Читать книгу Seawalkers (6). Im Visier der Python - Катя Брандис - Страница 14

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Über den Wolken

Ich war noch nie in einem Duty-free-Shop gewesen und war ein bisschen eingeschüchtert davon. Regal um Regal voller Parfüm und Kosmetik, Whiskyflaschen in edlen Verpackungen, Klamotten der teuersten Marken, Großpackungen von Süßigkeiten und dazwischen überteuerte Miami-Souvenirs. Makellose Verkäuferinnen schwebten über den Marmorboden.

Wo bist du?, fragte ich Rocket lautlos.

Bei den Parfüms – Irreführung von Hundenasen, flüsterte er zurück und klang dabei ziemlich nervös.

»Sorry, wo geht es zu den Parfüms?«, fragte ich hastig eine der Verkäuferinnen.

Die Frau schaffte es irgendwie, auf mich herabzublicken, obwohl ich größer war als sie. »Da vorne«, sagte sie. »Aber an der Kasse kontrollieren sie die Rucksäcke, das ist dir schon klar, oder?«

Sprachlos blickte ich sie an, bis mich Shari am Jackenärmel weiterzog.

»Ich seh ihn!«, wisperte Jasper und kurz darauf bemerkte auch ich Rocket, der seine Schnauze unter einem Regal hervorstreckte. Ist das Vieh inzwischen weg?, fragte er.

Leider im Gegenteil, wie ich merkte, als ich mich umsah. Das »Vieh« war nur zwei Regalreihen entfernt – und nun erspähte es Rocket.

Bubbles jaulte auf, seine Pfoten schlitterten über den polierten Steinboden und sein Schwanz fegte Gesichtscremes aus dem Regal, für die ich monatelang hätte sparen müssen. Klirr! Fünf oder sechs miteinander gemischte Parfüms rochen so, wie ich mir eine Chemiewaffe vorstellte. Fassungslose Verkäuferinnen starrten in unsere Richtung.

Rocket hetzte los, der Hund hinterher, so heftig, dass seinem Führer die Leine aus der Hand gerissen wurde. Als Bubbles die Kurve etwas zu knapp nahm, streifte er eine Pyramide golden eingepackter Süßigkeiten, und Schweizer Schokolade zu zehn Dollar die Tafel verteilte sich auf dem Boden.

Rocket sprintete weiter in die Handtaschenabteilung. Lederwaren flogen in alle Richtungen, als der Spürhund sich durch Ladungen von Hermès und Bulgari wühlte. Seine Leine verfing sich in einem Ständer voller Taschen und das ganze Ding kippte um, mitten in den Weg des Flughafenangestellten, der vergeblich versuchte, seinen Hund einzufangen.

»Stinkt wie Algenschleim«, stöhnte Shari.

Jasper blickte auf das Grüne hinab, auf dem er gerade ausgerutscht war. »Gibt’s hier in der Kosmetikabteilung.«

Ich war zu verzweifelt, um etwas zu sagen. Hatte Rocket noch eine Chance zu entkommen? Eins zu fünfhundert vielleicht. Mein Freund war in Lebensgefahr und es war meine Schuld! Wieso hatte ich diese absolut bescheuerte Idee gehabt, ihn heimlich zu diesem Austausch mitzunehmen?

Bubbles stutzte. Wandte den Kopf. Witterte. War plötzlich wieder ganz Konzentration. Dann lief er zu einer der Handtaschen, die er vorhin zu Boden gerissen hatte. Einem unauffälligen braunen Modell, dem billigsten. Wie wild begann er daran herumzukratzen, zu wedeln und zu bellen.

»Moment mal«, sagte sein menschlicher Partner. Ein paar Verkäuferinnen quiekten auf, als er ein Messer zückte und das Innenfutter der Tasche aufschnitt. Zum Vorschein kamen Plastikbeutel mit einem weißen Pulver darin. »Super gemacht, Bubbles!« Der Retriever wedelte und nahm begeistert ein Leckerli entgegen.

