Читать книгу Indienfahrt 1965 - Klaus Heitmann - Страница 5
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ОглавлениеErregung angesichts unseres Ostwärtsdrangs hatte zur Folge, dass die Nacht entschieden zu kurz ausfiel. Aber herrliches Wetter und ein klarer kalter Bach erleichterten das Aufwachen. Bei wunderbarer Sicht fuhren wir das schöne Drautal hinunter nach Villach, um von dort zum nächsten Alpenkamm aufzusteigen.
Eigentlich hatten wir gedacht, dass wir erst nach Wochen und weit im Osten mit den Grenzen der Leistungsfähigkeit unseres Wagens konfrontiert werden würden. Der Khyberpass zwischen Afghanistan und Pakistan, so hatte man uns bedeutet, sei 4000 Meter hoch und so steil, dass man das Gepäck hinauftragen müsse - ein Umstand den Vikram offenbar verdrängt hatte, als er seine Zigarettenautomaten und Kugellager in den Wagen packte. Außerdem müsse man dort mit abgestürzten Felsbrocken rechnen, weswegen wir eine Seilwinde mitführten, um dieselben beseitigen zu können. Wir waren aber noch nicht zwei Tage unterwegs und noch mitten in Europa, als wir schon feststellen mussten, dass unser VW-Bus mit seinem 34-PS Motor Probleme bekam. Am berüchtigten Wurzenpass ging es mit Vollgas im ersten Gang und mit heulendem Motor zunächst noch einigermaßen voran. Als wir aber an die Stelle kamen, wo die Steigung sechsundzwanzig Prozent betrug, verließen unseren Bukephalus die Kräfte. Gerade noch rechtzeitig bevor der Motor abgewürgt war, sprangen alle außer mir – ich saß am Steuer – aus dem Fahrzeug und schoben. Mit einiger Mühe kam der Wagen wieder in Gang und wir waren erleichtert, dass wir unser Gepäck nicht schon jetzt in die insofern auch nicht unbeachtliche Höhe von 1000 Metern tragen mussten.
Die Grenze nach Slowenien war schnell überwunden und nun begann eine andere Welt. Auf einen Schlag war es vorbei mit sauberen Dörfern und Städtchen und ordentlichen Strassen. Die Menschen trugen triste Kleidung, lebten in ungepflegten, grauen Häusern und die Industriebetriebe sahen ziemlich heruntergekommen aus. Nach Laibach begann die Autoput. Die Strasse, die weitgehend auf einem hohen Damm ohne Leitplanken verlief, war nicht nur die wichtigste Verkehrsader des Balkans. Über sie verlief auch der ganze Schwerverkehr zwischen Europa und Asien. Sie hatte aber nur zwei Spuren, womit riskante Überholmanöver vorprogrammiert waren. Dementsprechend kamen wir ein ums andere Mal an Unfällen vorbei, die sehr unerfreulich aussahen. Dazu lagen am Fuß des Dammes zahlreiche übel zugerichtete Lastwagen und PKWs, von denen man einige, als wolle man allzu waghalsige Fahrer mahnen, offenbar seit Jahren liegen gelassen hatte. Die Stimmung im Wagen war angespannt. Fridjof, der am Steuer saß, stand unter der kritischen Beobachtung der anderen und musste sich immer wieder Mahnungen anhören, was zu gereizten Reaktionen von seiner Seite führte.
Hinter Zagreb hielten wir an einem Bauernhaus an und fragten nach Wasser. Da es dunkel zu werden begann und Regen drohte, lud man uns spontan ein, im Haus zu übernachten. Es war das komplette Kontrastprogramm zu unseren Schlossbesuch vom Vortag. Die Wohnverhältnisse waren äußerst einfach, schmutzige Wäsche hing neben amerikanischen Filmplakaten, eine Menge dreckiger brauner Kinder, die zur Besichtigung der seltsamen Gäste zum Teil aus der Nachbarschaft gekommen waren, umstanden uns und Tiere aller Arten liefen umher. An Herzlichkeit standen die Bauernhausbewohner den Schlossbesitzern aber in keiner Weise nach. Man kümmerte sich rührend um unser Wohl und nahm uns jede Handbewegung ab. Wir nisteten uns in der geräumigen Küche ein und kochten mit Hilfe der Hausbewohner, wobei unser Ansprechpartner die älteste Tochter war, eine Medizinstudentin, die etwas Englisch sprach.