Читать книгу Der entgrenzte Mensch und die Grenzen der Erde Band 2 - Kersten Reich - Страница 35
Risiken und Chancen sind ungleich verteilt
ОглавлениеGenerell gibt es im Kapitalismus kein Recht auf Arbeit, sodass die Risiken bei Verlust eines Arbeitsplatzes bei den Arbeitenden selbst liegen oder bedeuten, auf niedrigere Tätigkeiten angewiesen zu sein, um überhaupt ein Einkommen zu erzielen. Die Risiken auf Seiten der Unternehmen werden gern dramatisiert, da durch Investitionen, die sich nicht rentieren, große Vermögen verloren gehen können. Aber in der Geschichte des Kapitalismus zeigt sich ein enormer Erfindungsreichtum, die rechtliche Vermögenshaftung durch Firmenkonstruktionen in der persönlichen Haftung zu begrenzen. Insoweit mag der Maßstab der Risiken nach der Höhe des Verlustes zwar sehr unterschiedlich ausfallen, aber das Risiko für das Überleben ist bei der ärmeren Klasse deutlich höher. Deshalb springt der Staat als Risikoagentur im Laufe der Zeit auch ein, wobei durch Steuereinnahmen von den Löhnen die Arbeitenden als Masse proportional deutlich höher als die Reichen belastet werden.
In den Anfängen war der Kapitalismus vielfach durch Teilarbeiten bestimmt, in denen die Arbeitenden jeweils spezialisierte Tätigkeiten in meist seriellen Fertigungen ausführten. Im Handwerk und anderen Berufsbildern gab es allerdings auch eher ganzheitliche Arbeiten, die auf bestimmte Arbeitsfelder oder Dienstleistungen ausgerichtet waren. Die Arbeitsverhältnisse tragen vor diesem Hintergrund einen grundsätzlichen Widerspruch in sich: Einerseits benötigt eine Vielzahl von Arbeiten und Nutzungen eine zunehmende Qualifizierung der Menschen, um der wachsenden hohen Geschwindigkeit, der Komplexität und Technologie sowie den Kooperations- und Kommunikationsformen, die damit verbunden sind, zu entsprechen. Andererseits gibt es immer noch eine Vielzahl dequalifizierter Arbeiten, die nur geringe fachliche Voraussetzungen benötigen. Auffällig ist, dass die Industrieländer in ihrer Entwicklung immer mehr qualifizierte Arbeiten benötigen, weil die dequalifizierten Arbeiten in Billiglohnländer verschoben werden. Dies aber führt in den Industrieländern zu neuen Widersprüchen: Wo früher die qualifizierte Arbeit durch den Einsatz einer hohen Lernbereitschaft zu einem relativ sicheren Lohn oder Einkommen führte, da kann sie heute durchaus auch in Arbeitslosigkeit wegen eines Überangebots an qualifizierten Arbeitskräften enden. Die dequalifizierte Arbeit hingegen, die auf Unterqualifizierung beruht, ist besonders problematisch, weil diejenigen mit den schlechten Abschlüssen bereits jung in eine Dauerarbeitslosigkeit oder Verfügbarkeit für prekäre Tätigkeiten entlassen werden.