Mir fiel auf, dass die Mitarbeiterin, die mich vorhin so eklig behandelt hatte, versuchte, sich unauffällig zurückzuziehen. War hier gerade eine Übergabe von Schmuggelgut schiefgegangen? Das war ein Geschenk des Himmels! Eine Minute später war Rocket wieder in meinem Rucksack und wir hasteten in Richtung Gate B08.

Wisst ihr, was das Schönste an alldem ist?, fragte Rockets Gedankenstimme.

Jasper keuchte: »Nee, was denn?«

Dass jeder denkt, dieser Köter ist an allem schuld und nicht wir!

»Wieso schuld?«, meinte ich, während die Panik in mir langsam verebbte. »Er hat seinen Job gemacht, das heißt, die Parfüms und den anderen Kram bezahlt die Versicherung.«

Darüber waren wir alle happy, denn eigentlich hatte keiner von uns was gegen Golden Retriever.

»Na, da seid ihr ja«, begrüßte uns Miss White, als wir auf die Minute pünktlich zum Gate schlenderten. »Wart ihr noch shoppen, oder was?«

»Sozusagen«, sagte Shari und lächelte sie vergnügt an. Dann stellten wir uns hinter Blue, Noah und Ralph in die Reihe der Fluggäste, die in die Maschine nach San Francisco wollten.

Der Flug war nicht ausgebucht, es gab noch freie Plätze. Unsere Klasse hatte mehrere Reihen ziemlich weit hinten im Flugzeug. Da die Delfine nicht zusammensaßen, verabschiedeten sie sich mit einem schnellen Hongi-Gruß. Jasper, Shari und ich waren zusammen in einer Dreierreihe ganz außen.

»Oh, darf ich ans Fenster?«, fragte Shari aufgeregt und schob sich eine Butter-Popcorn-Jellybean in den Mund, die Noah spendiert hatte. »Können wir gleich wirklich die Erde von oben sehen?«

»Hoffe ich doch, sonst hat der Start nicht geklappt«, sagte ich und verzichtete edelmütig auf den Außenplatz, der laut Bordkarte meiner gewesen wäre. So ist das eben mit der Liebe.

Jasper ließ sich am Gang nieder und fing sofort an, sich aus seiner Schlafdecke eine Art Kuschelhöhle zu bauen – er mochte es dunkel. So wie mein Rattenfreund.

Alles klar dadrin?, fragte ich Rocket und schob meinen Rucksack vorsichtig unter den Sitz.

Fast – bis auf den knurrenden Magen, kam es zurück.

»Dagegen hab ich was … aber nicht krümeln, ja?«, murmelte ich, holte ein paar Cracker aus meiner Jackentasche und schob sie durch den Reißverschluss des Rucksacks.

Ey, bist du jetzt Sauberkeitsfreak, oder was? Davon merkt man hier drinnen aber nichts, schoss Rocket zurück. Jede Menge altes Kaugummipapier. Und – äh! – ist das eine Unterhose?

»Johnny hat gesagt, man muss auf einem Flug immer eine Ersatzunterhose dabeihaben, falls der Koffer nicht ankommt«, verteidigte ich mich. »Aber du hast Glück, sie ist unbenutzt.«

Pöh, kam es von Rocket, dann war erst mal Ruhe. Während ich auf dem Touchscreen die Filmauswahl abcheckte, erklang aus meinem Rucksack ein Knabbern, dann leises Schnarchen. Wahrscheinlich war die Flucht echt anstrengend gewesen.

Shari dagegen war weit entfernt davon einzuschlafen. Als der Jet die Runway hinunterjagte, schauten wir uns lachend an, weil es so witzig war, wie die Beschleunigung uns in die Sitze presste. Dann richtete unser Flugzeug die Schnauze nach oben und der Boden entfernte sich von uns.

»Ooooh«, hauchte Shari unwillkürlich, und als wir höher stiegen, hatten wir beide nur noch Augen für die strahlend weißen, bauschigen Quellwolken.

