Читать книгу Seawalkers (6). Im Visier der Python - Катя Брандис - Страница 8
Panther und Python
ОглавлениеSchau mal!«, flüsterte Jasper und ich wandte den Kopf.
»Oh, das ist cool«, sagte ich erfreut.
In letzter Zeit hatten wir unser Panthermädchen Noemi immer öfter in ihrer Menschengestalt gesehen. Aber an diesem Mittwochmorgen traute sie sich zum ersten Mal, so auch zum Frühstück aufzukreuzen; nicht nur Jaspers und meine Augen folgten dem Mädchen mit den langen schwarzen Locken und den stolzen grünen Augen.
Noah zeigte ihr lächelnd den erhobenen Daumen und unsere neuste Schülerin Daisy applaudierte sogar. Es war für Daisy nicht ganz einfach, sich mit ihrem Rollstuhl durchs knietiefe Wasser der Cafeteria zu bewegen, aber sie beklagte sich nie.
Skeptisch schnupperte Noemi das Buffet ab, was bei einem Mädchen ein bisschen seltsam aussah. »Wo ist denn das rohe Fleisch?«, fragte sie enttäuscht. »Sonst hat mir Joshua immer ein Steak gegeben.«
»Hast du nicht gesagt, du wolltest dich an Menschenessen gewöhnen?«, meinte meine Delfinfreundin Shari, die sich gerade Krabben nahm. »Das hat er bestimmt mitbekommen. Probier mal die Pfannkuchen, die schmecken meerig.«
Also salzig?, fragte Nox, der in der Nähe als Papageifisch herumschwamm, und ich musste grinsen.
Noemi warf einen Blick auf die Pfannkuchen, rümpfte die Nase und wandte sich den Würstchen zu. Sie zückte zwei Gabeln und schaffte es, damit vier Stück gleichzeitig zu harpunieren. »Weißt du, was ich früher als Haustier gemacht habe, wenn Bob mir nicht mein Lieblingsfutter gegeben hat?«
»Nee, was denn?« Shari blickte interessiert drein.
»Auf den Wohnzimmerteppich gepinkelt«, sagte Noemi höchst zufrieden. »Oder auf die Terrasse, wenn ich gerade nicht reindurfte.«
Ich musste grinsen. »Und, ist die Botschaft angekommen?«, rief ich hinüber.
»Meistens schon«, meinte unser Panthermädchen und schnappte sich auch noch die letzten vier Würstchen. »Wenn nicht, hab ich’s einfach noch mal gemacht.«
»He, was soll das?«, protestierte der große dünne Barry, der nach ihr in der Buffetschlange stand. »Ich wollte auch welche!«
»Fressen oder gefressen werden«, sagte Noemi seelenruhig zu ihm. Wir nahmen gerade die Nahrungskette durch.
Barry – zwar ein Barrakuda in zweiter Gestalt, aber kein Gegner für eine Pantherin – wurde blass und zog ab. Höchstens ich als Tigerhai hätte sie besiegen können.
Die Mienen von Barrys Freunden, die zusammen im grünweiß gestrichenen Tischboot saßen, verdüsterten sich. Wütend tippte Ella Lennox auf ihrem Handy herum, was ihr leichtfiel, weil sie gerade keine Python war, sondern ein Mädchen mit sorgfältig gestylten blonden Haaren, großer Nase und ähnlich grünen Augen wie Noemi.
Sofort verkrampfte ich mich. Rief sie jetzt ihre nicht nur fiese, sondern wirklich gefährliche Mutter an – die Anwältin Lydia Lennox –, damit die Noemi irgendwie fertigmachte? Auch ein paar der anderen Leute aus meiner Klasse blickten alarmiert drein.
Miss White hatte mitbekommen, dass hier irgendwas abging, und watete mit strengem Blick auf uns zu. Doch allen war klar, dass sie nicht rechtzeitig kommen würde, um zu verhindern, was Ella gerade machte. Was das war, merkten wir ein paar Sekunden später. Triumphierend drehte Ella ihr Handy um und zeigte es Noemi.
