vom nagelneuen Glasdach der Verwandlungsarena widerhallte, und riss triumphierend die Arme hoch. Das führte dazu, dass er unterging. Wahrscheinlich war er noch nie als Mensch geschwommen.
Noah und Chris hechteten mit Kopfsprung ins Wasser, um ihn zu retten (was gelang). Jasper überreichte ihm ein Badetuch. Kurz darauf gingen sie alle die Rampe hinunter, einen breit grinsenden Nox zwischen sich: ein Junge mit schwarzen Haaren, dunklen Augen, einem verschmitzten Lächeln (dabei sah man die Lücke zwischen seinen etwas vorstehenden Vorderzähnen) und nicht besonders sportlicher Figur. Mit ungeschickt schlenkerndem Arm winkte Nox in die Runde und wir winkten zurück.
»Gut gemacht«, rief ihm Finny zu. »Aber was ist an dir menschlicher als menschlich?«
»Ach, das hab ich nur so gesagt.« Nox öffnete das Badetuch und inspizierte seinen Menschenkörper. »Ist doch toll, dass ich überhaupt normal bin, oder?«
»Sehr gut«, sagte Mr García zufrieden. »Würdest du jetzt bitte …«
Nox stieß ein kleines Keuchen aus, dann war er auf einmal weg. Dafür zappelte etwas unter dem Badetuch. Erschrocken beugten wir uns nach vorne, um besser sehen zu können, und Juna und Jasper eilten hin, um zu helfen.
Oh Mann, das macht die fehlende Übung, verkündete ein ziemlich kleinlauter Papageifisch, als er wieder im Meerwasserbereich schwamm.
»Nicht schlimm … bestimmt kannst du beim nächsten Austausch mit«, meinte Jack Clearwater und notierte etwas auf einem wasserfesten Block.
Zu unserer Überraschung machte Noemi nach ihm ihre Sache richtig gut und bekam ein »Go« von unseren Lehrern.
»Das ist so katzig!«, schwärmte sie, als sie sich wieder an ihren Tisch setzte. Wir lieferten Glückwünsche.
Daisy durfte die Prüfung ebenfalls mitmachen, obwohl sie erst seit ein paar Tagen bei uns war. Ihre Lippen waren vor Konzentration zusammengepresst, als sie die Teilverwandlungen versuchte. Es klappte erst mal nicht, aber die Lehrer erlaubten ihr ausnahmsweise einen dritten Versuch und diesmal schaffte es Daisy, sich in ein Mädchen mit grauen Pelikanflügeln zu verwandeln. Sehr cool, sie würde dabei sein!
Dafür hatte Daphne, die nach ihr dran war, eine Totalblockade und brachte es nicht mehr fertig, aus ihrer Lachmöwengestalt herauszufinden. Mit hängendem Schnabel hockte sie auf ihrem Pult. Aber … ich hab mich doch schon so gefreut, stammelte sie.
»Wir können nicht riskieren, dass im Flugzeug etwas schiefgeht«, meinte Mr García, dem sie offensichtlich leidtat.
Eine Prüfung nach der anderen wurde erfolgreich beendet, obwohl auch der zarte blonde Linus und Zelda, unsere Ohrenqualle, zwei Versuche brauchten. Dafür waren Jasper, Blue und Noah in Hochform.
Dann versagte ausgerechnet Juna, unsere Klassensprecherin, und verwandelte sich beim Videogucken in einen Falterfisch. Und das zweimal hintereinander! In Tränen aufgelöst umarmten sie und ihre beste Freundin Olivia sich. »Wenn du nicht fährst, bleibe ich auch hier«, verkündete Olivia. »Ich will mit dir zusammen sein … hier und überall!«
Erstaunt blickten Jasper und ich uns an. Was ging denn hier ab?
»Ich mit dir doch auch«, sagte Juna und lächelte unter Tränen. Dann drückten die beiden sich noch einmal … und küssten sich auf den Mund.
Nicht nur ich war erstaunt, aber Farryn García ließ sich nicht das Geringste anmerken. Vielleicht hatte er es schon länger geahnt, dass diese beiden Mädchen mehr waren als beste Freundinnen.
»Macht das bitte nachher«, sagte er nur. »Wir müssen hier mit den Prüfungen weiterkommen.« Er wandte sich Shari zu. »Du bist dran, Artgenossin.«
Meine Delfinfreundin stand auf, sie wirkte entschlossen.