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Das doppelte Nachhaltigkeitsproblem

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Der gegenwärtige Kapitalismus ist vor dem Hintergrund dieser Bedingungen ständig von vielen Veränderungen in allen Lebensbereichen gekennzeichnet. In gewisser Weise kulminieren diese Veränderungen in einem beschleunigten materiellen Wohlstand, wie er insbesondere in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts in den Industrieländern erfahren werden konnte. Hier wirkt allerdings eine soziale Nachhaltigkeitskrise fort, die sich über die letzten 200 Jahre zwar positiv für die in Lohnarbeit stehenden Menschen verändert hat, aber immer von einer sozialen Ungerechtigkeit begleitet ist. Ungerecht ist, dass die Leistungen der arbeitenden Menschen nicht angemessen entsprechend des geschaffenen Reichtums entlohnt werden. Dabei wirkt die alte, schwere und feste Moderne in vielen Anteilen fort, sie wird aber auch durch eine leichte und flüssige Moderne ersetzt und ergänzt, die in der Globalisierung sichtbar wird und später noch näher analysiert werden soll. Nicht bedachte Folgen fehlender Nachhaltigkeit sowohl im sozialen System als auch gegenüber der Natur und Umwelt sind dem kapitalistischen System grundsätzlich eingeschrieben und auch in seinen Rechten, Regulierungen und Organisationsformen verankert. Deshalb zählt die sozial-ökonomische Nachhaltigkeit auch richtigerweise zu den Säulen der Nachhaltigkeit, auch wenn dies zunächst nur den Status quo der kapitalistischen Verteilungskämpfe charakterisiert und immer durch eine ökologische Betrachtungsweise nicht nur ergänzt, sondern auch kritisch hinterfragt werden muss.

Graeber (2011) weist darauf hin, dass Geld in der heutigen Gesellschaft immer Schulden miteinschließt. Wie wird auf den Markttransaktionen der menschliche Wunsch nach Reziprozität und gleichem, gerechtem Austausch, nach moralischem und gerechtem Handeln realisiert und kalkuliert? Im Ergebnis wird erkennbar, dass Schulden zunächst in sozialen Beziehungen und Verpflichtungen standen, aber mit der Entwicklung vom klassischen und schweren Kapitalismus in den Neoliberalismus immer mehr der alten Verpflichtungen und Zugehörigkeiten enthoben werden. Das Kosten-Nutzen-Denken in seiner immer dominanter und ignoranter werdenden Form des Vergessens der sozialen Gerechtigkeit und der nachhaltigen Anforderungen ist Ausdruck einer Haltung, die anzeigt, dass der Mensch die wesentlichen Fragen seines Überlebens aus dem Blick verloren hat. In Bezug auf den Klimawandel und dessen Folgen macht es wenig Sinn, die Natur fast ausschließlich aus der Perspektive von Ware-Geld-Beziehungen aufzufassen, denn es geht in der bio-physikalischen Welt nicht um Marktgesetze und Konstruktionen, die bestimmen, wie es den Menschen immer besser gehen soll, wenn gleichzeitig die Natur einseitig überwältigt wird. Der Homo oeconomicus muss verstehen lernen, dass die Natur für die Wirtschaft immer nur ein billiger Gebrauchswert ist, der solange ausgebeutet, verschwendet oder ruiniert wird, bis eine Vernunft oder nicht-ökonomische Justiz oder Moral einsetzen, die um des Überlebens der Menschen und anderen Lebens auf der Erde willen die Privatisierung und Ausbeutung des Planeten beschränken.

Der entgrenzte Mensch und die Grenzen der Erde Band 2

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