»Na toll«, sagte Jasper und verzog das Gesicht. »Haste das gesehen? Da is ’n Pantherbild drauf!«
Gespannt warteten alle Schüler in der Cafeteria, was passieren würde. Es war noch nicht lange her, dass Noemi sich zum ersten Mal verwandelt hatte … würde sie jetzt, getriggert durch das Foto, wieder zur Raubkatze werden und fauchend im Wasser herumpaddeln?
Doch nichts passierte, Noemi bekam nicht mal Tasthaare im Gesicht oder einen schwarzen Flaum auf den Händen. Interessiert betrachtete sie das Foto auf Ellas Handy. »Sieht aus wie ich. Ja, und?«
Genervt schob Ella Noemi das Handy so weit ins Gesicht, dass es fast ihre Nase berührte. »Schau genau hin, du blöde …«
»Schluss jetzt!« Miss White nahm ihr das Handy ab. »Noemi, man nimmt sich nicht so viel auf einmal. Und wenn du Würstchen willst, Barry, dann fragst du unseren Koch, ob er noch ein paar machen kann. Klar?«
»Klar«, knurrte Barry und betrachtete sie mit seinen kalten blassblauen Augen.
Toco war ganz klar auf seiner Seite. Er funkelte Noemi drohend an, während er sein Tablett wegbrachte. »Wart nur ab, Katze. Wir werden …«
»Ach komm, sei doch nicht so«, mischte sich Daisy ein, die ihren Rollstuhl zu Finny und Juna geschoben hatte; die drei saßen an einem Cafétischchen in der Nähe der Fensterfront. »Noemi ist doch als Tier aufgewachsen, oder? Woher soll sie wissen, dass man anderen was übrig lässt?«
»Genau«, sagte Noemi und lud sich zehn Streifen gebratenen Speck auf den Teller.
Daisy Cousteau war neben Ella die Einzige, die Toco bändigen konnte. Auch jetzt wurde er weich wie Butter, als sie ihn anlächelte.
»Na gut. Kann passieren«, murmelte er und zog ab.
»Ella, kann ich dich bitte mal sprechen?« Jack Clearwater, unser junger Seeadler-Schulleiter, hatte sich unauffällig genähert. »Am besten gehen wir in mein Büro.«
»Das mit dem Foto war keine Absicht, ich …«, legte Ella sofort los.
»Was für ein Foto? Nein, nein, es geht um etwas anderes.« Mr Clearwater blickte mitleidig drein. »Deine Zukunft hier an der Schule.«
Ella wurde blass.
Jasper, Shari und ich warfen uns einen Blick zu. Normalerweise hätten wir versucht zu lauschen, aber nicht heute. Mittwochs hatten wir in der ersten Stunde Verwandlung und Mr García (mit dem ich unfassbarerweise verwandt war!) kannte keine Gnade mit Zuspätkommern. Sogar Chris, unser Seelöwen-Wandler, gönnte es sich nur noch ab und zu.
Erst in Gewässerkunde bei Mrs Pelagius kam Ella wieder hinzu. Wir sprachen gerade darüber, dass mehrere der extrem seltenen Riesensirenen, die von Wissenschaftlern Siren reticulata getauft worden waren, plötzlich aus ihrem Lebensraum verschwunden und möglicherweise an Sammler verkauft worden waren. Betroffen betrachteten wir ein Foto des dunkelbraun gefleckten Sumpfwesens, einer Art Riesensalamander ohne Beine.
»Sieht aus wie ein Leopardenaal«, meinte Jasper. »Beißen die?«
»Hey, Mann, du bist gepanzert und praktisch kugelsicher, ist dir das schon mal aufgefallen?« Ralph verdrehte die Augen. »Ist schon klar, ob es wirklich Tierhändler waren, die sich die Sirene geschnappt haben?«
Nein, man vermutet das nur, weil Sammler für neue Arten zigtausend Dollar bezahlen, sagte Mrs Pelagius. Und weil leider durchgesickert ist, wo Forscher die Riesensirenen entdeckt haben. Kurz darauf haben Ranger verdächtige Leute in der Gegend gesehen.
