Читать книгу Seawalkers (6). Im Visier der Python - Катя Брандис - Страница 18
ОглавлениеMeerblick
Ella hatte einen Hartschalen-Koffer, so klobig und schwer, dass sie ihn nur mit Mühe vom Fleck bekam. »Moment, ich helfe dir«, meinte Mr Blackheart, nahm ihr den Koffer ab und trug ihn mühelos, während er uns winkte, ihm zu folgen. Toco lud sich Daisys Gepäck auf und sie bedankte sich mit einem Lächeln bei ihm.
»Wie ist die kalifornische Schule so?«, fragte Shari Carag. »Sehr meerig oder sehr katzig?«
Carag lächelte. »Beides. Aber vor allem ist sie … hm … ungewohnt. Ihr werdet schon sehen. Sehr anders als eure.«
Ich drängte mich mit den anderen auf ein Rollband, das uns durch die langen, hochglanzpolierten Flughafengänge beförderte, und schob mich gemeinsam mit Shari möglichst nah an Sierra heran, damit wir keine interessanten Infos verpassten.
»Wir waren völlig überrascht davon, dass sich so viele Vogel-Wandler angemeldet haben«, berichtete Sierra gerade. »Unsere erste und einzige Klasse besteht fast zur Hälfte aus Flugtieren, manche nennen sie Windwalker. Tja, und die haben es sich richtig schön gemacht bei uns. Lasst euch …« Fast wäre sie auf die Nase gefallen. Selbst das längste Rollband hat nämlich ein Ende und es ist ungünstig, wenn man das vor lauter Erzählen übersieht. »Shit! Wieso passiert mir das ständig?«
»Ja, bei uns besteht die halbe Klasse auch als Fluchtieren«, witzelte Finny.
»Wölfe und Rolltreppen, das passt einfach nicht zusammen«, sagte Carag mitfühlend. »Tikaani hasst die Dinger auch, seit sie sich mal eine Pfote darin eingeklemmt hat.«
»Bei mir ist es noch schlimmer, ich schaffe es sogar als Mensch, mich darin einzuklemmen«, stöhnte Sierra.
»Vogel-Wandler?«, fragte Daisy neugierig, während sie mit den Händen die Antriebsräder ihres Rollstuhls packte. »Was denn für welche?«
Sierra zählte an den Fingern ab. »Wir haben einen blauen Ara, einen Steinadler, ein Käuzchen, einen grünen Halsbandsittich, eine Schnee-Eule …«
»Heißt die auch Hedwig?«, fragte Mara, die ein großer Harry-Potter-Fan war.
»Nee, Avery Storm. Außerdem gibt’s bei uns einen Graureiher und einen Jungen, der in zweiter Gestalt Schwarzhäubchenmeise ist. Ach ja, und einen Kampf hahn.«
»Einen Kampf hahn?« Noah musste lachen.
»Das ist kein Witz, leg dich nicht mit Victor an«, empfahl Sierra. »Außerdem geht in meine Klasse auch eine Hummel-Wandlerin, sie heißt Bumble und ist echt nett. Fluginsekten zählt man übrigens auch zu den Windwalkern.«
»Sticht sie?«, erkundigte sich Jasper besorgt.
»Du bist gepanzert, du machst dir nicht ernsthaft über so was Sorgen, oder?« Ich schüttelte den Kopf und Jasper gab zu, dass manche seiner Ängste wahrscheinlich übertrieben waren.
Im Bus saß ich mit Jasper zusammen, weil Shari neben Blue sitzen wollte – am Gang gegenüber hockten Finny und Leonora. Ich sah, dass Finny ein Bild von Wave auf ihrem Handy aufgerufen hatte und es sehnsüchtig betrachtete; es würde sicher eine Weile dauern, bis sie ihren Buckelwal-Freund wiedersah.
Noah dagegen, der sich den Platz neben Carag geschnappt hatte, würde seine Freundin schon sehr bald treffen; er konnte kaum noch still halten. »Ich freue mich schon dermaßen auf Holly, sie ist so ein tolles Mädchen«, schwärmte er. »So witzig und lebendig und so echt irgendwie, ich kann es gar nicht beschreiben …«
»Musst du auch nicht, ich kenne sie schon eine Weile.« Carag lächelte. »Übrigens redet sie ständig von dir, manche in meiner Klasse können den Namen Noah schon nicht mehr hören.«
Kichern aus mehreren Reihen verriet, dass ich nicht der Einzige war, der mithörte.
Wir fuhren durch San Francisco, über die Golden Gate Bridge und dann auf einer Straße nach Norden. Die Landschaft wurde immer grüner, die Orte kleiner; auf dieser Seite der Bucht gab es viele Naturschutzgebiete. Obwohl es inzwischen November war, lag golden schimmerndes Sonnenlicht über der zerklüfteten Landschaft. Steil fiel das Land zum Meer hin ab, niedrige Sträucher und Heidekraut bedeckten die Klippen.
Die Küstenstraße war so gewunden, dass Blue immer stiller und blasser wurde – als Mensch wurde sie leicht seekrank. »Hat jemand eine Tüte?«, stöhnte sie und kurzerhand reichte ihr Shari eine gerade erst leer gegessene Chipstüte. Na ja, wieso nicht? Wer später gierig reingriff, war selber schuld.
