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Mimikryforschung im 20. Jahrhundert

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Es ist seit den Anfängen biologischer Wissenschaft bekannt, dass das Aussehen mancher Pflanzen und Tiere diese vor der Entdeckung vor Fressfeinden schützt. Schrecktracht, Warntracht und Tarntracht sind solche allgemein als Schutztracht bezeichneten Anpassungen genannt worden. Diese Begriffe führen jedoch gleich zweifach zu Missverständnissen. Zum einen können die Schutztrachten nicht so gewechselt werden wie ein Kleidungsstück, obwohl der Name das vorgibt; es handelt sich also nicht um frei wählbare Taktiken, sondern um genetisch fixierte Strategien; zum anderen beschränken sich die Schutztrachten auf optische Anpassungen, obwohl akustische, taktile und chemische „Schutzanzüge“ ebenso vorkommen. Ein so genannter Ameisengast, ein räuberisches Tier in einer Ameisenkolonie, benötigt im dunklen Inneren des Baus keine optische Tracht, er schützt sich vielmehr, indem er taktile, chemische und akustische Eigenschaften von Ameisen so gut nachahmt, dass er nicht angegriffen wird.

In der Entdeckungsgeschichte vieler Mimikrysysteme ging man vom Nachahmer aus, denn natürlich kann erst durch den Nachahmer eines mimetischen Signals auf das Vorbild geschlossen werden. Der Entdecker eines Nachahmers ist also zugleich ein Kenner des Vorbildes. Es wundert daher nicht, dass die ersten Beschreibungen von Mimikrysystemen oft nur Nachahmer und Vorbild und allenfalls einen hypothetischen Signalempfänger nennen (Cott 1940, Owen 1980). Die Suche nach dem Signalempfänger ist meist der schwierigste und langwierigste Teil bei der Aufdeckung von Mimikrysystemen und noch längst nicht immer abgeschlossen. Früher gebräuchliche Begriffe wie Verbergetracht, Scheinwarntracht, Schrecktracht, Ungewollttracht und Locktracht stellen den Nachahmer in den Mittelpunkt. Lediglich der Begriff Warntracht bezieht sich auf ein potentielles Vorbild, gilt jedoch auch außerhalb von Mimikrysystemen. Noch 1954 waren so wenige Mimikryfälle eindeutig experimentell belegt, dass Franz Heikertinger in seinem Werk >Das Rätsel der Mimikry und seine Lösung< im Untertitel eine Widerlegung der Tiertrachthypothesen als Zielsetzung nennt.

Dank der grundlegenden Arbeit des Direktors des Max-Planck-Institutes für Verhaltensforschung in Seewiesen, Wolfgang Wickler, wurde ein in sich geschlossenes Mimikrykonzept geschaffen, dass den Begriff Mimikry gegenüber anderen Phänomenen der Imitation und Nachahmung eindeutig abgrenzt. Wickler (1968, 1971) hat Mimikrysysteme aus dem natürlichen Blickwinkel des Signalempfängers analysiert und damit eine konsequente und verblüffend einfache Ordnung geschaffen. Sein überzeugendes Mimikrykonzept berücksichtigt Nachahmer und Vorbild als beteiligte Signalsender und den Signalempfänger; es beruht auf der Analyse von Mimikrysystemen als Kommunikation zwischen Sendern und Empfängern von Signalreizen, wobei Signalempfänger auf das „ursprüngliche“ Signal und seine Nachahmung in gleicher Weise reagieren. Nur wenn ein Signalempfänger durch nachgeahmte Signale getäuscht wird, sprechen wir von Mimikry. Damit es zur Täuschung eines Signalempfängers kommen kann, sind zwei Signalsender nötig, ein Vorbild und ein Nachahmer. Die Täuschung eines Signalempfängers besteht in einer ungenügenden oder fehlenden Unterscheidung zwischen Vorbild und Nachahmer.

Warnen, Tarnen, Täuschen

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