Ich fand Tierschmuggler so was von ekelhaft. »Was ist, wenn diese Riesensirene ausstirbt, nur weil jemand sie in seinem Aquarium haben und damit angeben wollte?«
Mrs Pelagius ruckte ihren Schildkrötenkopf auf und ab. Ja, das könnte passieren. Anscheinend ist ausgerechnet das einzige Weibchen, das bisher entdeckt worden ist, geschnappt worden. Das alles hat auch mit dem zu tun, was ich euch eigentlich erzählen wollte, nämlich wie ich diesen Kratzer auf der linken hinteren Seite meines Panzers bekommen habe …
Die Tür ging auf und Ella kam herein. Sie umklammerte ihr Schultablet und hatte einen so verzweifelten Blick, dass sie mir leidtat, obwohl ich sie nicht mochte. Da Mrs Pelagius gerade berichtete, wie Naturschützer versucht hatten, ihre Schildkrötengestalt zu markieren, und was solche Aktionen für einen Sinn hatten, mussten wir bis zur Pause auf die Neuigkeiten warten. Ella war so fertig, dass sie an unserem kleinen Lagunenstrand draufloserzählte, um was es ging, ohne sich darum zu kümmern, wer zuhörte.
»Meine Mutter will, dass ich sofort die Schule wechsele, weil ihr dafür gesorgt habt, dass ihr Assistent Patrick Blennon und einer ihrer Wandler-Spione – dieser Kaninchenmann – vom Rat verhaftet und verhört werden«, berichtete Ella. »Sie wollte mich noch heute abholen lassen … aber ich habe sie überredet, dass ich wenigstens noch ein paar Tage hierbleiben darf. Sie hat irgendwas Seltsames gesagt … dass es danach sowieso keinen Sinn mehr machen würde, hierher zurückzukommen.«
»Was meint sie damit?«, mischte ich mich beunruhigt ein. Wir wussten alle, dass Lydia Lennox es auf uns abgesehen hatte – und ganz besonders auf mich! –, weil wir ihr immer wieder das Geschäft kaputtgemacht hatten. Plante sie wieder etwas, um uns zu schaden?
Ella zögerte.
Shari blickte unserer Pythonmitschülerin in die Augen. »Ella, bitte. Wenn du etwas weißt, musst du es uns verraten!«
»Wie sie das gesagt hat … es klang irgendwie so, als würde es diese Schule … dann nicht mehr geben«, flüsterte Ella.
»Blödsinn«, sagte Noah heftig. »Was kann sie denn machen? Wenn sie uns angreift, werden Miss White, Tiago und wir anderen ihr schon zeigen, was Sache ist. Schließlich haben wir sie in den Everglades besiegt und auch ihre Muskelmänner davongejagt!«
Ich war nicht so zuversichtlich wie er, und selbst Shari – sonst eine große Optimistin – wirkte beunruhigt. Kein Wunder, sie war bei dem heftigen Kampf in der Florida Bay dabei gewesen, der Farryn García und viele wilde Delfine beinahe das Leben gekostet hatte. Bei einem Kampf, den Lydia Lennox angezettelt hatte, weil wir nicht getan hatten, was sie wollte. Wenn unsere Erzfeindin neue Pläne hatte, konnte das gefährlich werden für uns.
»Glaubst du, sie wird die Schule angreifen? Sobald du hier weg bist, Ella?«, fragte Finny und strich sich mit den gespreizten Fingern durch die blauen Haare.
»Woher soll ich denn das wissen?«, regte sich unsere Mitschülerin auf, ärgerlich wischte sie sich die Tränen ab. »Ich würde die Blue Reef nie angreifen, aber ich bin halt nicht meine Mutter, klar?«
»Jedenfalls ist es übel, dass du hier wegmusst«, sagte Olivia und legte spontan den Arm um Ellas Schultern. In erster Gestalt war sie ein mittelgroßes Mädchen mit freundlichen dunklen Augen, dunkelbraunem Pferdeschwanz und einem Faible für große bunte Ohrringe. Ihre zweite Gestalt war ein gerade mal handlanger Doktorfisch.
