Читать книгу Seawalkers (6). Im Visier der Python - Катя Брандис - Страница 20
ОглавлениеZähne
Die Tigerin ging immer noch auf uns zu. Rocket kroch blitzschnell mit dem Kopf voran durch den Halsausschnitt in mein T-Shirt, aber ich nahm es kaum wahr. Mein Puls jagte und ich bekam kaum noch Luft.
Am liebsten wäre ich ins Haus gerannt und hätte die Tür hinter mir zugeknallt, abgeschlossen und verbarrikadiert. Meine Erinnerung an unseren Kampf gegen die Tigerzwillinge, die Bodyguards der Lennox, den wir nur knapp überlebt hatten, war noch zu frisch. Shari und Chris schien es ähnlich zu gehen, Sharis Hand bebte in meiner und Chris wirkte völlig unfähig, sich zu bewegen.
Dann sagte Summer: Oh Mann, wer war das?!, und schüttelte ihre Vorderpranke, die fast so groß war wie mein Kopf. Missmutig ließ sie sich auf den Boden fallen, wälzte sich auf den Rücken, sodass wir ihr weißes Bauchfell sehen konnten, und knabberte an ihrer Pfote herum. Ich hasse Kaugummis! Die fühlen sich scheußlich an und ich krieg sie so schlecht wieder von der Pfote ab.
Als sie den Kopf hob, hatte sie Erdbeerkaugummi an den Vorderzähnen und in den Tasthaaren.
Shari prustete los. Als dann auch noch Noemi und Carag in ihrer zweiten Gestalt zu Summer liefen und den Kopf an ihrer Schulter rieben, war der Fall klar. Summer war zwar eine gewaltige Raubkatze … aber mit Latisha und Natascha hatte sie nur die Gestalt gemeinsam.
Tikaani, wo bist du?, hörte ich Carag in meinem Kopf rufen, und kurz darauf liefen drei Wölfe auf uns zu, die Polarwölfin, die ich schon kannte, und zwei graue. Tikaani kam sofort zu uns Blue-Reef-Schülern und beschnüffelte uns wedelnd. Total waldig, euch wiederzusehen! Es war so toll bei euch in Florida. Das hier sind übrigens Ylva und Farley. Alpha und Beta des Rudels hier an der Redcliff High.
Es war klar, dass ich erst mal nicht dazu kommen würde, mit Sebastian in Ruhe Erinnerungen auszutauschen. Also wandte ich mich den Neuankömmlingen zu.
Wie begrüßte man einen Wolf? Ich blieb stehen und streckte die Hand aus, damit sie sie beschnuppern konnten. Doch der graue Wolfs-Wandler zog sich knurrend zurück, als meine Hand in seine Richtung kam. Und die fremde Wölfin – sie hielt sich sehr gerade und wirkte würdevoll – schaute mich an, als wäre ich irre geworden. Du weißt schon, dass ich kein Hund bin, oder? Trotzdem herzlich willkommen bei uns. Pass ein bisschen auf mit Farley, er ist erst vor Kurzem aus der Wildnis zu uns gekommen.
»Oh«, sagte ich, wich hastig vor dem bissigen Wolfs-Wandler zurück und spürte, wie mein Gesicht heiß wurde. Schlechten Eindruck machen – check. Blamieren – check. Was fehlte noch? Eine Schlägerei anfangen. Aber das bekam Toco bestimmt auch noch hin.
»Was für einen Rang hast du denn im Rudel?«, fragte ich Sierra, die lächelnd zu uns kam.
Sie ist Omega, erwiderte Ylva.
»Oh«, sagte Carag, er wirkte betroffen. »Das war mir irgendwie nicht so klar.«
Anscheinend war Omega der niedrigste Rang im Rudel. Und das, obwohl sie die Tochter des Schulleiters war? Ich schaute zu Sierra hinüber und sie ahnte wohl, was ich dachte, denn sie zuckte die Achseln und verdrehte die Augen.
Tikaani schmiegte sich an ihr Bein, ein wortloser Trost auf Polarwolf-Art.
