Читать книгу Klausurenkurs im Arbeitsrecht I - Kerstin Tillmanns - Страница 80
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Repetitorium
I. Fallgruppen der Diskriminierung
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Normen, nach denen Diskriminierungen unzulässig sind, finden sich nicht ausschließlich im AGG. Die wichtigsten einschlägigen Normen werden im Folgenden nach Merkmalen geordnet dargestellt.
1. Geschlecht
• | Art. 157 AEUV (grundsätzlich nur bezüglich Entgelt); hat horizontale Direktwirkung, d. h. unmittelbar im Verhältnis Arbeitgeber – Arbeitnehmer anwendbar |
• | Im Einzelnen unklar:[1] allgemeiner primärrechtlicher Gleichbehandlungsgrundsatz in allen Arbeitsbedingungen; hat horizontale Direktwirkung, d. h. unmittelbar im Verhältnis Arbeitgeber – Arbeitnehmer anwendbar (vgl. Art. 6 I EUV i. V. m. Art. 51 I, 23 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union[2]) |
• | RL 2006/54 zur Verwirklichung des Grundsatzes der Chancengleichheit und Gleichbehandlung im Arbeitsleben von Männern und Frauen;[3] keine horizontale Direktwirkung |
• | Art. 3 II, III 1 GG; grundsätzlich nur im Verhältnis Staat – Bürger anwendbar |
• | AGG |
• | § 3 EntgTranspG (bezüglich Entgelt) |
• | § 4 I TzBfG (mittelbare Diskriminierung) |
2. Behinderung
• | Im Einzelnen unklar: allgemeines primärrechtliches Diskriminierungsverbot, d. h. unmittelbar im Verhältnis Arbeitgeber – Arbeitnehmer anwendbar (vgl. Art. 6 I EUV i. V. m. Art. 51 I, 21 I der Charta der Grundrechte der Europäischen Union) |
• | Richtlinie 2000/78 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf;[4] keine horizontale Direktwirkung |
• | Art. 3 I, III 2 GG; grundsätzlich nur im Verhältnis Staat – Bürger anwendbar |
• | AGG |
• | § 164 II SGB IX |
3. Rasse/ethnische Herkunft
• | Im Einzelnen unklar: allgemeines primärrechtliches Diskriminierungsverbot; hat horizontale Direktwirkung, d. h. unmittelbar im Verhältnis Arbeitgeber – Arbeitnehmer anwendbar (vgl. Art. 6 I EUV i. V. m. Art. 51 I, 21 I der Charta der Grundrechte der Europäischen Union) |
• | Richtlinie 2000/43 zur Anwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes ohne Unterschied der Rasse oder ethnischen Herkunft;[5] keine horizontale Direktwirkung |
• | Art. 3 I, III 1 GG; grundsätzlich nur im Verhältnis Staat – Bürger anwendbar |
• | AGG |
4. Religion/Weltanschauung
• | Im Einzelnen unklar: allgemeines primärrechtliches Diskriminierungsverbot; hat horizontale Direktwirkung, d. h. unmittelbar im Verhältnis Arbeitgeber – Arbeitnehmer anwendbar (vgl. Art. 6 I EUV i. V. m. Art. 51 I, 21 I der Charta der Grundrechte der Europäischen Union) |
• | Richtlinie 2000/78 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf; keine horizontale Direktwirkung |
• | Art. 3 I, III 1 GG; grundsätzlich nur im Verhältnis Staat – Bürger anwendbar |
• | AGG |
5. Alter/sexuelle Identität
• | Im Einzelnen unklar: allgemeines primärrechtliches Diskriminierungsverbot; hat horizontale Direktwirkung, d. h. unmittelbar im Verhältnis Arbeitgeber – Arbeitnehmer anwendbar (vgl. Art. 6 I EUV i. V. m. Art. 51 I, 21 I der Charta der Grundrechte der Europäischen Union) |
• | Richtlinie 2000/78 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf; keine horizontale Direktwirkung |
