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Gewinnmaximierung durch eine Vielfalt von Mehrwerten

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Der Kapitalismus setzt auf Kapitalverwertung, wo etwas ist, da soll mehr entstehen. Mehrwerte sind das ständige Ziel, auch wenn sich unterschiedliche ökonomische Theorien fundamental darüber streiten, wie solche Mehrwerte gewonnen werden. Im Ergebnis bleibt für alle ungeachtet der Interpretationen immer ein Resultat übrig: Einige Menschen, die bereits etwas besitzen, lassen anscheinend ihr Geld »arbeiten« oder »anwachsen«. Sie erwirtschaften auf scheinbar geheimnisvolle Weise Gewinne, die sich ständig vermehren. Die Logik kann unterschiedlich rekonstruiert werden, die Welt der ökonomischen Beziehungen durchdringt in der gegenwärtigen longue durée alle Lebensverhältnisse. Für Marx entspringt der Mehrwert aus dem Verhältnis von Lohnarbeit und Kapital, aber heute gibt es Konstruktionen, die eine Vielfalt der Mehrwertproduktion auch durch Angebot und Nachfrage, Illusionierung, Täuschung und Betrug oder parasitäre Gewinne zulassen (so Reich 2018 a). Hornborg (2019) erklärt sie schlicht zu einer allgemeinen Wirkung des Geldes.

Im Zeitalter der Börsen und Aktienmärkte, der Blasen und Spekulationen, vermehren sich Kapital und Geld deutlich schneller als die materiellen Besitztümer, in die sie verwandelt werden können. Zwischen Geld und Kapital auf der einen und der Natur und materiellen Welt auf der anderen Seite wachsen Widersprüche an. »Die physische Funktionsweise des Energiesystems, zum Beispiel – von der Förderung bis zur Emission von Treibhausgasen –, folgt einer Logik, die ganz anders als die des Kapitals ist. Die Zirkulation von Werten und die Transformation von Gebrauchswerten sind zwei Seiten des doppelten Charakters des kapitalistischen Reproduktionsprozesses. Aber sie sind verschieden. Die eine ist immateriell, die andere materiell und substanziell. Die eine folgt der Logik der Zirkularität (das Kapital muss zum Kapital zurückkehren), die andere hat kumulative Effekte – so ist beispielsweise das CO2 in der Atmosphäre seit dem 19. Jahrhundert rapide angestiegen … Im Bergbau hat die Rohstoffgewinnung einen ›negativen Kumulationseffekt‹: Zuerst kommt der Höhepunkt der Förderung, aber schließlich bleibt nur ein ›schwarzes Loch‹ übrig.« (Altvater 2016, 148)

Diese doppelte Logik ist eine marxistische Konstruktion, die zu begreifen helfen will, wie das Verhältnis von Tausch- und Gewinngeschäften in der Marktgesellschaft und in natürlichen Umweltverhältnissen mit- und gegeneinander wirken. Doch der Gegensatz von materieller »Natur« und immateriellen Tauschhandlungen ist so einfach nicht. Immateriell erscheint die Tauschhandlung auf den Märkten im Sinne der Logik der Mehrwertproduktion, aber sie wird materiell im Sinne der Geldwerte zurückverwandelt. Insoweit mischen sich auf den Märkten schnell die materiellen und immateriellen Perspektiven und die damit zusammenhängenden Ereignisse. Der Kapitalbesitzer erhält immer mehr als der Lohnarbeiter, der Geldbesitzer oder Immobilienbesitzer zieht Renditen aus dem, was er besitzt und durch Privateigentum auf verschiedenen Märkten vermarkten kann. Angebot und Nachfrage auf den Märkten lassen die Preise und möglicherweise die Gewinne schwanken, aber wer keinen Preis für sich aufrufen kann, der wird immer leer ausgehen. Altvater erinnert in diesem Sinne, dass die Kosten-Nutzen-Denkweise des Kapitals eine Rationalität der Gewinnmaximierung darstellt, die für den Umgang mit der Natur weder die räumlichen noch zeitlichen Dimensionen der äußeren Wirkungen einbezieht. Das Kapital orientiert sich ausschließlich an seiner Zins- und Profitrate (ebd.). Damit bleibt das Kapital doppelt gefährlich für die Natur: Im Produktionsprozess ist es aus Gewinngründen rücksichtslos gegen jegliche Nachhaltigkeit, die ihm nur politisch aufgezwungen werden kann, und bei den Gewinnen sind die Wirkungen im Lebensstil dann umso weniger nachhaltig, je reicher die Menschen sind.

Der entgrenzte Mensch und die Grenzen der Erde Band 2

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