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Hanoi – HÀ NỘI – Binnenfluss

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MEIN GROSSVATER VÄTERLICHERSEITS bekam von der rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität Hanoi ein Diplom »als Eingeborener« verliehen. Frankreich sorgte für die Bildung seiner Untertanen, Abschlüsse aus den Kolonien waren aber weniger wert. Vielleicht zu Recht, denn das wirkliche Leben in Indochina hatte nichts mit dem in Frankreich zu tun. Dafür waren Lehrpläne und Prüfungsfragen überall gleich. Auf die schriftlichen Abiturprüfungen, so hatte Großvater uns oft erzählt, folgte noch eine Reihe mündlicher Prüfungen. So übersetzte er etwa vor dem Kollegium ein Gedicht aus dem Vietnamesischen ins Französische und ein anderes andersrum. Auch mathematische Aufgaben musste er mündlich lösen. Die schwierigste Prüfung aber bestand darin, die Feindseligkeit derer auszuhalten, die über seine Zukunft entscheiden würden, und sich davon nicht aus dem Konzept bringen zu lassen.

Die Unnachgiebigkeit der Lehrer wunderte die Schüler nicht, standen doch Intellektuelle, zu denen die Lehrer gehörten, in der sozialen Hierarchie an der Spitze der Pyramide. Dort thronten sie als Weise und ließen sich von ihren Schülern ihr Leben lang als »Professor« titulieren. Da sie die Hüter der absoluten Wahrheit waren, war es unvorstellbar, etwas, was sie sagten, in Zweifel zu ziehen. Deshalb hatte mein Großvater sich auch nie gewehrt, wenn ein Lehrer ihm einen französischen Namen gab. Von seinen Eltern hatte er aus Unkenntnis oder aus einer Art Protest keinen bekommen. Dafür erhielt er in der Schule Jahr für Jahr von jedem Lehrer einen neuen Namen: Henri Lê Văn An, Philippe Lê Văn An, Pascal Lê Văn An … Von all diesen Namen behielt er Antoine und machte Lê Văn An zu seinem Nachnamen.

Die vielen Namen der Liebe

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