• | Art. 3 I GG; grundsätzlich nur im Verhältnis Staat – Bürger anwendbar |
• | AGG |
6. Staatsangehörigkeit
• | Art. 45 AEUV (für Unionsbürger); hat horizontale Direktwirkung, d. h. unmittelbar im Verhältnis Arbeitgeber – Arbeitnehmer anwendbar |
• | Art. 18 AEUV |
• | Art. 6 I EUV i. V. m. Art. 21 II der Charta der Grundrechte der Europäischen Union |
• | VO 492/2011 über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer innerhalb der Union[6]; hat horizontale Direktwirkung, d. h. unmittelbar im Verhältnis Arbeitgeber – Arbeitnehmer anwendbar |
• | Art. 3 I GG; grundsätzlich nur im Verhältnis Staat – Bürger anwendbar |
• | AGG analog[7] |
7. Gewerkschaftszugehörigkeit
• | Art. 9 III GG |
II. Unmittelbare und mittelbare Diskriminierung
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Eine unmittelbare Diskriminierung liegt vor, wenn die Benachteiligung direkt mit einem der in § 1 AGG genannten Merkmale begründet wird. Dies ist auch der Fall, wenn zwar nicht das Merkmal (z. B. Geschlecht) selbst genannt wird, aber auf eine Eigenschaft abgestellt wird, die zwingend nur bei der Gruppe der Merkmalsträger vorliegen kann (z. B. Schwangerschaft).
Die mittelbare Diskriminierung ist theoretisch wenig durchdrungen. Da das Diskriminierungsrecht zum überwiegenden Teil rechtlichen Vorgaben der EU entspringt, ist die Rechtsprechung des EuGH maßgeblich. Der EuGH fordert grundsätzlich, Vergleichsgruppen zu bilden. Es ist dann die Zusammensetzung in der benachteiligten Gruppe und die in der Gesamtgruppe zu vergleichen.[8] Allerdings führt der EuGH oft einen solchen Vergleich gar nicht aus.[9] Auch die „Gegenprobe“, d. h. die Prüfung, ob die nachteilige Wirkung auch anders als mit dem Merkmal (hier: Alter) erklärt werden kann, ist nicht erforderlich. Es muss von der benachteiligenden Regelung ein wesentlich höherer Anteil der Angehörigen eines Merkmals (hier: junges Alter) betroffen sein.[10] Genaue Prozentzahlen lassen sich der Rechtsprechung des EuGH nicht entnehmen. Die „Berechnung“ überlässt der EuGH den jeweils zuständigen nationalen Gerichten.
Beispiel für einen typischen Fall mittelbarer Diskriminierung:
Zahlung von Weihnachtsgeld nur an Vollzeitkräfte Unternehmen: 100 Arbeitnehmer Teilzeitkräfte: 50, davon 45 Frauen, 5 Männer Vollzeitkräfte: 50, davon 45 Männer, 5 Frauen
(im Beispiel: Angleichung „nach oben“, d. h. Teilzeitbeschäftigte haben Anspruch auf Weihnachtsgeld)
III. Mitbestimmung bei personellen Einzelmaßnahmen gem. §§ 99 ff. BetrVG
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§ 99 BetrVG gewährt dem Betriebsrat ein Zustimmungsrecht. Die Voraussetzungen dafür sind insbesondere:
• | Beschäftigung von in der Regel mehr als 20 wahlberechtigten Arbeitnehmern im Betrieb und |
• | das Vorliegen einer personellen Einzelmaßnahme, und zwar Einstellung, Versetzung oder Eingruppierung eines Arbeitnehmers. |
Wenn der Betriebsrat seine Zustimmung verweigert hat, kann der Arbeitgeber beim Arbeitsgericht beantragen, die Zustimmung zu ersetzen. Das Gericht kommt dem nur nach, wenn keiner der in § 99 II BetrVG aufgeführten Gründe vorlag. Bis zur Klärung des Streits ist unter den Voraussetzungen des § 100 BetrVG eine vorläufige Durchführung der personellen Maßnahme zulässig.
Übersicht: Zustimmungsersetzungsverfahren, §§ 99 bis 101 BetrVG