»Brandon!«, rief Carag. »Mann, wo bist du? Die Blue-Reef-Leute sind da und wollen dich kennenlernen!«
Ein breitschultriger, schüchtern wirkender Junge mit kurzen braunen Locken schlenderte herbei, die Hände in den Taschen seiner schwarzen Cargohose verborgen. In seinem Mundwinkel steckte ein Grashalm. »Oh, hi, tut mir leid … ich hab gerade die Weidegründe getestet. Die schmecken, als hätte sie jemand zu lange im Toaster gelassen.«
Sierra krauste die Nase. »Du musst noch mal in der Waldbrand-Saison herkommen. Dann schmeckt das Gras wahrscheinlich, als hätte man es im Backofen vergessen.«
»Oh, lecker«, meinte Brandon, warf sich ein getrocknetes Maiskorn in den Mund und versuchte verlegen, eine Dreckspur aus seinem Khaki-T-Shirt zu reiben, während er mich anblickte. »Bist du der Tigerhai? Du siehst gar nicht so gefährlich aus.«
Was soll man auf so was antworten? »Ich bin aber gefährlich« oder »Das täuscht« hätte total angeberisch geklungen. Zum Glück antworteten Shari und Rocket fast gleichzeitig an meiner Stelle: »Seine zweite Gestalt ist sehr zahnreich!«, und Wart mal ab, bis du ihn in seiner zweiten Gestalt siehst!.
»Das sagen auch alle bei mir.« Brandon blickte uns verlegen an. »Dabei bin ich nur ein Bison. Komm, ich helfe euch mit eurem Gepäck. Ich glaube, ihr seid für Hütte Nummer 9 eingeteilt.«
Während wir beeindruckt zuschauten, lud er sich gleich drei unserer Koffer auf. »Mist, tut mir echt leid, den vierten schaffe ich nicht.«
»Hör bitte mit diesem Nur ein Bison-Quatsch auf«, ächzte Carag und schnappte sich den vierten Koffer. »Wahrscheinlich könntest du eine der Hütten einreißen, wenn du wolltest!«
»Wieso, sind die aus Sperrholz?«, fragte ich. Dann sagte ich zu Sebastian: »Ich komm später noch mal zum Quatschen vorbei«, und folgte den dreien über die Kieswege hinter dem Hauptgebäude.
Haha, nein, sind sie nicht, sagte Tikaani und dann sah ich unsere Quartiere auch schon – aus dicken Baumstämmen gezimmerte Blockhütten. Sogar der größte Bisonbulle der Welt wäre ins Schwitzen gekommen, wenn er versucht hätte, die kaputt zu kriegen.
»Glaubste, die sind echt?«, fragte Jasper beeindruckt.
Ich ließ meine Hand über das glatte Holz der Stämme gleiten, an denen hier und da noch ein Stückchen Rinde haftete. »Aus Plastik sind sie jedenfalls nicht.«
Da die Hütten ganz neu waren, dufteten sie innen nach Harz und frischem Holz. In jeder befanden sich zwei Schlafzimmer mit je zwei Betten. Außerdem gab es ein einfaches Bad sowie ein Wohnzimmer mit Schreibtischen und einer Couch, über die eine waldgrüne Decke gebreitet war. Besonders gut gefiel mir der Kamin mit Holzstapel daneben.
Nicht übel, sagte Rocket. Ich probiere mal die sanitären Einrichtungen aus. Er wuselte ins Bad, hopste mit einem gewagten Sprung auf die Klobrille, hängte sein Hinterteil ins Becken und erledigte dort wahrscheinlich sein Geschäft, so genau sah man das nicht.
»Hey, kannst du nicht die Tür zumachen?«, schimpfte Jasper.
Wie, ihr wollt dieses einzigartige Naturschauspiel verpassen? Um zu spülen, musste sich Rocket mit ganzem Gewicht an den Hebel hängen.
Ich deponierte mein Zeug auf einer der Kojen und beobachtete, wie im Schlafzimmer nebenan Chris und Noah einzogen. Carag, Tikaani und Brandon verabschiedeten sich, um noch ein bisschen in ihren eigenen Hütten zu chillen.
»Echt schön hier, alles ist noch gemütlicher als daheim«, meinte ich zu meinem Freund.
»Gemütlich? Find ich nicht«, sagte Jasper und deutete vorwurfsvoll auf sein Bett, unter dem sich Schubladen befanden. »Da kann man nicht drunterkriechen!«
Eindeutig ein Designfehler, bekräftigte Rocket.