»Sehr cool«, sagte ich. »Wie viele Tonnen Wasser da wohl drinstecken?«

»Es ist das Schönste, was ich jemals gesehen habe«, versicherte mir Shari. »Ach ja, apropos Wasser, meinst du, ich könnte zwei Eimer voll beim Steward bestellen?«

Plötzlich stand Mr García an unserer Reihe und beugte sich zu uns herab. »Gerade hat Noah gemerkt, dass es im Entertainment-Programm einen Dokumentarfilm über Delfine gibt. Vorsicht ist besser als Verwandlungspanne!« Er reichte Shari dicke Ohrschützer und eine Schlafmaske.

»Ernsthaft?«, beschwerte sich Shari und drehte das Zeug in den Händen. »Das soll ich alles anziehen? Aber dann sehe ich doch nichts mehr!«

Noch während ich ihr erklärte, dass das irgendwie Sinn der Sache war, gab meine Delfinfreundin auf, warf noch einen letzten sehnsüchtigen Blick auf die Wolken und stülpte sich die Maske über die Augen. Während Noah und Finny in der Reihe vor mir Bücher ausgepackt hatten und anfingen zu schmökern, kramte ich meinen kleinen Zeichenblock und einen Bleistift hervor, um ein bisschen zu zeichnen. Diesmal Möwen, Pelikane, einen Albatros und eine Seeschwalbe zwischen den Wolken und im Porträt. Ich war schon sehr gespannt auf die kalifornische Schule, denn einem Gerücht nach waren in der Erstjahresklasse ungewöhnlich viele Flugtiere. Wie würden die mit uns, den Wassertier-Wandlern, klarkommen?

Natürlich hatten wir alle Angst davor, dass sich während des Fluges ein Zwischenfall wie der bei unserem Schulausflug in Miami (den Shari zum Teil als Delfin an einer Straßenkreuzung verbracht hatte) ereignen würde. Aber es nervte ein bisschen, dass alle zwanzig Minuten jemand von den Lehrern oder aus der Klasse vorbeikam und fragte: »Alles klar, Shari? Wie fühlst du dich?«

Irgendwann war Shari so genervt, dass sie Nestor anpampte: »Ich fühle mich bestens, und übrigens, nur zur Information, ich schlafe jetzt!« Sie kreuzte die Arme, rutschte tiefer auf ihrem Sitz und lehnte den Kopf gegen die Wandverkleidung.

Dafür war Rocket wieder wach. Alter, ich muss pinkeln, soll ich auf deine Unterhose machen oder bringst du mich zum Flugzeugklo?

Hastig schnappte ich mir den Rucksack und stand auf. Das erledigte ich besser gleich, denn an den beiden Enden des Ganges waren zwei Stewardessen und ein Steward schon dabei, Blechwagen mit Essen durchs Flugzeug zu schieben und damit den Gang zu blockieren.

Manche meiner Mitschüler hatten schon ihr Essen. »Überbackener Fisch mit Tomatensoße«, hörte ich Ralph erfreut sagen. Dann zuckte er zusammen. Bevor ich es mich versah, knallte er sein Essenstablett auf das seiner erstaunten Sitznachbarin Leonora, sprang vom Sitz hoch und rannte Richtung Klo. Dabei hielt er seine Brotdose mit ausgestreckten Armen vor sich, als würde sie jeden Moment explodieren.

»Ralph, was ist?«, fragte Mr Clearwater alarmiert – er saß zwei Reihen weiter.

»Zelda hat gesagt, der Geruch erinnert sie daran, wie sie an der Nordsee aufgewachsen ist!«, flüsterte Ralph. »Sie hat gesagt, sie kann ein Kribbeln fühlen!«

Unser junger Schulleiter stöhnte auf. Die ganze Zeit hatten wir Shari gehätschelt … dabei war jemand anders unsere Risikokandidatin!

Seawalkers (6). Im Visier der Python

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