»Oh, der Pazifik … meine erste Liebe«, schwärmte Chris.
Meine Mitschüler und ich drängten sich neugierig auf der Seite des Busses, von der aus man über den blaugrauen Ozean, der von weißen Schaumkronen bedeckt war, hinausblicken konnte. Rocket hatte sich auf meine Kopfstütze hochgehangelt und stützte beide Vorderpfoten an der Scheibe ab. Wow, ich bin in Kalifornien. Meine Schwestern werden vor Neid wirken, als hätten sie ’ne Flasche Essig getrunken!
»Das Meer sieht rauer aus als bei uns«, stellte Shari fest.
Noah nickte, während er den Blick schweifen ließ. »Eher so wie bei mir daheim in Neuseeland.«
Hey, Leute, ich will auch mal gucken! Nimmt mich bitte mal jemand aus dem Rucksack!, beschwerte sich Linus. Denkt ihr, ich bin wirklich nur Dekoration, oder was?
»Ups, sorry.« Finny kramte die Schneekugel mit Korallenlandschaft und Seepferdchen hervor und hielt sie hoch, sodass Linus rausschauen konnte.
Stille.
»Und?«, fragte Daisy gespannt.
Hm, kam es von Linus. Da traue ich mich höchstens als Mensch rein – zu große Wellen.
»Zu groß? Die sind genau richtig, Kleiner«, sagte Chris und beobachtete zufrieden die Brandung. »Hier kann man wenigstens gescheit surfen!«
»Schon – wenn du keine Angst vor den Weißen Haien hast«, bemerkte ich und erinnerte mich mit leichtem Grusel daran, wie ich zum ersten Mal einen großen Weißen gesehen hatte … ausgerechnet als ich unter Wasser an einem Geisternetz festgehangen hatte. »Von denen gibt’s hier viele, weil Robbe ihr Lieblingsfresschen ist.«
Wenn du mich noch mal Kleiner nennst, spuck ich dir in die Cola, wenn du mal nicht hinschaust, kündigte Linus an.
Chris wirkte nicht beeindruckt. »Aha, du willst, dass ich deine Schneekugel noch mal kräftig schüttele? Das ist bestimmt gut für deinen Kreislauf …«
Nein, nein! Lass das! Das mit der Cola war nur Spaß!
Dass Sierra uns die ganze Zeit über aufmerksam beobachtet hatte, merkten wir erst, als sie sich zu Wort meldete. »Das ist witzig, man merkt gleich, dass ihr Seawalker seid … ihr achtet nur auf das Meer, aber unsere Berge habt ihr noch kein einziges Mal angeschaut.«
»Doch, doch«, versicherte ihr Nestor. »Ich schon. Die sehen zum Teil ganz schön verkohlt aus.«
»Verkohlt?«, fragte Jasper erstaunt.
»Ja, leider«, sagte Benjamin Blackheart, der den Bus selbst fuhr. »Wegen des Klimawandels, durch den es trockener und heißer geworden ist, haben wir seit ein paar Jahren noch mehr Buschfeuer als sowieso schon. Dieser Sommer war heftig, wir konnten wochenlang kaum atmen vor Qualm.«
»Kenn ich – wir haben in Yellowstone auch in jedem Sommer Feuer«, berichtete Carag. »Aber bei euch ist es eindeutig schlimmer. Schaut mal, der Hang dort …«
Erschrocken spähten wir aus dem Fenster. Tatsächlich, so weit das Auge reichte, schwarz verkohlte Baumstämme und kahles, verbranntes Land. So hatten wir uns die kalifornische Landschaft nicht vorgestellt. Klimawandel … ja, über den hatte ich im Unterricht auch schon einiges gehört, er brachte Riffe um, weil das Wasser wärmer wurde, als sie es vertrugen. Außerdem ließ er das Meerwasser saurer werden, was viele Tiere mit Kalkschalen in Schwierigkeiten brachte.
»Falls ihr euch fragt, ob wir selbst zum Klimawandel beigetragen haben durch diesen Flug …«, begann Miss White und Mr Clearwater fuhr dort: »… dann stimmt das einerseits. Andererseits haben wir eine Extragebühr bezahlt, damit so viele Bäume gepflanzt werden wie nötig, um das CO2 auszugleichen.«
Meine Mitschüler und ich schauten schon etwas beruhigter drein.
»Anderes Thema«, sagte Mr Blackheart. »Gebt bitte sofort Bescheid, wenn ihr euch unwohl fühlt oder Wasser braucht. Wir kommen hin und wieder an der Zufahrt zu einer Bucht vorbei, die können wir im Notfall ansteuern.«
Mr García wirkte erleichtert. »Genial. Das heißt, wir würden zur Not auch mit Mara als Seekuh klarkommen.«
»Ich hab mich noch nie unfreiwillig verwandelt«, protestierte Mara. Aber Zelda, Shari und die meisten anderen inklusive mir hielten lieber den Mund, denn es gab kaum einen von uns, dem das noch nicht passiert war.
»Bald da!«, verkündete Sierra und gespannt spähten wir aus den Busfenstern.