»Aber … wo sollst du denn hin?« Toco wirkte geschockt. »Auf irgendein teures Internat oder so?«
»Viel schlimmer.« Tränen liefen Ella über das Gesicht und ruinierten ihr Make-up. »Ich bekomme einen Hauslehrer und werde in unserer Villa in Miami unterrichtet. Könnt ihr euch vorstellen, was das heißt?«
»Deine Mum hat dich wunderbar unter Kontrolle, du kommst fast nie raus und wirst nicht von anderen Jugendlichen verdorben?« Finny verzog das Gesicht. »Außer, ich komme dich mal in Verkleidung besuchen.«
Obwohl die Lage so ernst war, mussten wir grinsen. Was Streiche anging, war das Teufelsrochenmädchen in unserer Blue Reef eindeutig auf Platz 1, dicht gefolgt von der Delfinclique.
»Das ist furchtbar, du brauchst doch Gesellschaft.« Shari wirkte entsetzt, instinktiv nahm sie meine Hand und drückte sie. Ohne Gefährten zu sein, war für einen Delfin eine harte Strafe.
»Ihr wisst noch nicht mal das Schlimmste«, schluchzte Ella auf. »Mein Hauslehrer ist nicht irgendjemand, sondern Stanley Williams! Tut mir leid, Barry.«
»Du musst dich nicht entschuldigen … ich weiß, wie übel mein Dad sein kann«, murmelte Barry und tat so, als würde er sich für zwei streitende Silbermöwen auf dem Strand interessieren.
»Sollte dieser Mr Williams nicht ins Gefängnis, weil er Shari und Tiago mithilfe eines Barrakudaschwarms angegriffen hat?«, fragte Chris.
Ella zog die Nase hoch. »Ja, aber er muss die Haft erst in ein paar Monaten antreten, bis dahin habe ich ihn am Hals. Und wer nach ihm dran ist, ist bestimmt nicht viel netter.«
Was Ella drohte, war wirklich nicht lustig. Mr Williams, der für kurze Zeit unser Schulleiter gewesen war, war ein farbloser ehemaliger Bankmanager mit sehr strikten Vorstellungen von Ordnung und Disziplin. Lydia Lennox war er treu ergeben.
Still und verheult saß Ella in den nächsten Stunden da und ließ Mathe und Physik über sich ergehen, während ihr das Möwenmädchen Daphne die Schulter tätschelte. Erst in der Mittagspause horchte sie – so wie wir alle – auf, als der Lautsprecher in unserem Klassenzimmer zum Leben erwachte. »In der Mittagspause bitte alle in die Aula, es gibt Neuigkeiten«, verkündete die Stimme unseres Schulleiters.
Ich zog die Augenbrauen hoch. Eine Schulversammlung? Konnte es dabei um den Konflikt mit der Lennox gehen, der sich immer mehr zuspitzte? Jedes Mal, wenn ich daran dachte, wurde mir mulmig zumute.
»Vielleicht hat ihr Assistent endlich gestanden, was sie noch alles Schreckliches getan hat, und die Lennox wird vom Rat in den Knast verfrachtet«, meinte ich hoffnungsvoll zu Shari, die zusammen mit Blue am Tisch neben mir saß. »Was sollte es denn sonst für Neuigkeiten geben?«
Neuigkeiten heißen sie deswegen, weil sie neu sind, Leute! Nox hatte eine leichte Neigung zum Klugscheißen.
»Bestimmt ist es was Gutes.« Shari lächelte mich an und strich sich eine blonde Locke hinters Ohr. Sie war wirklich eine unbeirrbare Optimistin. Wahrscheinlich hätte sie noch irgendetwas Gutes daran gefunden, wenn wir alle einen Fünfer-Schnitt bekamen, eine Riesenwelle Florida unter Wasser setzte oder Aliens das Weiße Haus in die Luft jagten.
Kaum hatte das Muschelhorn die Mittagspause verkündet, bewegten wir uns alle sehr gespannt in Richtung Aula.