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Zunehmender Wohlstand erzeugt zunehmende Unterschiede

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Die Arbeit als Antrieb schafft nicht nur den Reichtum der Gesellschaften, sie erzeugt auch wesentliche Unterschiede. Es setzt ein gesellschaftlicher Differenzierungsprozess ein, der zunächst sowohl die Zeiten nach den Geschlechtern in die Arbeitszeit der Männer und die Familien- und Erziehungszeit der Frauen scheidet, sofern das Überleben nicht beide Geschlechter in einer Arbeit zum Überleben gefangen hält. Zugleich wird die körperliche von der geistigen Arbeit unterschieden: Der körperlichen Arbeit werden die eher einfachen, leichter zu intensivierenden Tätigkeiten zugeordnet, der geistigen Arbeit eine Fülle an qualitätvoll unterschiedlichen Tätigkeiten, deren Wertigkeiten abgestuft werden. Hier wirken vor allem Angebot und Nachfrage mit Erwartungen an die Qualität der Arbeit zusammen.

Begleitet wird die verstärkte Unterscheidung von körperlicher und geistiger, von Männer-, Frauen- und Kinderarbeit mit einer in der Moderne zunehmenden Arbeitsteilung in verschiedene Berufsbilder. Das Berufsbild der Nachhaltigkeit fehlt von vornherein und lässt sich auch bis heute eher als Tätigkeit finden, die die Produktivitätsgrenzen weiter ausreizen soll und die Folgen für die Menschen und die Umwelt eher zurückhaltend erfasst, weil Nachhaltigkeit für eine ferne Zukunft stets sehr unproduktive Kosten in einer auf Gewinne orientierten Gegenwart erzeugt.

Die positiven Erzählungen gehen anders. Sie lauten so: Mit dem Erstarken eines Bürgertums, mit Handwerk, ersten Manufakturen und später Fabriken in einer zunehmenden Industrialisierung entsteht eine Lohnarbeit, die – wie Marx es in seiner Schrift über das Kapital herausarbeitete – doppelt freigesetzt wurde: Einerseits entstammte sie den feudalen Banden einer Herrschaft und Abhängigkeit, andererseits eröffnete sie aber damit auch mehr Teilhabe an der Gesellschaft in dieser neuen Freiheit bis hin zu demokratischen Lebensverhältnissen, wobei die Freiheitsgrade in langen gesellschaftlichen Kämpfen erstritten werden mussten. Die Freiheit wurde zu einem höchsten Wert dieser gesellschaftlichen Entwicklung.

Aber zugleich wurden die nun freien Lohnarbeiter auch von ihrem (meist sehr kleinem) Besitz an Land oder aus ihrer Zugehörigkeit zu Familien, Orten oder Gemeinden »befreit«. Damit standen sie für Arbeiten zur freien Verfügung, die mit einem Vertrag für eine bestimmte Zeit gegen Lohn angeboten wurden. Diese Freiheit war von Beginn an schwierig: Einerseits konnte auf dem nun entstehenden Arbeitsmarkt die Arbeit wie eine Ware angeboten werden, andererseits war es eine Frage von Angebot und Nachfrage, wer diese Arbeit nutzen und dadurch das Überleben der Arbeitenden unter dem Vorbehalt einer Aussicht auf eigene Gewinne sichern wollte.

Ein Gewinn entsteht für den Kapitalisten, wenn er die Lohnarbeit kauft, sie auf seinem Land, in einer Werkstatt oder Fabrik mit Arbeitsmitteln aller Art beschäftigt, um bestimmte Waren herzustellen, und dabei am Ende mehr auf dem Markt, wiederum abhängig von Angebot und Nachfrage, einnimmt, als die Räume und Arbeitsmittel und die Lohnarbeit kosten. Das Bestreben dieses Kapitalisten geht dabei bis heute dahin, diese Kosten möglichst zu senken. Kosten für Nachhaltigkeit gehören stets zu den für die nähere Zukunft unproduktiven Kosten, und es liegt daher nie im Interesse des Kapitalisten, nachhaltig vorzugehen. Sein Interesse richtet sich auf die Kosten, die er gezielt senken kann. Der Gewinn für die Lohnarbeiterinnen muss immer erst erkämpft werden, der erhoffte Aufstieg kann erst dann ansatzweise befriedigt werden, wenn der Wohlstand anwächst und der Staat eine soziale Sicherung übernimmt.

Der entgrenzte Mensch und die Grenzen der Erde Band 2

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