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Großer See – HỒ XUÂN HƯƠNG – Nach Frühling duftender See

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DIE HOCHZEIT MEINER ELTERN war das Ereignis der Saison in Đà Lạt. Um die Neugier der Angestellten und Einwohner der Stadt zu stillen, defilierten meine Eltern im Cabrio um den Hồ-Xuân-Hương-See, bevor sie zu dem Empfang kamen, wo die Honoratioren und Würdenträger der Region schon auf sie warteten und alle Frauen auf eine unglückliche Zukunft meiner Mutter wetteten. Am Arm meines Vaters und begleitet von ihren Eltern und Schwiegereltern, begrüßte meine Mutter die Gäste an jedem Tisch. Mein Vater und meine beiden Großväter dankten allen für die Glückwünsche, stießen mit ihnen an und leerten gemeinsam mit dem Wortführer jedes Tisches ihr Glas auf Ex. Während die Männer tricksten und ihre Gläser mit Tee statt mit Whisky auffüllten, um die Runde durchzustehen, ohne umzufallen, fand meine Mutter Vergnügen daran, den Frauen ins Gesicht zu sehen, die sie seit ihrer Geburt ganz offen als »Affe«, »Wilde« oder »Transvestit« beschimpft hatten. Sie würden für den Rest ihres Lebens über die Entscheidung meines Vaters rätseln. Meiner Mutter konnten solche Beleidigungen nun egal sein, denn sie bewegte sich fortan in der Aura der Schönheit meines Vaters.

Die Hochzeit mit ihm tilgte ihre stumpfe Nase, ihre schweren Lider, ihr kantiges Kinn. Sie stellte sich als Madame Lê Văn An vor und hielt auch ihre Angestellten an, sie so zu nennen, denn jedes Mal, wenn dieser Name fiel, raunte mein Vater ihr zu, ihre Haare seien wie der Schleier der Wasserfälle von Prenn, ihre Augen so rund und glänzend wie die Kerne der Longanfrucht und vor allem, dass keine Frau ihn besser verstehe als sie. Schon im ersten Jahr ihrer Ehe schuf sie den Thron, auf dem sich mein Vater als Herrscher seines Königreichs fühlen konnte, indem sie eine Villa und ein Lager in Saigon erwarb. Mein Vater war der Herr und Meister über diese Anlaufstelle für Händler und Käufer, die dort ihre Bestellungen abgaben, und leitete offiziell das von meiner Mutter zusammengestellte Team. Meine Mutter erklärte den Angestellten, dass mein Vater an zahlreichen gesellschaftlichen Veranstaltungen teilnehmen müsse, weshalb es streng verboten sei, ihn morgens, mittags, während der Siesta oder in den Zeiten, in denen er nachdachte, zu stören … Alle Fragen sollten zuerst ihr vorgelegt werden, alle Entscheidungen meines Vaters seien vorrangig auszuführen.

Die vielen Namen der Liebe

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