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ОглавлениеAls wir am Morgen in aller Frühe in der Werkstatt vorsprachen, hieß es zunächst, dass es zahlreiche Vorbestellungen gebe, die Vorrang hätten. Wir müssten damit rechnen, erst in einigen Tagen dranzukommen. Dies trug natürlich nicht zur Verbesserung unserer ohnehin gedrückten Stimmung bei. Als das Werkstattpersonal dies bemerkte, machte man uns Hoffnung, dass man möglicherweise gegen 12 Uhr mit unserem Wagen anfangen könne. Leider bestätigte sich der Verdacht, dass es sich dabei um eine bloße Beruhigungspille handelte. Wir entschlossen uns daher, selbst zur Tat zu schreiten. Man hatte uns gesagt, dass der Motor ausgebaut werden müsse. Vikram, der angab, einmal als Automechaniker gearbeitet zu haben, meinte, dies könnten wir selbst tun, zumal es bei einem VW kein Hexenwerk sei. Wenn der Motor erst einmal ausgebaut sei, würde er sicher schneller repariert. Ganz so einfach war die Sache dann aber nicht. Schon beim Abmontieren der Stoßstange gab es die ersten Schwierigkeiten. Widerspenstige Schrauben wurden schließlich einfach abgesägt. Die automechanischen Fähigkeiten von Vikram erwiesen sich als begrenzt. Mit Hilfe eines Sachkundigen gelang es uns aber doch, den Motor herauszubekommen.
Da man uns bedeutete, dass man an diesem Tag nicht mehr dazu komme, sich um unseren Motor zu kümmern, fuhren wir in die Stadt. Wir ließen uns in einen Straßencafe nieder, wo eine große Diskussion über den Kommunismus begann. Ich hatte mich kritisch über den Stil der Monumentalbauten des kommunistischen Regimes geäußert, die uns umgaben. Rajindra hingegen war davon offenbar beeindruckt. Ein Argument ergab das andere. Bald waren wir mitten in der Diskussion über gesellschaftliche Systeme. Rajindra, der bislang immer bemüht war, Ruhe zu bewahren, geriet dabei zunehmend in Erregung. Auf seinen Händen bildete sich kalter Schweiß, er hörte nicht mehr zu, fiel mir ständig in das Wort und wurde schließlich sehr persönlich. Als ich nach seiner Meinung auch noch einem Polizisten gegenüber nicht genügend devot auftrat, warf er mir ganz allgemein zerstörerischen Kritizismus und mangelnde soziale Einbindung vor. Die Sache spitzte sich so sehr zu, dass ein ernsthafter Bruch zwischen uns befürchtet werden musste. Da wir noch einige Zeit und auf engstem Raum miteinander auskommen mussten, suchte ich ein Ende der Diskussion, das ich erst mit einiger Mühe fand, nachdem sich Franz und Werner eingeschaltet hatten.
Der Zufall führte uns danach in einen Kulturpalast, in dem ein russischer Film lief. Darin wurde das Verhältnis von Kapitalismus und Kommunismus, insbesondere die zu erwartende paradiesische Entwicklung des letzteren, auf so groteske Weise plakativ und kitschig dargestellt, dass sich Rajindra einer kritischen Bewertung nur noch mit dem Verweis auf seine fehlenden Russischkenntnisse entziehen konnte.
Die Nacht verbrachten wir – welch’ ein Abenteuer! - wieder neben der Werkstatt unter dem Dach eines Prüfstandes.