»Stimmt, bei der Gemütlichkeit müssen wir nachhelfen!«, rief Noah von nebenan. Während er sich fürs Abendessen umzog, ließ er seine getragenen Klamotten einfach liegen. Dann räumte er seinen Rucksack aus und verstreute dabei den Inhalt – Lesestoff, USB-Kabel, halb gegessenen Proviant, Bonbons, eine aus dem Flugzeug geklaute Decke – über den Boden. »So, schon viel wohnlicher … oder was meinst du, Chris?«
»Absolut.« Chris grinste. Er war gerade dabei, einen ganzen Schreibtisch mit seinem Laptop, MP3-Player, seiner Kamera und einem Berg von Technikkrempel zuzubauen.
Beeindruckt sahen Jasper und ich uns an. Dann machten wir noch ein bisschen mehr Chaos durch den Bau einer stilechten Gürteltier-Höhle unter dem Bett. Rocket bezog die Bettschublade daneben.
Die drei Jungs, Rocket-die-Ratte und ich gingen zusammen zum festlichen Abendessen.
Endlich kam ich dazu, mich mit Sebastian zu unterhalten, wir ergatterten zwei Plätze nebeneinander. »Wie hast du erfahren, was du bist?«, fragte mein ehemaliger bester Freund und ich erzählte von dem Hai-Alarm am Strand und wie mich Johnny sofort auf die Blue Reef High verfrachtet hatte.
»Vielleicht hätte ich es dir sagen sollen – aber ich hatte Angst, dass du dich dann versehentlich verwandelst und tot bist«, gestand mir Sebastian. Sein rundes, gutmütiges Gesicht sah noch genauso aus wie früher. »Das ist einer Freundin meiner Mutter passiert.«
»Oje.« Ich musste schlucken. »Hast du dich öfter mal verwandelt?«
»Ja, ziemlich oft, aber meistens nachts, weil es in Florida ja eigentlich keine Robben gibt.« Er grinste mich an. »Weißt du noch, wie wir zusammen Ameisen erforscht haben? Aber noch viel lustiger fand ich, wie wir aus alten Palmwedeln diese Hütte gebaut haben …«
Ich musste ebenfalls grinsten. »Eindeutig die hässlichste Hütte der Welt, und das auf einem Stück Brachland, wo die Hunde hingekackt haben. Haha, ja, wie sind wir auf die Idee gekommen, dadrin zu übernachten?«
»Keine Ahnung – doch, ich weiß es noch genau, es war deine Idee!«
»Nein, deine, da bin ich ganz sicher. Ich habe mir schon gedacht, dass diese Typen uns wegjagen würden …«
Sehr viel Zeit hatten wir nicht, Erinnerungen auszutauschen … denn nun legte Toco los. Nicht gleich, aber als die Lehrer sich vorstellten. Zuerst war eine sehr junge Frau mit kurzem rotblondem Haar dran, die sich als Luchs-Wandlerin Arula vorstellte; sie unterrichtete Verwandlung und Sei dein Tier.
Dann stand eine energisch wirkende Frau in Jeans und Sneakers auf; ihre kurz geschnittenen braunen Haare hatten schon einige graue Strähnen. »Herzlich willkommen an der Redcliff High! Falls ihr noch nicht mitbekommen habt, wer ich bin – ich habe diesen wilden Wolf und damit gleichzeitig diese Schule geheiratet. Anjelica Blackheart.« Die versammelten Blackhearts applaudierten. Sierras Mutter ließ den Blick über uns schweifen und fuhr fort: »Mein Job ist, euch Mathe und Physik in die Köpfe zu stopfen und zu schauen, dass beides drinbleibt und nicht wieder zu den Ohren rausläuft.«
»Darf ich fragen: Was sind Sie für ein Tier, Mrs Blackheart?«, fragte Ella würdevoll. Seit wir hier angekommen waren, führte sie sich auf wie eine verbannte Königin in einem fernen, unwirtlichen Reich.
Plötzlich war es sehr, sehr still im Raum.
»Wildschwein«, sagte Anjelica Blackheart.
Jemand anders – einer von den Redcliff-Leuten – machte Grunzgeräusche und ein paar Leute kicherten, aber nur ganz leise. Toco dagegen lachte so laut, dass es durch den Raum schallte, und schlug sich gleichzeitig auf die Schenkel.
Wie grauenhaft peinlich! Ich sah den anderen Leuten aus meiner Klasse an, dass sie genauso wie ich am liebsten sehr weit weggeschwommen wären.